Deutsche Redaktion

Außenminister Rau über die Aufgaben der polnischen Außenpolitik. "Polen hat antiimperialistische Traditionen"

13.04.2023 10:26
Polen werde keine Situation akzeptieren, in der Staaten in solche unterteilt werden, die das Recht haben, vollständig und frei über ihre Zukunft zu entscheiden, und solche, denen dieses Recht vorenthalten wird, so der Außenminister im Sejm. Aus diesem Grund müsse Warschau auch seine Verteidigungskapazitäten kontinuierlich ausbauen.
W czwartek o godz. 9 minister spraw zagranicznych Zbigniew Rau wygłosi expose w Sejmie
W czwartek o godz. 9 minister spraw zagranicznych Zbigniew Rau wygłosi expose w SejmieSejm RP/Twitter

Wir erleben heute einen Wendepunkt in der Geschichte Europas und die internationale Ordnung hänge vom Ausgang des russischen Krieges gegen die Ukraine ab, betonte bei der Vorstellung der Aufgaben der polnischen Außenpolitik für dieses Jahr Polens Außenminister Zbigniew Rau. Polen, so Rau, müsse vor diesem Hintergrund aktiv ein solches System der internationalen Sicherheit mitgestalten, in dem der bewaffnete Angriff eines Staates auf einen anderen immer unwahrscheinlicher werde. Die Prävention von Aggressionen müsse dabei immer auch eine finanzielle Komponente enthalten, so dass sich der potenzielle Aggressor der Verluste bewusst sei, die sein Verhalten nach sich ziehe. Daher müsse sich Polen auch an Organisationen und Koalitionen beteiligen, die in der Lage seien, Sanktionen gegen friedensgefährdende Staaten zu verhängen, so Minister Rau.

"Polen strebt Demokratisierung der internationalen Politik an"

Wie Polens Chefdiplomat zudem unterstrich, habe Polen eine antiimperialistische Tradition und strebe im Einklang mit dieser Tradition eine Demokratisierung der internationalen Politik an. Es sei eine Tradition und ein Streben, dass die Nationen Mitteleuropas vereine. "Deshalb betrachten wir uns als das Epizentrum wichtiger zeitgenössischer Werte, die Europa gegen hegemoniale Tendenzen verteidigen", betonte Rau. Und fügte hinzu, dass Polen keine Situation akzeptieren werde, in der Staaten in solche unterteilt werden, die das Recht haben, vollständig und frei über ihre Zukunft zu entscheiden, und solche, denen dieses Recht vorenthalten wird.

Die Ukraine und Europa würden heute einen schrecklichen Preis dafür zahlen, dass sie die Warnungen von Präsident Lech Kaczynski vor der aggressiven Politik Russlands nicht beachtet haben. Die Quelle dieser Warnungen, so Rau, sei unsere mitteleuropäische Erfahrung mit dem Imperialismus gewesen, die die Essenz unserer Sicherheit darstellen, da sie uns erlauben, Bedrohungen früher zu erkennen als andere. Die polnische Diplomatie habe bereits Monate vor der russischen Aggression gegen die Ukraine Anstrengungen unternommen, um diese zu verhindern. Einerseits durch die Mobilisierung der internationalen Gemeinschaft und andererseits durch Gespräche mit Russland. Außenminister Rau erinnerte in diesem Kontext an seinen Besuch in Moskau im Februar 2022, den er als Vorsitzender der OSZE absolvierte, bei dem er die Zusicherung erhalten habe, dass Russland nicht die Absicht habe, zu kämpfen.

"Polen hat eine Änderung der NATO-Strategie durchgesetzt"

Heute, so Rau, würde sich Polen dafür einsetzen, dass Ungarn und die Türkei den Beitritt Schwedens zur NATO ratifizieren. Wie der Außenminister hinzufügte, müsse Polen aufgrund seiner geografischen Lage im Rahmen des Bündnisses die Unterstützung unserer Nachbarn übernehmen können und sein Verteidigungspotenzial daher kontinuierlich ausbauen. Der Minister erinnerte daran, dass Polen eine Änderung der NATO-Strategie durchgesetzt hat, so dass eine vorübergehende Übergabe von Territorium an den Feind nun nicht mehr in Frage kommt und die Fähigkeit des Bündnisses, vom ersten Tag an auf Aggressionen zu reagieren hervorgehoben wird. 

"EU-Politik darf nicht von stärksten Staaten dominiert werden"

Die europäische Integration, so Rau weiter, sei der umfassendste Ausdruck der Bestrebungen der europäischen Gesellschaften für das gemeinsame Wohl aller Europäer. Dies sei auch die Position der Mehrheit der Polen und somit auch jeder polnischen Regierung. Zugleich handle die Europäische Union, wie der Chefdiplomat hinwies, im Rahmen der ihr übertragenen Zuständigkeiten und sei ein Instrument, mit dessen Hilfe ihre Mitglieder ihre eigenen und gemeinsame Ziele verfolgen. Polen werde in der Europapolitik Maßnahmen anstreben, die auf dem Einvernehmen aller Mitgliedstaaten beruhen und nicht auf Vereinbarungen zwischen den größten, geschweige denn “auf dem Diktat des mächtigsten Mitgliedstaates". Daher wolle und werde sich Polen dafür einsetzen, dass die EU-Institutionen die Vielfalt der Mitgliedstaaten und ihre Verfassungsidentität nicht untergraben.

"Russland ist nicht für immer zur Despotie verdammt"

In Bezug auf Russland werde Polen "voreilige Vorschläge zum Wiederaufbau der Brücken zu Russland" bekämfen. Die polnische Regierung halte an ihrer Position fest, dass Russland, solange es sich nicht aus der Ukraine, einschließlich der Halbinsel Krim, zurückzieht, außerhalb der internationalen Gemeinschaft bleiben wird. Die aggressive Politik Moskaus, so Rau weiter, stelle die größte Bedrohung für die Sicherheit Europas dar. Daher bleibe die Eindämmung der imperialen Ambitionen Russlands das unveränderliche Ziel der polnischen Außenpolitik. Gleichzeitig betrachte Polen Russland nicht als einen Staat, der für alle Zeiten zur Despotie und der Rolle eines internationalen Parias verdammt sei. Das heutige Russland müsse eine strategische Niederlage erleiden - sowohl an der Front als auch durch die Kosten der Sanktionen. Es könne sich aber zu einem demokratischen Staat entwickeln, dem Russland von Andrej Sacharow, Politkowskaja und Memorial." "Mit einem solchen Russland würden wir gerne zusammenarbeiten, aber ein solches Russland gibt es nicht", so Rau. 

IAR/adn