In seinem Artikel erwähnt der Brite, dass er während seines letzten Besuchs in Kiew im August, feststellen musste, dass die Puschkinstraße nach dem großangelegtem Einmarsch in die Ukraine, umbenannt wurde. Heute trägt sie den Namen des ukrainischen Intellektuellen und Unabhängigkeitskämpfers Jewhen-Tschykalenko. „Für Literatur- und Opernliebhaber ist die Umbenennung der Straße eine Brücke zu weit. Putin ja, aber warum Puschkin?”, fragt sich der Historiker.
Der Brite schätzt, dass Puschkin für die Ukrainer, die sich in einem existenziellen Unabhängigkeitskampf gegen Putins Invasion befinden, ein Symbol des russischen Imperialismus ist. „Puschkin war ein großer Dichter, aber er war auch ein Dichter des russischen Imperialismus, so wie Rudyard Kipling ein Dichter des britischen Imperialismus war”, betont Ash.
Der Historiker weist auch darauf hin, dass während der Bombardierung der Ukraine im vergangenen Jahr ein Video veröffentlicht wurde, in dem der russische Außenminister Sergej Lawrow ausgewählte Zeilen aus Puschkins Gedicht "An die Verleumder Russlands" zitiert. Puschkin spottet über die Westslawen, die sich gegen Russland auflehnten. Zwischen den Bildern von US-Präsident Joe Biden und vom G7-Gipfel war die Botschaft eindeutig.
Als russische Truppen Cherson besetzten, dienten Plakate mit Puschkin-Darstellungen einer Propagandakampagne, die verkündete, dass Russland 'für immer' hier sei, so Ash.
Hinter der Abneigung der Ukrainer gegen Puschkin steckt jedoch eine umfassendere Geschichte, argumentiert der Autor.
„Jetzt, wo wir zurückblicken können, sehen wir, dass der Zusammenbruch des russischen Imperiums einer der entscheidenden Faktoren in der europäischen Geschichte der letzten 40 Jahre war. Wenn wir in die Zukunft blicken, können wir davon ausgehen, dass dies eine der größten Herausforderungen für Europa in den nächsten 20, wenn nicht sogar 40 Jahren sein wird”, sagt der Brite voraus.
In seinen Reden macht Putin keinen Hehl daraus, dass sein wichtigster Bezugspunkt das Russische Reich ist. „Lawrow soll gegenüber einem befreundeten Oligarchen geklagt haben, dass Putin nur drei Berater habe: 'Iwan den Schrecklichen, Peter den Großen und Katharina die Große'." Seiner Ansicht nach sollte der Westen aufhören, sich vorzumachen, er könne die russische Politik beeinflussen.
„Westliche Demokratien neigen chronisch dazu, sich selbst zu überschätzen, wenn es darum geht, die Innenpolitik eines autoritären Regimes zu beeinflussen. Angesichts des heutigen Russlands, einer Diktatur mit einem Personenkult in einem fortgeschrittenen Stadium der Paranoia und Repression, greift unsere Hand viel zu kurz”.
Ash argumentiert jedoch, dass die Geopolitik, wie die Natur, ein Vakuum verabscheut. „Langfristig wird die Einbindung der Ukraine und ihrer kleineren Nachbarn in die EU und die Nato, die eine Garantie gegen jegliche Rekolonisierungsversuche bietet, auch Russland dienen. Wenn sich die Tore des Imperiums endlich schließen, kann der lange Weg zum Entstehen eines Nationalstaates endlich beginnen”.
Mit dem Versuch, den "Russki Mir" (Russische Welt) mit Gewalt wieder aufzubauen, hat Wladimir Putin ihn zerstört. Noch im Mai sprachen 80 Prozent der Ukrainer positiv über Russland. Im Mai dieses Jahres waren nur noch 2 Prozent der Ukrainer dieser Meinung.
De Standaard/jc