Deutsche Redaktion

Kontroverse um neuen Untersuchungsausschuss: "Mehr Transparenz im öffentlichen Leben" vs. "Gefahr für demokratische Standards"

30.05.2023 11:40
Vize-Außenminister Arkadiusz Mularczyk verteidigt die abgesegnete neue Kommission zur Untersuchung von russischen Einflüssen in Polen als notwendig und kündigt Polens Engagement in die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses auf EU-Ebene an. Derweil kündigt ein bisheriger Präsidentenberater in Reaktion auf die Absegnung des "antidemokratischen" Gesetzes seinen Rücktritt an. Auch in ersten internationalen Reaktionen aus den USA und Brüssel herrscht Sorge vor einem negativen Einfluss des neuen Gremiums auf die Freiheit und Gerechtigkeit der Wahlen sowie auf demokratische Standards.
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Bild:Anelo/Shutterstock

Ziel des Ausschusses zur Untersuchung von russischen Einflüssen in polnischen Institutionen sei unter anderem die Aufdeckung der Hintergründe der Abhängigkeit Polens von russischen Ressourcen, sagt Vize-Außenminister Arkadiusz Mularczyk. Wie der Politiker in einem Interview für Polskie Radio 24 erklärte, werde sich die Kommission zudem mit den Abkommen zwischen polnischen und russischen Behörden sowie den Plänen zum Verkauf polnischer Unternehmen an russische Investoren befassen.

“Treffen von Ex-Premier Tusk mit Putin müssen geklärt werden”

Geht es nach dem Politiker, sollen die russischen Einflüsse auch im Kontext des laufenden Krieges in der Ukraine der polnischen Öffentlichkeit gezeigt werden. Es, so Mularczyk,  gebe zahlreiche Angelegenheiten, die einer Klärung bedürften, wie etwa die Treffen zwischen Putin, Ex-Premierminister Tusk und Ex-Außenminister Sikorski, die keinen informellen Charakter gehabt hätten. Hinter ihnen hätten sich vielmehr wirtschaftliche, geschäftliche und politische Entscheidungen verborgen, so Mularczyk. Das Ziel der Kommission sei es daher, Transparenz im öffentlichen Leben Polens herzustellen und der polnischen Öffentlichkeit Kenntnis über Handlungen zu vermitteln, die Moskau begünstigten. Als Beispiele für solche Handlungen nannte Mularczyk die Abhängigkeit Polens von russischem Erdgas und Erdöl sowie die Abkommen zwischen polnischen und russischen Behörden und die Ausbildung der polnischen Wahlkommission in Moskau. “In Anbetracht von Putins Wahlsiegen mit Ergebnissen von 80 bis 90 Prozent ist dies kurios”, so der Politiker. 

“Russische Einflüsse in der EU riesig”

Mularczyk kündigte zudem an, dass Polen Schritte zur Einrichtung einer Kommission zur Untersuchung russischer Einflüsse in der Europäischen Union unternehmen werde. Ähnliche Kommissionen seien bereits in Frankreich und Spanien tätig. Europäische Institutionen, so Mularczyk, seien jahrelang russischem Lobbying ausgesetzt gewesen und der Einfluss Moskaus in der Europäischen Union könne als "riesig" bezeichnet werden. Die Zustimmung zum Nord Stream etwa, sei nicht aus Naivität erfolgt. Es habe Lobbying gegeben, jemand habe die Entscheidungen unterzeichnet. Es sei illusorisch anzunehmen, dass für solch gigantische geopolitische und energiepolitische Projekte, die Europa von russischem Gas abhängig gemacht haben, “die Hand des Marktes” verantwortlich gewesen sei. Es habe sich um Lobbying und schmutziges russisches Geld gehandelt, so Mularczyk.

Ehemaliger Chef des Obersten Gerichtshofs: Staatspräsident Duda ist international kompromittiert

Gestern hatte Präsident Andrzej Duda entschieden, das umstrittene Gesetz zur Einrichtung der Kommission für russische Einflüsse in Polen zu unterzeichnen. Gleichzeitig kündigte er an, das unterzeichnete Gesetz dem Verfassungsgericht vorzulegen. Der Präsident begründete seine Entscheidung damit, dass die Öffentlichkeit sich selbst eine Meinung über das Verhalten von Personen bilden solle, die wichtige staatliche Funktionen ausüben. Er hoffe, so Duda, dass das Parlament die Mitglieder der Kommission so wählen wird, dass diese objektiv arbeiten kann.

Geht es nach Politikern der Opposition und Kritikern des Ausschusses, ist das Gesetz zur Einrichtung der neuen Kommission verfassungswidrig. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Regierung den Ausschuss dazu missbrauchen wird, um politische Gegner im Vorfeld der anstehenden Parlamentswahlen zu diffamieren. Der Rektor der Ökonomischen Universität Krakau, Prof. Stanisław Mazur, hat in einer Reaktion auf die Unterzeichnung des Gesetzes durch den Staatspräsidenten seinen Rücktritt aus dem Beratungsgremium des Staatsoberhaupts für Hochschulfragen angekündigt. Es sei die einzige mögliche Antwort auf die Absegnung eines Gesetzes mit eindeutig “antidemokratischem Charakter”. Der ehemalige Chef des Obersten Gerichtshofs, Prof. Adam Strzembosz bezeichnete den Staatspräsidenten nach der Absegnung der Vorschriften als “auf internationaler Arena kompromittiert". 

Brüssel: “Kein Licht im Tunnel in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz”

Auch internationale Beobachter sehen die Unterzeichnung des Gesetzes kritisch. So haben sich sowohl der amerikanische Botschafter und das Auswärtige Amt der USA besorgt über den Einfluss des neuen Gesetzes auf die Rechtsstaatlichkeit sowie die Freiheit und Gerechtigkeit der Wahlen geäußert. Auch EU-Justiz-Kommissar Didier Reynders fand klare Worte: "In Polen haben wir derzeit kein Licht am Ende des Tunnels in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz", so Reynders am Montag. Er fügte hinzu, dass "besondere Bedenken hervorgerufen werden durch die Einführung einer neuen Kommission, die in der Lage ist, bestimmten Personen das Wahlrecht zu entziehen und ihnen das Ausüben öffentlicher Funktionen zu verbieten".

IAR/tvn24/adn