Putin erreichte zwei Dinge. Erstens wurde seine diplomatische Isolation durchbrochen. Natürlich hat der russische Diktator nach Beginn der bewaffneten Aggression gegen die Ukraine eine Reihe von Auslandsbesuchen unternommen, diese beschränkten sich jedoch hauptsächlich auf den postsowjetischen Raum sowie einige führende Staaten der autoritären Achse des Bösen, wie Nordkorea oder China. Abgesehen von der Teilnahme am Gipfeltreffen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit im demokratischen Armenien im November 2022 war die Reise nach Alaska der erste Aufenthalt des russischen Verbrechers in der Freien Welt. Noch schlimmer war, dass er dort mit überschwänglicher Gastfreundschaft empfangen wurde. Viele Gesten – darunter Trumps Anrede Putins beim Vornamen – waren unnötig und lösten tiefe Abneigung aus.
Man kann natürlich die Absichten des amerikanischen Präsidenten nachvollziehen. Trump hoffte, dass eine freundliche Atmosphäre den russischen Gast mildern und zu Zugeständnissen bewegen würde. Doch das war nichts anderes als eine weitgehende Naivität, die Trumps Ansatz gegenüber Russland seit Beginn seiner zweiten Amtszeit begleitet. Der grundlegende Fehler liegt in der Annahme, dass Putins Handeln nach westlichen Maßstäben rational sei. In jedem normalen, demokratischen Land würden 200.000 Tote, fast eine Million Verwundete sowie enorme wirtschaftliche Verluste zu der Frage führen, ob sich das alles lohnt – zumal die territorialen Gewinne, gelinde gesagt, bescheiden sind. Doch Russland ist kein normales Land, und für Putin sind all diese Verluste bedeutungslos. Für die meisten Russen ebenso, da sie vom Traum vom Imperium leben.
Schon Mitte des letzten Jahrhunderts schrieb der bedeutende amerikanische Politologe Hans Morgenthau darüber. Menschen, die in einer Diktatur leben, keinen Einfluss auf eine sie verachtende Regierung haben und in Armut dahinvegetieren, können selbstgebrannten Schnaps trinken, ihn mit Speck, Zwiebeln und Kartoffeln herunterspülen und in ihrer verfallenden Hütte der Propagandaplatitüde lauschen, dass die ganze Welt vor dem mächtigen Imperium, der „Matuschka Rossija“, niederkniet. Das ist ein Mechanismus der Projektion: Wenn du in deinem Land ein Niemand bist, bist du stolz darauf, dass dein Land groß ist. Oder zumindest bildest du dir das ein.
Trumps Illusionen gehen jedoch darüber hinaus. Der amerikanische Präsident hegt immer noch die Hoffnung, Russland auf seine Seite im amerikanisch-chinesischen Wettstreit um die globale Vorherrschaft ziehen zu können. Er glaubt auch, dass Russland das iranische Verhalten mildern und zu Zugeständnissen im Nuklearprogramm bewegen könnte. Das sind natürlich Hirngespinste. Und als Trump sein Vorgehen bei der Verhängung von Sanktionen gegen Russland sowie bei der Aufrüstung der Ukraine änderte, schien es, als habe er endlich seinen Fehler eingesehen. Nur: Trump gesteht ungern Fehler ein – offenbar nicht einmal vor sich selbst.
Die Pressekonferenz nach den Gesprächen bot Putin die Gelegenheit zu einem widerwärtigen Wortschwall über die guten nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und Russland – und schlimmer noch, über ein angebliches „gemeinsames Erbe“ in Alaska. Die Hälfte seines Auftritts widmete der russische Verbrecher historischen Abschweifungen, während die Journalisten vor allem daran interessiert waren, ob der Redner endlich aufhören würde zu töten. Doch zeitgleich griffen russische Drohnen erneut ukrainische Zivilisten an. Putin sprach auch von einem Abkommen mit den USA, doch weder in seinen noch in Trumps Aussagen gab es irgendwelche konkreten Punkte. Der Gastgeber entschied sich zudem, seinen blutbefleckten Gast vor Fragen zu schützen, die die gemütliche Atmosphäre wohl zerstört hätten.
Die US-Medien waren sich in ihrer Kritik an Putins Besuch einig. Sie verwiesen auch auf Provokationen der russischen Seite – etwa Lawrows Pullover mit der Aufschrift „UdSSR“. Auch das verstand Trump nicht. Er glaubt, der Krieg drehe sich um das Territorium einiger östlicher ukrainischer Regionen. Dabei geht es Russland um den Wiederaufbau des Imperiums. Es will eine Atempause im Krieg, um dank der Aufhebung von Sanktionen sein Potenzial wieder aufzubauen – und dann erneut zuzuschlagen.
Das ist die zweite Sache, die Putin erreicht hat: Zeit. Trump hatte Russland mit harten Sanktionen gedroht – und dank des Treffens in Alaska wird es dazu nicht kommen. Zumindest vorerst. Doch auf der anderen Seite hatte Putin sich sicherlich mehr erhofft. Vor allem, dass Trump der Annexion ukrainischen Territoriums zustimmen würde, sodass Selenskyj als derjenige dastünde, der die Verantwortung für die Fortsetzung des Krieges trägt. Auch dazu kam es nicht – noch nicht. Wie geht es weiter? Trump wird mit Selenskyj und den europäischen Verbündeten, darunter Polen, sprechen. Und Putin hat ihn nach Moskau eingeladen. Hoffen wir, dass es nicht dazu kommt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg betrachtete US-Präsident Harry Truman die UdSSR als ein Imperium des Bösen, das bekämpft werden müsse, statt sich mit seinen Führern zu treffen. Doch sein Nachfolger Dwight Eisenhower änderte den Kurs, und 1959 reiste Chruschtschow in die USA. Am Ende dauerte der Kalte Krieg jedoch weiter an – bis das Imperium des Bösen zusammenbrach. Daran sollte man sich erinnern und das Nötige tun: aufrüsten!
Dr. Witold Repetowicz (geb. 1975) ist Nahost-Experte, Geopolitik-Analyst und Kriegskorrespondent. Er arbeitet als Assistenzprofessor an der Warschauer Akademie für Kriegswissenschaften und ist Experte der Casimir-Pulaski-Stiftung.