Der Bundestag hatte Merz am Dienstag im zweiten Wahlgang zum Kanzler gewählt. Der Kandidat der Koalition aus CDU, CSU und SPD erhielt 325 Stimmen – neun mehr als die erforderliche absolute Mehrheit von 316 Stimmen. 289 Abgeordnete stimmten gegen ihn, drei enthielten sich. Im ersten Wahlgang war Merz mit 310 Stimmen noch gescheitert – ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik.
Der Historiker wertete das gescheiterte erste Votum als ein Zeichen politischer Instabilität: „Das ist ein Präzedenzfall, der auf ein Auseinanderdriften der politischen Kultur in Deutschland, aber auch in der EU und im transatlantischen Raum hinweist.“ Die Ablehnung sei vor allem aus den Reihen der SPD gekommen, so der Experte. „Für viele Sozialdemokraten ist Merz zu weit rechts.“
Dass Merz im zweiten Anlauf gewählt wurde, sei laut Stempin ein Hinweis auf pragmatisches Handeln: „Die SPD-Abgeordneten haben sich am Ende der Staatsräson verpflichtet gefühlt und rasch gehandelt.“
Positiv bewertete der Politikwissenschaftler auch die Entscheidung des neuen Kanzlers, bereits am Tag nach seiner Vereidigung nach Warschau zu reisen. „Das ist ein gutes Zeichen für die deutsch-polnische Zusammenarbeit“, sagte er.
Merz wird am Mittwochabend mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk zusammentreffen. Anschließend ist eine gemeinsame Pressekonferenz geplant. Zuvor war Merz vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier in Schloss Bellevue offiziell zum Kanzler ernannt worden. 17 Minister der neuen CDU/CSU-SPD-Regierung wurden am Dienstag im Bundestag vereidigt.
PAP/jc