Deutsche Redaktion

Historisches Katz und Maus-Spiel

24.08.2020 09:24
Für das heutige Deutschland stelle die Erinnerung an verschiedenen Opfergruppen kein Problem dar: Sinti und Roma, Homosexuelle, Geisteskranke oder aber gefallenen Rotarmisten. Problematisch sei nur die Würdigung der Polen, schreibt die Gazeta Prawna. 
Wieso spielt Israel in der deutschen Politik die Rolle eines privilegierten Partners und Polen nicht?
Wieso spielt Israel in der deutschen Politik die Rolle eines privilegierten Partners und Polen nicht? Bundesarchiv, Bild 146-1989-034-21 / Mensing / CC-BY-SA 3.0

Seit Jahren würde Berlin mit großer Raffinesse verweigern, die an Polen verübten Verbrechen zu würdigen, schreibt in einem Feuilleton in der Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna der Publizist Andrzej Krajewski. Zugleich verhalte sich die Bundesrepublik in Bezug auf andere Nationen oder Minderheiten vollkommen anders. Es sehe wie ein Katz und Maus-Spiel aus. Nur versuche hier die Maus – Polen - die Katze zu erwischen. Diese wiederum, da sie die Maus aus wirtschaftlichen und geschichtspolitischen Gründen nicht erwürgen dürfe, vollführe Ausweichmanöver.

In der deutschen Geschichtspolitik gäbe es keinen Platz für die Erinnerung an die polnischen Opfer der brutalen Besatzung, meint der Publizist. Eine solche Würdigung würde sich der Bundesrepublik einfach nicht lohnen, lesen wir weiter. Polen sei ein zu enger und zu großer Nachbar, um seinen Politikern ein Instrument in die Hände zu reichen, mit dem sie ihre Kollegen in Berlin unter Druck hätten setzten können. Es stünde im Widerspruch zum deutschen Pragmatismus.

Die von Konrad Adenauer eingeleitete Versöhnung mit dem Staat Israel und mit jüdischen Organisationen habe man nur dank einer klaren Aufteilung in Opfer und Täter erreichen können. Man habe offen zugeben müssen, wer Täter war, an jüdische Organisationen seien große Geldsummen ausgezahlt worden. Durch die konsequent realisierte Strategie habe Deutschland aber einen weitgehenden Imagewechsel geschafft. Doch der vielleicht größte Erfolg der deutschen Geschichtspolitik bestehe darin, so Krajewski weiter, dass es den Deutschen gelungen sei, die Verantwortung für den Holocaust zu verwässern. Letztendlich hätten nicht nur die Deutschen Juden ermordet. Einige Polen hätten mitgemacht. Wenn man sich noch die Tatsache vergegenwärtigt, dass die meisten KZ‘s auf polnischem Boden situiert gewesen waren, wundere nicht, dass in den Augen der Weltöffentlichkeit Polen oft als Mitläufer fungieren würden.

Für das heutige Deutschland stelle die Erinnerung an verschiedenen Opfergruppen kein Problem dar, führt der Publizist fort: Sinti und Roma, Homosexuelle, Geisteskranke oder aber gefallenen Rotarmisten. Problematisch sei nur die Würdigung der Polen. Im Westen würden das tschechische Dorf Lidice sowie die französische Ortschaft Oradour-sur-Glane als Symbole für die Brutalität der Deutschen gegenüber Zivilisten stehen. In beiden Dörfern wurden um die 600 Menschen ermordet. Vielmehr sei in dieser Hinsicht in Tschechien und Frankreich nicht passiert, da die Deutschen in beiden Ländern nicht besonders brutal vorgegangen waren.

Darüber aber, dass über 200 polnische Dörfer ausgerottet worden seien, wüsste heute im Westen keiner.  Genauso unbekannt seien die Massaker der polnischen Intellektuellen, die Ermordung von über 60 Tausend Zivilisten im Warschauer Stadtteil Wola, die Säuberungen in der Region Großpolen, sowie viele andere brutale Morde. Adolf Hitler, den die stolze Haltung der Polen irritiert hatte, habe seinen Generälen schon zu  Kriegsbeginn befohlen, polnische Bürger auf brutalste Art zu behandeln und die Bewohnerzahl des besetzten Landes zu halbieren. Die Niederlage Deutschlands habe verursacht, dass anstatt von den geplanten 20 Millionen Polen letztendlich 6 Millionen das Leben verloren hätten. Die Hälfte davon seien Polen jüdischer Herkunft gewesen. Dies seien Opfer in die man investiere, stellt der Publizist fest. Die restlichen drei Millionen wolle man aber verschweigen. Ansonsten müsste Berlin die unangenehme Frage beantworten, wieso Israel in der deutschen Politik die Rolle eines privilegierten Partners spiele und Polen nicht, so Andrzej Krajewski in Dziennik/Gazeta Prawna.

 

Jakub Kukla