Deutsche Redaktion

Zweifel an Rechtmäßigkeit der Präsidentschaftswahl in Polen

20.06.2025 11:36
Die Präsidentschaftswahl sorgt weiterhin für politischen Zündstoff. Der rechtskonservative Karol Nawrocki hat die Stichwahl mit hauchdünnem Vorsprung für sich entschieden. Doch jetzt werden massive Zweifel am Wahlausgang laut. Droht Polen eine institutionelle Blockade zwischen Präsident und Regierung?
Das Oberste Gericht hat nach eigenen Angaben bis Mittwoch rund 7.900 Wahlbeschwerden registriert.
Das Oberste Gericht hat nach eigenen Angaben bis Mittwoch rund 7.900 Wahlbeschwerden registriert. PAP/Marcin Bielecki

Nach dem knappen Sieg des rechtskonservativen Kandidaten Karol Nawrocki über den linksliberalen Rafał Trzaskowski mehren sich Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abstimmung. Vor allem Auffälligkeiten bei ungültigen Stimmen und teils gravierende Abweichungen in den Wahlergebnissen stehen im Zentrum der Kritik.

In Wahllokalen, in denen Trzaskowski in der ersten Runde vorne gelegen hatte, stieg die Zahl der ungültigen Stimmzettel – etwa durch Mehrfachkennzeichnungen – um rund 150 Prozent. In Nawrockis Hochburgen betrug der Anstieg dagegen nur etwa 45 Prozent. Auch bei sogenannten leeren Stimmzetteln zeigten sich ähnliche Muster. Kritiker sehen darin mögliche Hinweise auf Unregelmäßigkeiten oder Manipulation.

Zudem sollen in rund 800 Wahlkreisen deutlich höhere Stimmenzahlen für Nawrocki registriert worden sein, als auf Basis früherer Wähleranalysen zu erwarten gewesen wäre. Insgesamt geht es laut einer Modellrechnung um rund 36.000 zusätzliche Stimmen. Für Trzaskowski wurden vergleichbare Auffälligkeiten lediglich in etwa 200 Wahlkreisen festgestellt. Demnach hätte bereits eine Verschiebung von sieben Stimmen pro Wahllokal das Wahlergebnis kippen können – bei über 31.000 Wahllokalen in Polen ein potenziell entscheidender Faktor.

Besondere Brisanz erhalten die Vorwürfe durch zwei nachgewiesene Auszählungsfehler in Krakau und Mińsk Mazowiecki, bei denen Stimmen zunächst dem jeweils falschen Kandidaten zugeordnet worden waren. Die Unstimmigkeiten wurden nicht von der Wahlkommission entdeckt, sondern durch Medienberichte öffentlich.

Politisch droht nun eine institutionelle Blockade: Präsident Nawrocki steht der liberalen Regierung unter Premierminister Donald Tusk gegenüber. Die Zusammenarbeit zwischen Exekutive und Legislative gilt als gefährdet.

Auch in Brüssel wird die Entwicklung mit Sorge verfolgt. Die EU-Kommission hatte sich im Vorfeld der Wahl offen für einen Sieg Trzaskowskis ausgesprochen. Beobachter rechnen nun mit wachsendem Druck auf Warschau, die Vorwürfe aufzuklären und die Integrität des Wahlsystems zu überprüfen.

Die Situation erinnert viele an den rumänischen Wahlskandal Ende 2024, bei dem das Ergebnis nach Manipulationsvorwürfen annulliert worden war. Hinweise auf eine externe Einmischung – etwa durch Russland – gibt es in Polen bislang nicht.

PAP/Agenturen/Reuters/afx/jc