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Rzeczpospolita: Polnisches Denkmal, deutsche Chance

29.10.2020 12:00
Es gebe viele Hinweise darauf, dass im Zentrum Berlins ein Denkmal errichtet werde, um an deutsche Verbrechen gegen Polen zu erinnern, schreibt Jerzy Haszczyński in der Rzeczpospolita.
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Es gebe viele Hinweise darauf, dass im Zentrum Berlins ein Denkmal errichtet werde, um an deutsche Verbrechen gegen Polen zu erinnern, schreibt Jerzy Haszczyński in der Rzeczpospolita. Das Denkmal solle an Ereignisse erinnern, für die es fast keine Zeugen mehr gebe. Sie hätten die Debatte um das Denkmal nicht überlebt, weil sie zu spät begonnen und zu lange gedauert habe. Vor allem aber, habe sie die deutsche Sichtweise offenbart, inwieweit polnische Opfer es verdient hätten als Opfer des Dritten Reiches gedacht zu werden.

Seit vielen Jahren beobachte Haszczyński, wie die Deutschen aus der Weltgeschichte über die Verbrechen des Dritten Reiches, aus Zeitungsartikeln, Hollywood-Filmen und wissenschaftlichen Dissertationen verschwunden und mit dem Begrif Nazis ersetzt worden seien. Gleichzeitig hätten wichtige deutsche Politiker in schwierigen Zeiten dem polnischen Publikum gesagt, als zum Beispiel Russland Polen beschuldigt hatte, den Zweiten Weltkrieg verursacht zu haben: Ja, wir Deutschen tragen die volle Verantwortung. Haszczyński erhebt hierbei allerdings den Verdacht, dass diese Zusicherungen rituell sein könnten. Ein Beweis dafür sei das letzte Interview der Rzeczpospolita mit dem neuen deutschen Botschafter in Polen. Der Vater von Arndt Freytag von Loringhoven, erinnert das Blatt, war als Adjutant des Stabschefs in den letzten Kriegstagen mit Adolf Hitler im Bunker. Wie der Botschafter festgestellt habe, war sein Vater kein Nazi und habe den Nationalsozialismus nicht unterstützt. Er sei sogar ein Patriot gewesen, überzeugt davon, dass "es seine Pflicht ist, für sein Land zu kämpfen".

Wenn ein Vertreter der deutschen Elite solche Thesen äußern dürfe, bedeute dies, dass diese Eliten dies für normal hielten. Dass es möglich gewesen sei, mit Hitler im Bunker zu sitzen und kein Nazi zu sein.

Des Weiteren erinnert der Autor auf die ersten Versuche einer Gruppe von Bundestagsabgeordneten, die am 80. Jahrestag des Kriegsausbruchs in Berlin ein polnisches Denkmal errichten wollten. Als Grund hätten sie das "unzureichend entwickelte Bewusstsein für den besonderen Charakter der Herrschaft des deutschen Besatzungsregimes, das zwischen 1939 und 1945 die Ausrottung der Bevölkerung in Polen durchführte". Nicht mal 40 Prozent der Abgeordneten hätten sie zu ihrer Initiative überzeugen können.

Jetzt stehen wir an einem Wendepunkt. Dies sei vor allem eine Chance für die Deutschen. Der Glaube, dass alles verstanden und geregelt worden sei, war falsch. Die Folge sei eine zunehmend offene Bestreitung deutscher Verbrechen. Die Geschichte von kämpfenden Patrioten, die nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun gehabt hätten, verzerre das Bild des Dritten Reiches. Wie könnte sich dies auf zukünftige Generationen auswirken, fragt Jerzy Haszczyński abschließend.


rzeczpospolita/ps