Newsweek: „Wie wird man Präsident?“ – Aleksander Kwaśniewski über Wahlkampf, Macht und Verantwortung des Präsidenten
Der frühere Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski kommentiert in einem Gespräch mit dem linksliberalen Magazin Newsweek Polska die aktuelle Wahlkampagne. Er spricht von einem „Aufeinandertreffen zweier Visionen Polens“, das sich bislang jedoch kaum im öffentlichen Diskurs niederschlage – auch deshalb, weil die internationalen Entwicklungen derzeit das innenpolitische Geschehen überlagerten.
Wie Kwaśniewski beobachtet, sei es psychologisch einfacher, als Außenseiter – als „Underdog“ – in den Wahlkampf zu ziehen, doch strategisch bleibe der Favorit im Vorteil. Derzeit gebe es jedoch weder eine fesselnde Kampagnenstrategie noch charismatische Kontrahenten, wie sie in früheren Wahlkämpfen zu finden gewesen seien. Er wolle nicht unbescheiden klingen, aber Kämpfe wie „Kwaśniewski gegen Wałęsa“ oder „Tusk gegen Kaczyński“ hätten das Land politisch elektrisiert, heute hingegen dominierten Müdigkeit und politische Routine.
Trotzdem erwartet der Ex-Präsident eine deutliche Zuspitzung im zweiten Wahlgang – mutmaßlich zwischen Rafał Trzaskowski, dem Vertreter einer weltoffenen, demokratischen, progressiven Linie, und Karol Nawrocki, dem Kandidaten der PiS, der für eine konservativ-patriotische Ausrichtung stehe und europäische Integration als Gefahr begreife. Während Trzaskowski für Frauenrechte, LGBT-Rechte und Europa eintrete, betone Nawrocki die nationale Identität und die Notwendigkeit einer engen, nahezu unterwürfigen Anbindung an die Vereinigten Staaten – ungeachtet des erratischen Kurses eines Donald Trump.
Kwaśniewski betont, dass die Persönlichkeit eines Kandidaten entscheidend für den Wahlerfolg sei – sie mache 50 Prozent aus. Weitere 25 Prozent entfielen auf die Parteistrukturen, 25 Prozent auf das Kampagnenmanagement. Trzaskowski bringe aus seiner Sicht viele relevante Eigenschaften mit: Bildung, Haltung, sprachliche Kompetenz, und – nicht zuletzt – Zurückhaltung. „Es ist gut, einen Präsidenten zu haben, der nicht impulsiv entscheidet, sondern zuhören kann und die richtigen Menschen um sich schart“, so der frühere Staatschef.
Gleichzeitig warnt Kwaśniewski davor, den von der PiS unterstützten Kandidaten Karol Nawrocki zu unterschätzen. Auch wenn seine Nominierung innerparteilich kritisch gesehen werde, könne sich der harte Kern der PiS-Wählerschaft hinter ihm versammeln und ihn in die zweite Runde tragen. Offen bleibe, wie sich die Anhänger des libertären Kandidaten Sławomir Mentzen verhalten würden – einer Figur, die laut Kwaśniewski typische Züge eines Anti-Establishment-Politikers aufweise: jung, mediengewandt, inhaltlich widersprüchlich, aber mit einer Sprache, die bei frustrierten und jungen Wählern verfange.
Die Linke indes sei laut Kwaśniewski Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden: Ihre zentralen arbeitsrechtlichen Forderungen seien längst erfüllt, die klassische Arbeiterbasis sei durch technologische Umbrüche geschwunden. Der „prekäre Sektor“, also Menschen in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen, sei bislang nicht in ein linkes politisches Projekt eingebunden worden. Zudem mangele es an glaubwürdigen Führungspersonen. Dass sich die linke Wählerschaft auf drei Kandidaten aufsplittere – Magdalena Biejat, Adrian Zandberg, Joanna Senyszyn – zeuge von politischer Zersplitterung und Führungsschwäche, so Kwaśniewski.
Deutlich warnt der Altpräsident vor wachsendem Antagonismus gegenüber ukrainischen Geflüchteten, der im Wahlkampf gezielt geschürt werde. Zwar sei die polnische Gesellschaft anfangs außergewöhnlich solidarisch gewesen, doch sei der Frust über die langfristige Präsenz ukrainischer Flüchtlinge politisch instrumentalisiert worden. „Wenn die Ukrainer zurückkehren, wird der polnische Arbeitsmarkt zusammenbrechen“, mahnt Kwaśniewski – insbesondere in Bereichen wie Pflege, Bau oder Einzelhandel. Die Konfederacja, so fügt er hinzu, profitiere gezielt von antiukrainischen Ressentiments und greife dabei auch auf historisch-nationalistische Narrative zurück.
Auf institutioneller Ebene plädiert Kwaśniewski für ein umfassenderes Verständnis des Präsidentenamtes. Wer nur auf Macht und Ämtervergabe aus sei, solle besser Parteichef werden. Der Präsident hingegen müsse sich als Verfassungswächter, Vermittler zwischen politischen Lagern und Repräsentant des Gemeinwohls verstehen. Er wünsche sich in der Verfassung eine explizitere kulturelle Rolle des Staatsoberhaupts verankert – als „Mäzen der Kultur und des nationalen Erbes“. Denn gerade in gesellschaftlich polarisierenden Zeiten brauche es eine moralische Autorität, die Identität stifte und verbindend wirke.
Mit Blick auf die europäische und internationale Position Polens meint der Altpräsident: „Heute lautet die Reihenfolge: EU, USA, Region“. Die USA seien zwar weiterhin strategischer Partner, doch ihre Rolle im transatlantischen Kontext nehme ab. Die Zukunft Polens liege eindeutig in der Europäischen Union, betont er. Ein Zerfall der EU wäre für Polen verheerend. Nationale Stärke sei in Europa nur über kollektive Integration möglich.
In seinem fiktiven Brief an einen künftigen Präsidenten würde er drei Dinge anraten: die Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können, Dialogbereitschaft mit allen politischen Akteuren – und die Bereitschaft, hart zu arbeiten. „Wenn wir an den Punkt kommen, an dem politische Führer über sich selbst scherzen können, dann sind wir einen großen Schritt weiter“, so Kwaśniewski im Interview mit Newsweek.
Newsweek: Urteil über Trzaskowski
Ein möglicher Wahlsieg von Rafał Trzaskowski könnte eine juristische Zerreißprobe für den polnischen Staat bedeuten, warnt indes, ebenfalls in Newsweek der Publizist Andrzej Stankiewicz.
Der Grund: Entscheidend sei ausgerechnet die Bewertung der Wahl durch die Kammer für Außerordentliche Kontrolle des Obersten Gerichtshofs – ein Gremium, das vollständig aus sogenannten „Neorichtern“ bestehe, also Juristen, die unter der PiS-Regierung ernannt wurden. Diese Kammer, so der Autor, werde den Wahlausgang nur dann ohne Widerstand anerkennen, wenn Karol Nawrocki – ein Vertrauter der PiS und derzeitiger Leiter des Instituts für Nationales Gedenken – die Wahl gewinne. Andernfalls müssten die Neorichter damit rechnen, ihre eigene Abschaffung zu besiegeln: „Sie wären buchstäblich Richter in eigener Sache.“
Wie Stankiewicz erinnert, erkenne die aktuelle Regierung die Legitimität der Kontrollkammer nicht an, ebenso wenig wie europäische Institutionen. Ein Wahlsieg Trzaskowskis würde daher eine sofortige Entmachtung der Kammer bedeuten. In diesem Zusammenhang verweist der Autor auf ein früheres Urteil dreier Neorichter, das zugunsten des PiS-nahen ehemaligen Staatsanwalts Dariusz Barski ausgefallen sei – und als Beleg diene, wie politisch aufgeladen und eigennützig Entscheidungen dieser Richter ausfallen können.
Hinzu komme der neuerliche personelle Wechsel an der Spitze der Kammer: Die bisherige Leiterin und Vertraute von Präsident Duda, Joanna Lemańska, habe überraschend auf eine zweite Amtszeit verzichtet. An ihre Stelle sei nun Krzysztof Wiak getreten, ein Jurist, der während der PiS-Regierung dem Justizministerium von Zbigniew Ziobro als Gutachter gedient habe – unter anderem mit einer Rechtsmeinung, die Auszahlungen aus dem umstrittenen Justizfonds an kirchliche Institutionen legitimierte. „Es wird also ein Ziobrist an der Spitze der Neorichter darüber urteilen, ob Trzaskowski Präsident werden darf“, warnt Stankiewicz in Newsweek.
Do Rzeczy: Zweite Häuser der Polen
Immer mehr wohlhabende Polen investieren in Immobilien im Ausland – bevorzugt in Spanien, Italien und zunehmend auch in exotischeren Ländern, berichtet die nationalkonservative Wochenzeitschrift Do Rzeczy.
Spanien bleibe mit großem Abstand das beliebteste Ziel: 2024 hätten Polen bereits 4259 Immobilien dort erworben, was einem Anstieg von 36,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspreche, wie die Wirtschaftszeitung Expansion unter Berufung auf Daten der Registradores de España berichtet habe. Besonders gefragt seien laut Do Rzeczy Wohnungen und Häuser in Strandnähe, etwa in Torrevieja, Alicante oder Orihuela, wo bereits ganze „kleine Polens“ mit polnischen Geschäften, Restaurants und Medien entstünden. Viele Käufer treibe der Wunsch nach Sicherheit, Lebensqualität und Distanz zur russischen Grenze an – weniger hingegen das Streben nach kurzfristigem Profit, so das Blatt.
Auch Italien ziehe wieder mehr polnische Investoren an. Häuser und Wohnungen – insbesondere ältere Objekte – seien dort noch vergleichsweise günstig zu haben. Laut der auf Immobilien rund um Bergamo spezialisierten Expertin Beata Pawłusiewicz koste ein bezugsfertiges Apartment teils nur 35.000 Euro. Viele Käufer suchten dort bewusst einen Rückzugsort für Krisenzeiten. „Abruzzen sind wie das Kalifornien Italiens – mit Skipisten und Blick aufs Meer“, sagt Immobilienvermittler Miłosz Marczuk im Gespräch mit Do Rzeczy.
Zunehmendes Interesse zeige sich auch an Märkten außerhalb der EU: In Albanien lockten niedrige Lebenshaltungskosten und ein einfaches Kaufverfahren, trotz seismischer Risiken. In Georgien hingegen sei große Vorsicht geboten – die polnische Botschaft in Tiflis warne vor betrügerischen Bauträgern in Batumi. Ähnlich sei die Lage in Nordzypern oder Thailand, wo rechtliche Einschränkungen für Ausländer bestünden.
Besonders wohlhabende Polen investierten zudem in Immobilien in der Schweiz, in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Südafrika oder sogar in Ländern wie Botswana und Uruguay. Eines sei sicher, so das Magazin: „Mit wachsendem Wohlstand wird auch die Zahl derer steigen, die vom Leben im Ausland oder vom eigenen Haus in der Sonne träumen.“
IAR/adn