Deutsche Redaktion

Tusk warnt vor wachsender Bedrohung durch Russland und Belarus – Polen vor „kritischen Tagen“

10.09.2025 11:50
Nach dem nächtlichen Eindringen mehrerer russischer Drohnen in den polnischen Luftraum hat Ministerpräsident Donald Tusk im Sejm vor einer zunehmenden Bedrohung durch Russland und Belarus gewarnt. Zugleich forderte er eine vollständige Mobilisierung der westlichen Bündnisse, insbesondere der NATO. Polen befinde sich zwar nicht im Kriegszustand, doch die Lage sei ernster denn je seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Premierminister Donald Tusk
Premierminister Donald TuskFoto: PAP/Radek Pietruszka

„Es gibt heute keinen Grund zu sagen, dass wir uns im Kriegszustand befinden, aber es besteht kein Zweifel, dass diese Provokation aus Sicht Polens unvergleichlich gefährlicher ist als alle bisherigen“, sagte Tusk am Mittwoch vor dem Parlament in Warschau. Die Drohnenverletzungen des polnischen Luftraums seien Teil einer größeren Operation, so Tusk weiter. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die für Freitag geplanten belarussisch-russischen Militärübungen mit dem Namen „Zapad“, die vom 12. bis 16. September auf dem Gebiet von Belarus stattfinden sollen.

Laut dem Premierminister handelt es sich bei den geplanten Manövern um eine „äußerst aggressive Übung“, sowohl im Hinblick auf die angenommenen Szenarien als auch auf die simulierten militärischen Abläufe. „Nicht zufällig finden diese Übungen im Grenzgebiet zwischen Belarus, Litauen und Russland statt – insbesondere in der Region Kaliningrad. Es ist bekannt, dass der Suwałki-Korridor eines der geplanten Ziele möglicher zukünftiger russischer Operationen ist“, sagte Tusk.

Nach Angaben des polnischen Einsatzführungskommandos hatte die russische Föderation in der Nacht zum Mittwoch während eines groß angelegten Angriffs auf die Ukraine wiederholt den polnischen Luftraum mit Drohnen verletzt. In einer Mitteilung hieß es, dass alle notwendigen Verteidigungsmaßnahmen aktiviert und Drohnen, die eine unmittelbare Bedrohung darstellten, abgeschossen worden seien.

Tusk sprach in diesem Zusammenhang von einer bislang nicht dagewesenen Eskalation. „Diese Situation bringt uns näher als je zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg an einen offenen Konflikt heran. Wir erleben einen vollumfänglichen Krieg an unserer Grenze, und auf unserem eigenen Territorium geschieht bereits mehr als nur gewöhnliche Provokation.“

Der Regierungschef richtete einen Appell an alle Abgeordneten im Parlament – auch an diejenigen mit abweichenden politischen oder geopolitischen Ansichten: „Ich fordere Sie auf, in dieser Lage keinen Feind im Westen zu suchen. Wir haben bereits einen realen Feind im Osten – einen, der seine feindlichen Absichten nicht verbirgt.“

Angesichts der Entwicklungen forderte Tusk eine geschlossene Antwort des Westens. „Unsere gemeinsame Aufgabe muss heute und in naher Zukunft die vollständige Mobilisierung des gesamten Westens sein, damit Polen nie wieder in eine Lage gerät, in der wir nur glaubten, echte Bündnisse zu haben, die sich dann als bloße Papierversprechen herausstellten“, sagte der Premier. Die Mobilisierung aller NATO-Mitgliedstaaten sei notwendig, um der aktuellen Bedrohung glaubwürdig begegnen zu können.

Er betonte, dass Polen auf die Solidarität seiner Partner innerhalb der NATO zähle. „Wir werden alles aus den Bündnisverpflichtungen herausholen, was möglich ist. Die ersten Signale zeigen, dass Präsidenten und Premierminister der NATO-Staaten wirklich verstehen, dass das auch ihr Problem ist – und auch ihr Krieg“, sagte Tusk mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.

Polen werde weiterhin ein verlässlicher Verbündeter der Ukraine bleiben. „Polen wird an der Seite der Ukraine stehen, Polen wird die Ukraine unterstützen – denn die Ukraine trägt die Hauptlast im Widerstand gegen Russlands aggressive Politik.“

Im Sejm betonte Tusk, dass das Land vor „kritischen Tagen“ stehe – insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden „Zapad“-Manöver, die nach Ansicht der Regierung auch als Druckmittel gegenüber Polen und den baltischen Staaten verstanden werden könnten.

Abschließend erklärte Tusk: „Ich hoffe, Sie teilen meine Besorgnis, unsere Bereitschaft und den Geist der Mobilisierung. Ein geeintes Polen ist ein starkes Polen – und ein geeintes Polen wird niemand besiegen, davon bin ich überzeugt.“


PAP/IAR/jc