Deutsche Redaktion

TV-Doku “Reset”: Enthüllungen zu polnisch-russischer Zusammenarbeit vor 10 Jahren sorgen für Zündstoff in der Wahlkampagne

04.10.2023 11:21
„Es kommen neue schockierende Informationen darüber ans Licht, wie stark die damalige Regierung eine prorussische Politik verfolgte“, sagte der Chef des Präsidialamtes für Internationale Politik, Marcin Przydacz. Die Doku-Serie "Reset" hatte in einer aktuellen Folge über eine Zusammenarbeit der polnischen und russischen Geheimdienste berichtet, die von der Vergängerregierung PO-PSL abgesegnet wurde. 
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zdjęcie ilustracyjneAnelo/Shutterstock

Inmitten des Wahlkampfs geben Enthüllungen über eine Zusammenarbeit zwischen den polnischen und russischen Geheimdiensten dem Regierungslager neue Munition für Angriffe auf ihre politische Konkurrenz. Wie die Dokumentarserie "Reset" zur Russlandpolitik der Regierung von Ex-Premier und Oppositionsführer Donald Tusk in einer aktuellen Folge informiert, habe der polnische Militärische Nachrichtendienst (SKW) zur Amtszeit von Tusk eine Vereinbarung über Zusammenarbeit mit dem russischen Föderalen Sicherheitsdienst (FSB) unterzeichnet. 

Politisch völlig inakzeptabel”

In einer Reaktion auf die Enthüllungen hat Innenminister Mariusz Kamiński das Abkommen als „politisch völlig inakzeptabel“ und als Verstoß gegen die NATO-Verpflichtungen Polens bezeichnet. Kamiński erinnerte daran, dass "diese Vereinbarung beide Seiten zur Zusammenarbeit im Zusammenhang mit subversiven Aktivitäten von Drittländern auf dem Gebiet Russlands und Polens verpflichtete". "Das bedeutet, welche Länder? NATO-Länder? Oder Länder, die sich aus dem Einflussbereich Russlands lösen wollen? Das ist einfach nicht zu glauben", betonte er.

Der Innenminister wies auch darauf hin, dass "die von Donald Tusk unterzeichnete Zustimmung” unterzeichnet wurde, ohne die Meinung des Verteidigungsministers einzuholen. "Wir sprechen hier über den militärischen Geheimdienst, und das Gesetz über die militärischen Dienste besagt ausdrücklich, dass der Premierminister die Zustimmung erteilt, nachdem er die schriftliche Meinung des Verteidigungsministers eingeholt hat", fügte er hinzu.

„Zeit, die Augen zu Öffnen“

Auch Marcin Przydacz, der Leiter des Büros für Internationale Politik in der Präsidialkanzlei, meldete sich nach der Publikation der Folge zu Wort. "Es kommen neue schockierende Informationen darüber ans Licht, wie stark die damalige Regierung eine prorussische Politik verfolgte", sagte am Mittwoch der Chef des Präsidialamtes für Internationale Politik, Marcin Przydacz. Er wies darauf hin, dass dies an den Verträgen erkennbar ist, die unterzeichnet wurden, sowie an Notizen, die den Inhalt der Gespräche zwischen der damaligen Regierung in Warschau und Moskau offenbaren.

„Es ist an der Zeit, dass diejenigen, die die prorussischen Neigungen der damaligen Regierung nicht erkannt haben, die Augen öffnen“, sagte Przydacz.

Laut Przydacz habe sich das PO-PSL-Tandem Russland sehr intensiv zugewandt, und das auf Kosten von Polens Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen.

Verrat an Verbündeten 

Nach Ansicht des Historikers und Mitverfassers der Doku-Serie „Reset", Slawomir Cenckiewicz, ist der Artikel der Abmachung, wonach „die Parteien einander Hilfe leisten", u.a. im Bereich der „Bekämpfung der nachrichtendienstlichen und subversiven Aktivitäten der Geheimdienste von Drittländern, die gegen die Russische Föderation oder die Republik Polen gerichtet sind", als Verrat zu qualifizieren. Ihm zufolge könnte sich eine solche Zusammenarbeit „möglicherweise gegen polnische Verbündete richten", fügte er hinzu. 

Verstoß gegen den Washingtoner Vertrag 

Wie Cenckiewicz im Weiterem erklärte, würden die Bestimmungen des Abkommens im Widerspruch zum Washingtoner Vertrag stehen. „Artikel 8 des Vertrags besagt eindeutig, dass die NATO-Mitglieder kein solches Abkommen schließen dürfen, dessen Inhalt den Interessen des Bündnisses widerspricht. Dies ist nicht nur meine Meinung, sondern auch die Meinung des polnischen Geheimdienstes (…)“, betonte er.

Seiner Ansicht nach fand das gesamte Verfahren über den Inhalt dieses Abkommens, „die Konspiration der Kontakte und die Zusammenarbeit mit den Russen, insbesondere in den Jahren 2011-14", außerhalb der normalen Verfahren bei Konsultationen zwischen Verbündeten statt.

Gegen die Zusammenarbeit des polnischen Geheimdienstes mit den Russen und das Abkommen hätte damals sogar die polnische Agentur für Innere Sicherheit (ABW) eindeutig protestiert, so der Historiker. „Das alles ist eine noch nie dagewesene Situation", sagte er.

Wie Cenckiewicz betonte, habe es sogar westliche Länder gegeben, die gegen dieses Abkommen protestiert hätten, als sie herausfanden, dass die polnischen Behörden konspirativ ein Abkommen unterzeichneten, das auch für sie gefährlich sein könnte.

Regierungssprecher fordert Kommentar von US-Botschafter 

Der Sprecher der Regierungspartei sagte am Mittwoch zu den Enthüllungen über die Zusammenarbeit polnischer und russischer Geheimdienste, die Entscheidung des damaligen Premierministers Donald Tusk sei „empörend" gewesen.

Die russischen Sicherheitsdienste seien „eine Fortsetzung der kommunistischen Agenturen" und hätten in der Vergangenheit „fremde Länder infiltriert" und zum Sturz vieler Regierungen angestiftet, sagte Rafał Bochenek im Interview mit dem Polnischen Rundfunk.

Bochenek behauptete, dass Polen laut der TVP-Dokumentarserie im Rahmen der polnisch-russischen Zusammenarbeit NATO-Informationen an Kreml-Beamte weitergegeben habe. Dies habe seiner Meinung nach „die nationale Sicherheit gefährdet".

Er forderte den US-Botschafter in Polen, Mark Brzezinski, auf, sich zu diesem Thema zu äußern und zu bestätigen, ob Washington von einer solchen Zusammenarbeit zwischen polnischen und russischen Sicherheitsdiensten während der Regierungszeit der Bürgerplattform wusste, wie niezalezna.pl berichtete.

„Der Botschafter hat sich bei verschiedenen Gelegenheiten zu trivialen Angelegenheiten geäußert, daher bin ich neugierig auf seine Stellungnahme und seine Einschätzung der aktuellen Situation. (...) Die Frage ist, ob die Vereinigten Staaten überhaupt davon wussten. Hatten sie Kenntnis von dieser Art von Dokumenten, die von der PO-Regierung ausgearbeitet wurden“, fragte Bochenek.

Am 15. Oktober finden in Polen Parlamentswahlen statt. Die Vorwürfe an die Vorgängerregierung, eine russlandfreundliche Politik geführt zu haben, sowie die Trennlinie zwischen “pro-polnischer” und “nicht ganz polnischer Politik” sind ein fester Bestandteil des Wahlkampfnarrativs des Regierungslagers. 


PAP/niezalezna/adn/ps