Deutsche Redaktion

Expertenkommentar: Warum Putin seinen Syrien-Vertrauten entließ

23.07.2025 10:23
Offiziell ist Russlands Chefstratege für Nahost, Michail Bogdanow aus persönlichen Gründen und aufgrund seines fortgeschrittenen Alters entlassen worden. Der Haken: Bogdanow ist genau im selben Alter wie Putin und zwei Jahre jünger als sein bisheriger direkter Vorgesetzter Lawrow. Der wahre Grund: Putin braucht einen Sündenbock für die diplomatischen Niederlagen im Nahen Osten, schreibt im Kommentar für den Auslandsdienst des Polnischen Rundfunks der Nahost-Experte Dr. Witold Repetowicz. 
Rozmowy z Ukrainą jeszcze w tym tygodniu - informuje Kreml
Rozmowy z Ukrainą jeszcze w tym tygodniu - informuje Kreml/Shutterstock

Putin ist offensichtlich nicht zufrieden mit der Entwicklung der Situation im Nahen Osten und hat entschieden, dass die Entlassung des Hauptverantwortlichen für die russische Politik in dieser Region Russland dabei helfen würde, sein Image aufzufrischen. Es geht um Michail Bogdanow, bis vor kurzem Russlands Schlüsseldiplomat an dieser Front, der am 9. Juli seine Position als stellvertretender Außenminister und Sonderbeauftragter des Präsidenten der Russischen Föderation für den Nahen Osten und Afrika verlor.

Offiziell wurde angegeben, dass seine Entlassung aus persönlichen Gründen und aufgrund seines fortgeschrittenen Alters erfolgte. Nur ist Bogdanow genau im selben Alter wie Putin und zwei Jahre jünger als sein bisheriger direkter Vorgesetzter Lawrow. Diese Entlassung erfolgt in einer Situation, in der es im Nahen Osten brodelt und jeder seine eigenen Interessen hüten muss. Man braucht also erfahrene Leute. Es sei denn, sie sind aus irgendeinem Grund in Ungnade gefallen.

Bogdanows Karriere und die syrische Katastrophe

Bogdanow verbrachte über 50 Jahre im sowjetischen und anschließend russischen diplomatischen Dienst, wobei er in dieser Zeit in Botschaften im Jemen, Libanon, Israel, Ägypten sowie zweimal in Syrien tätig war. Im Juni 2011, als sich im Nahen Osten Proteste gegen die dort regierenden, oft mit Russland verbundenen autoritären Regime entwickelten, die später als Arabischer Frühling bezeichnet wurden, wurde er zum stellvertretenden Außenminister ernannt. Kurz darauf brach in Syrien ein umfassender Bürgerkrieg aus, der 2015 zur Beteiligung Russlands auf der Seite des geschwächten und vom Iran unterstützten Diktators Baschar al-Assad führte. Einige Monate vor Putins Entsendung von Verstärkung war er dafür verantwortlich, die Politik der russischen Unterstützung für die Ermordung Tausender Syrer umzusetzen, die in Opposition zum Diktator standen, und die Bekämpfung von Gruppierungen, die im Dezember 2024 die Macht übernahmen.

Für Russland ist der Nahe Osten eine sehr wichtige Region. Gleichzeitig hat es dort die Taktik angenommen, alle verfeindeten Seiten zu unterstützen, aber nicht um zu vermitteln, sondern um jeden davon zu überzeugen, dass es sein Verbündeter ist und der Westen der Feind. Es war daher notwendig, die Kritik am Sturz Saddam Husseins durch die USA mit der Einschmeichelung bei den Schiiten zu vereinbaren, die der irakische Diktator zu Tausenden ermordete. Die Erinnerung sunnitischer Saddam-Sympathisanten daran, dass Russland ihn bis zum Ende unterstützte, hinderte es auch nicht daran, den Iran davon zu überzeugen, dass es sein größter Freund sei. Aber wenn Israel das Bedürfnis hatte, gab Russland ihm natürlich nicht umsonst grünes Licht für Bombardierungen iranischer Stellungen in Syrien. Denn die Russen kontrollierten dort die Luftabwehr, die in solchen Situationen nie aktiviert wurde.

Diese dankbare Mission leitete gerade Bogdanow. Nur ging etwas schief und die Russen begannen in ihrem Spiel auf mehreren Fronten Niederlagen zu erleiden, besonders da der Krieg in der Ukraine ihre Position schwächte. Der größte Schlag war natürlich der Fall Assads im Dezember 2024. Hier schwebte bereits die Drohung der Ungnade über Bogdanow, zumal er eine solche Entwicklung nicht nur nicht vorausgesehen, sondern gewissermaßen dazu beigetragen hatte. Die Russen stellten nämlich im Rahmen ihrer Abkommen mit Israel den Iranern in Syrien auf Schritt und Tritt ein Bein, im Gegenzug dafür, dass Israel seine „Unterstützung" für die Ukraine auf leere Erklärungen beschränkte. Vieles deutet darauf hin, dass der Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus, der von Israel im April 2024 durchgeführt wurde, mit stiller russischer Unterstützung erfolgte, obwohl Russland ihn natürlich offiziell verurteilte. Tatsache ist auch, dass von Russland bezahlte Funktionäre des Assad-Regimes während der siegreichen Offensive der Dschihadisten im Dezember 2024 die Aktionen der Iraner sabotierten, die versuchten, Widerstand in Aleppo zu organisieren. Die Russen ließen sich hier von der Überzeugung leiten, dass Assad völlig auf ihre Gnade und Ungnade angewiesen sein sollte und gleichzeitig, dass sein Fall unmöglich sei. Es kam jedoch anders.

Das Dilemma nach Assads Sturz und Russlands schwindende Glaubwürdigkeit

Der Fall Assads stellte Russland vor ein weiteres Dilemma: ihn retten oder im Stich lassen. Die zweite Option würde Gespräche mit den neuen Machthabern erleichtern, aber Panik unter anderen Diktatoren auslösen, die sich auf Moskau stützen. Man entschied sich daher für seine Evakuierung und die Gewährung von „humanitärem Asyl". Aber die Bündnisglaubwürdigkeit Russlands wurde trotzdem untergraben und in der Region tauchte immer häufiger die Frage auf: Verlässt Russland seine Verbündeten, wenn sie Probleme haben? Diese Fragen wurden noch aktueller, als Russland keinen Finger rührte zur Verteidigung seines angeblichen Verbündeten Iran, als dieser von Israel angegriffen wurde, obwohl im Januar 2025 ein russisch-iranisches Abkommen über strategische Sicherheitszusammenarbeit unterzeichnet worden war. Einer der zynischsten Vertreter Russlands in der Region, Botschafter im Irak Elbrus Kutraschew, gab in einem Interview im irakischen Fernsehen unter Druck zu, dass das einzige, worauf schiitische Verbündete Russlands zählen können, „die Gebete von Millionen Russen" seien.

Bogdanows gescheiterte Verhandlungen mit den neuen syrischen Machthabern

Unterdessen wurde Bogdanows Hauptaufgabe, die neuen Machthaber Syriens davon zu überzeugen, dass Russland eigentlich Assad nie unterstützt hatte, das syrische Regime unabhängig davon liebt, wer an der Macht ist, und dass daher die jetzt regierenden Dschihadisten vergessen sollten, dass es Bomben auf sie abwarf, es als Verbündeten anerkennen und der Beibehaltung russischer Stützpunkte in Tartus und Chmejmim zustimmen sollten. Bogdanow versicherte Putin, dass er das regeln würde, und flog bereits im Januar, um sich mit dem neuen Führer Syriens Ahmed asch-Schara zu einigen. Aber die Syrer forderten Assads Kopf. Trotzdem versicherte Bogdanow Putin noch im Mai, dass alles auf dem richtigen Weg sei. War es nicht. Die Syrer kündigten den Vertrag mit Russland über die Verwaltung des Hafens in Tartus und übertrugen ihn den Vereinigten Arabischen Emiraten. Und gleichzeitig begannen sie, sich mit den USA zu einigen.

Die Geduld des Zaren war daher erschöpft, und Bogdanow kann sich freuen, dass bisher kein „Selbstmord" an ihm begangen wurde. Die Russen hoffen wahrscheinlich, dass sie mit Bogdanows Kopf die Iraner davon überzeugen, dass sie den Schuldigen für Assads Fall bestraft haben, und die gegenwärtigen Machthaber in Syrien, dass sie den für die Unterstützung Assads Verantwortlichen bestraft haben. Ob ihnen das gelingt? Das wird sich zeigen.


Dr Witold Repetowicz 

Dr. Witold Repetowicz (geb. 1975) ist Nahost-Experte, Geopolitik-Analyst und Kriegskorrespondent. Er arbeitet als Assistenzprofessor an der Warschauer Akademie für Kriegswissenschaften und ist Experte der Casimir-Pulaski-Stiftung. Der Absolvent der Jagiellonen-Universität Krakau promovierte 2022 über die geopolitische Lage des Irak. Als Korrespondent der Polnischen Presseagentur (PAP) berichtete er aus Konfliktgebieten in Syrien und im Irak. 2017 wurde er vom syrischen Militärgeheimdienst inhaftiert. Repetowicz ist Autor der Bücher „Nazywam się Kurdystan" und „Allah Akbar. Krieg und Frieden im Irak" sowie zahlreicher Analysen zu Terrorismus, Migration und demografischen Fragen im Nahen Osten. 2017 erhielt er den Kazimierz-Dziewanowski-Preis des Polnischen Journalistenverbandes.

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