RZECZPOSPOLITA: Zeit, erwachsen zu werden
„Eines Drohne – das ist ein Fehler, viele Drohnen – das ist kein Fehler", zitiert Artur Bartkiewicz Jim Townsend, den ehemaligen stellvertretenden US-Verteidigungsminister, in seinem Kommentar für die konservativ-liberale Rzeczpospolita. Diese Nacht sei Polen - und damit auch der gesamten NATO - Zeuge eines offenen Tests durch die Russische Föderation geworden.
Die Verletzung des polnischen Luftraums durch über ein Dutzend Drohnen während des nächtlichen russischen Angriffs auf die Ukraine, so der Autor, erinnere brutal daran, dass der Krieg in der Ukraine nichts Abstraktes sei. „Im Gegenteil – für Polen hat er eine existenzielle Dimension", schreibt Bartkiewicz.
„Es ist Zeit, aufzuhören, Moskau mit sekundären Sanktionen zu drohen, es ist Zeit, sie einzuführen", mahnt der Autor. Trump habe bisher hauptsächlich geredet und nur 25-prozentige Sekundärzölle auf Indien verhängt, obwohl er 100 Prozent angekündigt hatte. „Solange die USA nur Fristen setzen, nach denen sie sicher Maßnahmen gegen Putin ergreifen werden, solange wird Putin sagen: ‚Ich erhöhe den Einsatz'", analysiert Bartkiewicz. Bisher habe sich leider jedes Mal gezeigt, dass das Ultimatum ein Bluff war.
Für Polen sei das, was sich in der Nacht vom 9. auf den 10. September ereignet habe, ein Signal, politische Streitigkeiten – zumindest in den Bereichen Sicherheit und Diplomatie – auszusetzen. Jetzt sei nicht die Zeit, über Beiträge auf X oder spitze Bemerkungen bei Pressekonferenzen auszutragen, wer in der „polnisch-polnischen“ Auseinandersetzung die Oberhand habe, deren Bollwerke inzwischen der Präsidentenpalast und die Kanzlei des Premierministers geworden seien. Angesichts der realen Bedrohung könne man sich Spaltungen nicht leisten. Seit dem Morgen könne man hören, die Präsidialkanzlei stehe in ständigem Kontakt mit der Regierung; das sei zu begrüßen. So müsse es jedoch auch in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten bleiben. Es sei an der Zeit, erwachsen zu werden, denn die Geschichte beginne dies zu verlangen. Es gehe nicht darum, ein oder zwei politische Punkte zu machen, sondern um die Sicherheit des Landes.
Auch wir als Gesellschaft, so Bartkiewicz weiter, müssen erwachsen werden. „Kein Pole kann heute sagen ‚das ist nicht unser Krieg'. Was müsste Wladimir Putin noch tun, um zu beweisen, dass es in dem von ihm begonnenen Krieg nicht nur um den Donbass geht, nicht nur um Kiew?" Der Autor erinnert daran, dass Moskau kurz vor Kriegsbeginn Forderungen präsentiert habe, die unter anderem den Abzug der NATO-Infrastruktur und -Streitkräfte aus Polen beinhalteten. „Diese Nacht hat Russland gezeigt, dass es zu prüfen beabsichtigt, wie viel es sich gegenüber der NATO erlauben kann." Die Antwort müsse heißen: Nichts, so Artur Bartkiewicz in der Rzeczpospolita.
dziennik.pl: Warnung vor russischer Desinformation
Das Portal dziennik.pl konzentriert sich auf die Informationskriegsführung nach dem Drohnenvorfall. Przemysław Paterek warnt vor erhöhter Aktivität prorussischer Konten, die die Situation ausnutzen würden, um Desinformation zu verbreiten.
Vor allem sollte man auf Narrative achten, die das Vertrauen der Bürger in Sicherheitsinstitutionen wie das Militär erschüttern sollen. „Bereits jetzt lassen sich Einträge beobachten, die die Handlungen der polnischen Dienste negieren und behaupten, sie seien ineffektiv oder – im Gegenteil – völlig übertrieben", lesen wir. Zusätzlich werde eine Erzählung über die geringe Wirksamkeit der NATO-Verteidigung und zu langsame Schutzmaßnahmen für die Bürger verbreitet.
Besonders perfide sei die Verbreitung von Posts, die ein Gefühl der Kriegsgefahr und einer möglichen Aktivierung von Artikel 5 der NATO schüren sollen. Gleichzeitig kursierten Einträge, die eine falsche Herkunft der Bedrohung suggerierten: „Während der ganzen Nacht und des heutigen Morgens waren in den sozialen Medien Posts zu sehen, die nahelegten, die Drohnen seien ukrainischer Herkunft und es handle sich um eine Provokation der Kiewer Regierung, die Polen in den Krieg mit Russland hineinziehen wolle", lesen wir.
Der Autor empfiehlt, in solchen Situationen nicht plötzlichen Emotionen nachzugeben und Informationen aus zweifelhaften Quellen zu meiden. „In einer Situation, in der wir auf einen Eintrag oder Text stoßen, der Unruhe auslöst, sollte man zunächst prüfen, ob er in anderen Quellen verifiziert werden kann", rät Paterek. Er betont: „Der Informationskrieg ist auch Teil der feindlichen Aktionen. Daher ist verantwortungsvolles Handeln jedes Bürgers der Schlüssel zur Aufrechterhaltung von Ruhe und stabiler Situation im Land."
RZECZPOSPOLITA: Neustart im Pilecki-Institut
Die Rzeczpospolita widmet sich heute zudem auch dem Führungswechsel im Pilecki-Institut. „Die Geschichtspolitik sollte in Ruhe funktionieren, nicht im Krieg und in Bränden", erklärt der neue Direktor Karol Madaj, der die krisengeschüttelte Institution beruhigen soll, im Interview mit dem Blatt.
Er, so Madaj, habe die Leitung aus Pflichtgefühl übernommen, da die neuerliche Image-Krise einer so wichtigen Erinnerungsinstitution viele Menschen beunruhigt habe, einschließlich seiner selbst. Als Vorbild für seine Amtszeitnennt er das Büro für Öffentliche Bildung des Instituts für Nationales Gedenken unter der Leitung von Professor Janusz Kurtyka und Dr. Łukasz Kamiński in den Jahren 2008-2016.
„Bildung ohne Forschung wird zur Propaganda, Forschung allein ohne Popularisierung wird zur Nische", formuliert Madaj sein Credo. Er kritisiert indirekt seinen Vorgänger Professor Krzysztof Ruchniewicz: Dieser habe sich möglicherweise zu sehr auf die Forschungskomponente konzentriert und weniger auf die im Gesetz beschriebenen Ziele des Pilecki-Instituts, zu denen auch die Popularisierung der Forschung gehöre.
Im Kommentar zur umstrittenen Entlassung der Chefin der Berliner Filiale des Instituts, Hanna Radziejowska erklärt Madaj diplomatisch: „Das mangelnde Vertrauen der Direktion zu Frau Hanna Radziejowska war bis zum 29. August aktuell." Er selbst habe dieses Vertrauen – „auch als Direktor des Instituts". Die Entscheidung über ihre Zukunft stehe noch aus.
Zum Programm „Beim Namen gerufen", das Polen ehrt, die während der deutschen Besatzung Juden retteten und dafür starben, äußert sich Madaj klar: „Dieses Projekt wird fortgesetzt, weil es für lokale Gemeinschaften notwendig ist, für den Aufbau des historischen Bewusstseins der Polen." Allerdings müsse es auf soliden Forschungen basieren: „Fehler, Eile bei durchgeführten Recherchen, Denkmäler um jeden Preis zu errichten, dienen dem Projekt nicht gut", so Karol Madaj gegenüber der Rzeczpospolita.
Autor: Adam de Nisau