Deutsche Redaktion

EU-Gerichtshof: Polen hat mit Justizreform EU-Traktate verletzt

05.06.2023 11:14
Im April 2021 hatte die Europäische Kommission beim EuGH eine Klage gegen Polen eingereicht und diese damit begründet, dass die Änderungen des Gesetzes über das System der ordentlichen Gerichte, des Gesetzes über den Obersten Gerichtshof und einiger anderer Gesetze gegen EU-Recht verstoßen.
Europejski Trybunał Sprawiedliwości
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Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in einem richtungsweisenden Urteil in Bezug auf die umstrittene Justizreform festgestellt, dass Polen die EU-Traktate verletzt hat. In dem Urteil heißt es zudem, dass die durch die Justizreform eingeführte Disziplinarkammer des Obersten Gerichtshofs die Bedingung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht erfüllt. Im April 2021 hatte die Europäische Kommission beim EuGH eine Klage gegen Polen eingereicht und diese damit begründet, dass die Änderungen des Gesetzes über das System der ordentlichen Gerichte, des Gesetzes über den Obersten Gerichtshof und einiger anderer Gesetze gegen EU-Recht verstoßen.

Die EU-Kommission argumentierte, dass "die neuen Rechtsvorschriften (von 2019) es den polnischen Gerichten nicht ermöglichen, zu überprüfen, ob die EU-Standards in Bezug auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht eingehalten werden, indem sie eine gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ernennung von Richtern verhindern, und dass Richtern, die sich nicht daran halten, ein Disziplinarverfahren droht".

Im Laufe des Verfahrens hat der Vizepräsident des Gerichtshofs auf Antrag der Kommission mit einem Beschluss vom 14. Juli 2021 an, dass Polen die Anwendung der angefochtenen Bestimmungen, insbesondere der Bestimmungen über die Zuständigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichtshofs, bis zum Erlass des Urteils in dieser Rechtssache aussetzen muss.

Im Oktober 2021 hat der EuGH Polen zur Zahlung eines Zwangsgelds in Höhe von einer Million Euro pro Tag an die Europäische Kommission verurteilt, weil es die Anwendung der Rechtsvorschriften über die Befugnisse der damaligen Disziplinarkammer des Obersten Gerichtshofs gegenüber Richtern nicht ausgesetzt hatte.

Am 15. Juli letzten Jahres trat eine von Präsident Andrzej Duda initiierte Änderung des Gesetzes über den Obersten Gerichtshof in Kraft, wonach die Disziplinarkammer nicht mehr existiert und durch die Kammer für berufliche Verantwortung ersetzt wird.

Im November 2022 beantragte die polnische Regierung die Aussetzung der Sanktionen, u. a. wegen der Abschaffung der Disziplinarkammer. Die Europäische Kommission lehnte dies mit der Begründung ab, dass Polen die Anordnung vom 14. Juli 2021 nicht vollständig umgesetzt habe.

Am 13. Januar dieses Jahres hat der Sejm eine weitere Änderung des Gesetzes über den Obersten Gerichtshof verabschiedet. Demnach sollen unter anderem Disziplinar- und Immunitätsfälle von Richtern vom Obersten Verwaltungsgericht (NSA) entschieden werden und nicht wie bisher von der Kammer für berufliche Verantwortung des Obersten Gerichts. Der Oberste Verwaltungsgerichtshof soll unter anderem auch die Zuständigkeit für die so genannten Immunitätsfälle von Richtern aller Gerichte übernehmen. Die Novelle sieht auch grundlegende Änderungen hinsichtlich der sogenannten Prüfung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Richters vor.

Am 10. März 2023 beantragte Polen beim EuGH die Nichtigerklärung oder Änderung des Beschlusses über die Verhängung der oben genannten Geldbuße. Zur Begründung dieses Antrags machte Polen geltend, dass es seinen Verpflichtungen aus den einstweiligen Anordnungen infolge der Gesetzesänderungen vollständig nachgekommen sei.

Unter Berücksichtigung der von Polen ergriffenen Maßnahmen, einschließlich der Abschaffung der Disziplinarkammer des Obersten Gerichtshofs, beschloss der EuGH, die Höhe des Zwangsgelds auf 500.000 Euro pro Tag zu reduzieren. (PAP)

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