Im Gespräch mit der Wochenzeitschrift Plus Minus erklärt Historiker und Leiter der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit Krzysztof Rak die Eigenart der deutsch-russischen Zusammenarbeit. Auf den ersten Blick scheine diese Kooperation keinen Sinn zu haben, sagt Rak. Wieso lege die pragmatische Bundesrepublik einen so großen Wert auf die Kontakte mit einem Land, mit dem der Handelsaustausch um das Zweieinhalbfache kleiner sei als mit Polen? Was treibe die Deutschen zu einer Zusammenarbeit mit einem Land in dem deutsche Firmen keine großen Erfolge verzeichnen können? Die Kanzlerin habe jahrelang wiederholt, dass die Kontakte mit Russland von großer Bedeutung seien. Doch aus der wirtschaftlichen Perspektive sehe man die Gewinne nicht. Ähnlich habe sich übrigens die Lage in der Zwischenkriegszeit gestaltet – die gegenseitigen wirtschaftlichen Kontakte seien unbedeutend gewesen. Wenn die wirtschaftliche Zusammenarbeit also zweitrangig sei, worum gehe es eigentlich? - fragt Rak und antwortet: Deutschland wolle die Rolle einer Weltgroßmacht spielen. Berlin wolle die Weltordnung mitgestalten, verfüge zugleich aber über das entsprechende militärische Potenzial nicht. Man versuche diesen Mangel durch die wirtschaftliche Expansion auszugleichen, doch dies sei zu wenig, um eine Schlüsselrolle in der Weltpolitik zu spielen. Deutschland brauche daher Partner, die auf der internationalen Ebene für Deutschland eine Verstärkung seien.
Gute Kontakte mit Russland würden die Stellung Deutschlands in der Welt eben verstärken. Genauso wie gute Beziehungen mit China. Man kritisiere Polen wegen angeblichen Verstößen gegen die Menschenrechte, wolle zugleich die Verbrechen der Russen und Chinesen nicht sehen. Eben der guten Beziehungen wegen. Deutschland verfüge über entsprechende Instrumente, um auf Putin Druck auszuüben. Bis auf die Armee und die natürlichen Ressourcen habe Moskau doch keine Karten in der Hand.
Eine gewisse Kurzsichtigkeit der politischen Elite in der Bundesrepublik sei Tatsache, führt Rak fort. Gemeinsam mit anderen Weststaaten habe Berlin tatenlos zugeschaut, wie man mit Hilfe militärischer Gewalt die Nachkriegsordnung in Europa verändert habe: zum ersten Mal im Jahre 2008 in Georgien, dann 2014 in der Ukraine. Und das, obwohl der Westen Russland problemlos ins Bockshorn hätte jagen können. Der Westen lasse den Machthabern in Moskau zu, ihre Innenpolitik auf einer scharfen Kritik des Westens zu stützen. Gleichzeitig sehe man immer klarer, dass in Deutschland die Idee eines starken Westens immer unpopulärer werde. Die Bindung an Washington werde immer schwächer. Für Länder wie Polen sei aber die Einigkeit des Westens von großer Bedeutung, denn sie verursache, dass die größten Spieler ihren Egoismus bändigen müssen. Für die Großmächte sei es typisch, dass sie ihre Interessen auf Kosten der mittleren und kleinen Spiele erledigen, sagt Krzysztof Rak, Historiker und Leiter der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit in der Tageszeitung Plus Minus.
DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Konfrontative Politik kostet mehr
In einem Gespräch mit der Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna erklärt der Direktor des Deutschen Polen-Instituts die Bedeutung der historischen Thematik in den beiderseitigen politischen Kontakten zwischen Polen und Deutschland. Die antideutsche Rhetorik der polnischen Regierung habe die bilateralen Kontakte in den letzten Jahren beeinträchtigt, sie habe auch das gegenseitige Vertrauen verringert und die Stellung Polens auf der internationalen Arena geschwächt. Auf der anderen Seite müsse man zugeben, dass die Einstellung der PiS-Regierung dazu geführt habe, dass die deutsch-polnische Geschichte in deutschen Debatten präsenter geworden sei.
Die Reparationsforderungen, auch wenn sie bis dahin noch nicht gestellt worden sind, habe verursacht, dass auch wichtige deutsche Medien das Thema aufgegriffen hätten. Unter anderem diese Diskussionen hätten die Idee eines Gedenkortes für polnische Opfer der deutschen Besatzung beschleunigt. Es sei aber nicht der Verdienst der harten Politik der PiS-Regierung, sondern vielmehr der deutschen Bürgergesellschaft. Eine konfrontative Politik bringe immer mehr Kosten als Gewinne, so Peter Oliver Loew in der Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna.
Jakub Kukla