RZECZPOSPOLITA: „Anti-Ukrainismus dient Russland"
Die konservativ-liberale Rzeczpospolita schlägt Alarm. Bogusław Chrabota sieht in den jüngsten Entscheidungen des Präsidenten und der medialen Offensive seines Sprechers den „Beginn einer tragischen Kettenreaktion". Der Präsidentensprecher Rafał Leśkiewicz habe auf der Plattform X in „außergewöhnlich konfrontativem Stil" den Vorsitzenden des Verbands der Ukrainer in Polen, Mirosław Skórka, angegriffen und ihm „Unverschämtheit" sowie „Manipulation" vorgeworfen. Dabei habe Leśkiewicz auf die wachsende Welle des ukrainischen Nationalismus verwiesen und die Verbrechen der OUN-UPA von vor acht Jahrzehnten ins Spiel gebracht.
„Von diesen Worten kann einem die Haut am Nacken schaudern", schreibt Chrabota, „denn es ist schwer, darin nicht die Ankündigung einer Eskalation anti-ukrainischer Emotionen zu erkennen, die aus der Präsidentenkanzlei kommt." Man könne zwar annehmen, Leśkiewicz habe sich vergessen oder nicht bemerkt, dass der Wahlkampf vorbei sei. Doch eine solche Annahme wäre „sträfliche Naivität". Dieser Beitrag müsse mit dem Präsidenten abgestimmt gewesen sein und sei der beste Beweis dafür, dass gute Beziehungen zur Ukraine und zu Ukrainern bereits Vergangenheit seien.
Das präsidentielle Veto habe bewirkt, dass „von einem Tag auf den anderen eine Million in Polen lebender und arbeitender Ukrainer in einen Zustand extremer Unsicherheit über ihre eigene Zukunft versetzt wurde". Habe der Präsident darüber nachgedacht, dass er, indem er sich auf Spielchen mit der Regierung angeblich wegen der 800+-Leistung einlasse, mit dem Schicksal unserer Freunde, Mitarbeiter und Nachbarn spiele? „Dass er sie zu Menschen zweiter Klasse macht?"
Der Autor warnt: Die letzten Aktionen des Präsidenten und die scharfen Worte eines Koalitionsführers über „Zankerei und Unruhestiftung" zeigten, dass dieser notwendige Konsens kurz vor dem Zerbrechen stehe. „Davon profitieren werden nur die Feinde Polens." Die Diskreditierung der Ukraine und das Schüren von Abneigung gegen Ukrainer sei eines der Hauptziele des russischen hybriden Krieges. „Lassen wir uns nicht in dessen Räderwerk hineinziehen", mahnt Chrabota in der Rzeczpospolita.
DZIENNIK GAZETA PRAWNA: Seltsamer Krieg um erneuerbare Energien
Das Wirtschaftsblatt Dziennik Gazeta Prawna zeigt sich indes verwundert über ein anderes Veto des Staatspräsidenten. Diesmal gegen die Deregulierung im Energiesektor. Laut Informationen der Zeitung sei die Entscheidung nicht mit den Präsidentenberatern abgestimmt gewesen. Die blockierte Regelung hätte unter anderem vereinfachte Regeln für den Anschluss von Energiespeichern ans Netz ermöglicht und die Konzessionspflicht für Anlagen erneuerbarer Energien bis 5 MW aufgehoben.
Der Chef der Präsidialkanzlei Zbigniew Bogucki habe erklärt, Nawrockis Vorbehalte beträfen die Erleichterungen für Anlagen erneuerbarer Energien, die er als Versuch der Regierung betrachte, „Selbstjustiz" zuzulassen. „Das sind bereits wirklich mittlere Anlagen, und sie sollen außerhalb jeglicher staatlicher Kontrolle stehen", habe der Präsidialminister gesagt.
Eine Version aus dem Umfeld des Präsidenten spreche jedoch von der Möglichkeit eines „Versehens in der unter Zeitdruck arbeitenden Präsidialverwaltung". „Ich habe den Eindruck, dass man in den Präsidialdiensten nicht bemerkt hat, dass dies kein Regierungsgesetz ist, sondern eine Initiative des Teams von Rafał Brzoska, an dessen Arbeit übrigens die heutigen Berater Karola Nawrockis teilgenommen haben", kommentiert Grzegorz Onichimowski, Chef der Polnischen Stromnetze.
Janusz Kowalski, stellvertretender Vorsitzender des Sejm-Energieausschusses, lesen wir weiter, zeige sich hingegen zufrieden mit der Entscheidung von Nawrocki. Das betroffene Gesetz sei „keine Deregulierung, sondern eine Sammlung von Erleichterungen für die Branche erneuerbarer Energien auf Kosten der normalen Polen" gewesen.
Henryk Kaliś, Präsident des Forums der Strom- und Gasabnehmer, zeigt sich enttäuscht: „Die Energiepreise sind ein wesentlicher Bestandteil der Wettbewerbsfähigkeit der polnischen Industrie. Wenn wir den Produzenten in der Nähe haben, können wir Preise verhandeln, für beide Seiten vorteilhafte Bedingungen festlegen und die immer höheren Kosten vermeiden, die mit der Nutzung des nationalen Netzes verbunden sind", lesen wir in Dziennik/Gazeta Prawna.
GAZETA WYBORCZA: Tusks vorauseilender Schachzug
Die linksliberale Gazeta Wyborcza berichtet über Premierminister Donald Tusks Gegenoffensive in der Außenpolitik. Der Premier werde einen eigenen Sicherheitsberater ernennen – ein Weg, um die Mitarbeiter Karol Nawrockis von Expertengesprächen über die Beendigung der Kämpfe in der Ukraine fernzuhalten, schreibt im Aufmacher der heutigen Ausgabe der Publizist Bartosz Wieliński.
Nach Informationen der Zeitung solle Robert Kupiecki, derzeit Vizeaußenminister und zuständig für Sicherheitspolitik und transatlantische Beziehungen, Berater des Premiers werden. Der erfahrene Diplomat, von 2008 bis 2012 Botschafter in den USA, solle den Premier direkt über die internationale Lage und Sicherheitsbedrohungen informieren. Vor allem aber solle er an Treffen der wichtigsten Sicherheitsbeamten der NATO-Länder teilnehmen, die sich mit der Beendigung – oder vielmehr Aussetzung – des Krieges in der Ukraine befassen.
Solche Treffen, so der Autor, würden nach dem von US-Präsident Donald Trump am 15. August organisierten Gipfel in Anchorage regelmäßig stattfinden. „Diese Treffen sind von entscheidender Bedeutung, weil dort über Details gesprochen wird, die später die Staatschefs genehmigen. Und wie bekannt, steckt der Teufel im Detail", erkläre eine Quelle aus der polnischen Diplomatie.
Die Ernennung des neuen Beraters sei ein vorauseilender Schachzug gegenüber dem Präsidentenpalast. Denn Karol Nawrocki und sein Umfeld würden Anspruch darauf erheben, über die Außenpolitik zu entscheiden. Premier Tusk habe bei einem Treffen mit dem Präsidenten festgelegt, dass der Palast sich wie seit 15 Jahren mit den Beziehungen zu den USA, der UNO und der NATO befassen werde. Die Kontakte zu US-Außenminister Rubio wolle Tusk nicht aus der Hand geben. Im Präsidentenpalast müsste diese Aufgabe Sławomir Cenckiewicz übernehmen, der mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Antoni Macierewicz verbundene Chef des Büros für Nationale Sicherheit, dem die Dienste den Zugang zu Verschlusssachen entzogen hätten, so Bartosz Wieliński in der Gazeta Wyborcza.
Autor: Adam de Nisau