Deutsche Redaktion

Kommentar aus Chișinău: Schicksalswahl in Moldau

28.09.2025 12:56
Heute finden in Moldau Parlamentswahlen statt. Sie gelten als eine der wichtigsten Abstimmungen in der Geschichte des Landes. Entscheidend ist die Frage, ob Moldau seinen prowestlichen Kurs fortsetzt oder ob prorussische Kräfte die politische Agenda übernehmen. Aus Moldau berichtet Piotr Pogorzelski.
Die polnische Ratsprsidentschaft hat die EU-Lnder aufgefordert, die Untersttzung und Koordination mit der Verwaltung in Chisinau zu verstrken. In Moldawien wurde aufgrund der Aussetzung des Transits von russischem Gas durch die Ukraine ab dem 16. Dezember 2024 der Ausnahmezustand verhngt.
Die polnische Ratspräsidentschaft hat die EU-Länder aufgefordert, „die Unterstützung und Koordination mit der Verwaltung in Chisinau zu verstärken". In Moldawien wurde aufgrund der Aussetzung des Transits von russischem Gas durch die Ukraine ab dem 16. Dezember 2024 der Ausnahmezustand verhängt.Фота: Shutterstock/Lalandrew

Favorit ist die seit 2021 regierende Partei Aktion und Solidarität (PAS) von Präsidentin Maia Sandu. Doch Umfragen zeigen, dass sie kaum Chancen auf eine Alleinregierung hat. Koalitionspartner sind rar: Sandu hatte in den letzten Jahren im proeuropäischen Lager weitgehend ein Monopol geschaffen.

Deutlich stärker aufgestellt ist das prorussische oder neutralistische Spektrum. Dazu zählen der Patriotische Block mit den Ex-Präsidenten Igor Dodon (Sozialisten) und Vladimir Voronin (Kommunisten) sowie der Block „Alternative“ um den früheren Präsidentschaftskandidaten Alexandr Stoianoglo und den Bürgermeister von Chișinău, Ion Ceban.

„Ein historischer Moment“

„Die Bedeutung der bevorstehenden Parlamentswahlen ergibt sich vor allem aus dem Kontext, in dem sie stattfinden“, erklärt Kamil Całus vom Zentrum für Osteuropastudien. „Moldau war noch nie so nah am Ziel der europäischen Integration. Seit 2022 ist das Land EU-Beitrittskandidat, seit 2024 laufen die Verhandlungen. Erst kürzlich wurde das Screening abgeschlossen. Jetzt entscheidet sich, ob Moldau Teil des europäischen Blocks wird.“

Auch Tomasz Horbowski von der polnischen Stiftung Solidarität International betont: Moldau habe „eine historische, reale Chance auf Integration mit der EU“. Die Bevölkerung könne nun den Weg fortsetzen – oder ihn aufgeben.

Widerspruch und Dilemma

Nicht alle sehen die Wahl als „für“ oder „gegen“ Europa. „Selbst die sogenannten prorussischen Parteien sprechen nicht mehr von einer Eurasischen Union“, sagt ein Analyst in Chișinău. „Es geht eher um ein Verharren im Dazwischen, manche nennen das Symmetrie.“

Hinzu kommt, dass die PAS unter schwierigen Bedingungen regierte: Pandemie, Krieg in der Ukraine, Energiekrise. „Objektiv gesehen hätte vieles besser gemanagt werden können. Natürlich will die Gesellschaft Veränderungen. Andererseits ist es die einzige Partei, die klar für EU-Integration steht. Das ist das Dilemma: Wollen wir eine Regierung für ihre Versäumnisse abstrafen – oder treffen wir eine historische Entscheidung?“

Risiko prorussischer Blockade

„Moldau ist eine parlamentarische Republik“, erklärt ein weiterer Experte. „Kontrolliert eine Seite die Mehrheit, regiert sie das Land. Kommen prorussische Kräfte an die Macht, könnte das nicht nur den EU-Kurs stoppen, sondern alle bisherigen Bemühungen annullieren. Dabei war es das Volk selbst, das im vergangenen Jahr für den proeuropäischen Weg gestimmt hat. Und ein Drittel der Moldauer lebt bereits in der EU – sie wissen, was diese Gemeinschaft bedeutet.“

Mehr als eine Million Moldauer arbeiten in EU-Staaten, viele besitzen auch Pässe anderer Mitgliedsländer, vor allem Rumäniens.

Ukrainische Sorgen

Auch die Ukraine blickt mit Sorge auf die Wahl. „Wenn die EU in Moldau verliert, wird Russland dafür sorgen, dass dieses Territorium feindlich gegenüber der Ukraine wird“, warnt der Schriftsteller Andrij Kurkow. „Das könnte eine neue Front eröffnen. Transnistrien könnte die ukrainische Bessarabien-Region angreifen. Die Folgen eines Sieges prorussischer Kräfte sind kaum absehbar.“

Maßnahmen am Rande der Legalität

Die Regierung in Chișinău will ein solches Szenario verhindern – auch mit umstrittenen Mitteln. Kurz vor der Wahl wurden die Adressen einiger Wahllokale für Bewohner Transnistriens geändert, um es ihnen schwerer zu machen, ihre Stimme abzugeben. Brücken über den Dnjestr wurden „in Reparatur“ geschickt.

Zudem wurde die prorussische Partei „Moldova Mare“ ausgeschlossen. Ihre Vorsitzende Victoria Fortuna hatte mit dem geflohenen Oligarchen Ilan Șor zusammengearbeitet, der bereits bei der Präsidentschaftswahl und dem EU-Referendum 2024 massenhaft Stimmen gekauft hatte. Auch die Partei „Herz Moldaus“ von Irina Vlah, Teil des Patriotischen Blocks, wurde von der Zentralen Wahlkommission ausgeschlossen.

Piotr Pogorzelski, Chișinău

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