Heute vergehen 100 Tage seit dem Amtsantritt von Staatspräsident Karol Nawrocki. Der größte Erfolg Nawrockis in dieser Zeit sei die Konsolidierung der Rechten gewesen, sagt Dr. Paweł Maranowski von der Universität Civitas im Interview mit der Polnischen Presseagentur PAP.
Überraschend sei die hohe Aktivität des Präsidenten auf vielen Feldern – in der Innenpolitik, bei Reisen durchs Land und in der internationalen Arena.
Besonders in der Außenpolitik habe man Unsicherheit und „zahlreiche Ausrutscher" befürchtet, so der Experte. Stattdessen zeige Nawrocki keine Scheu vor internationaler Tätigkeit und baue trotz mangelnder Erfahrung erfolgreich Zusammenarbeit auf der Linie Washington-Drei-Meere-Initiative-Polen im Sicherheitsbereich auf. „Hier könnte man dem Präsidenten eine positive Bewertung ausstellen", so Maranowski.
Allerdings seien seine Äußerungen zur Ukraine „etwas riskant", lesen wir weiter. Nawrocki erkläre seine Absicht, die Beziehungen auf den Boden der Tatsachen zu stellen und weise auf die Notwendigkeit hin, historische Fragen zu regeln. Auch seine kritische Haltung zur EU sei bemerkenswert. In diesen Fragen sei Nawrocki „Geisel" seiner Wahlkampfversprechen und eines radikaleren Elektorats, „dem der Präsident ständig zuzwinkert", so der Experte.
Eskalierender Konflikt mit der Regierung
In der Innenpolitik dominiere der eskalierende Konflikt mit der Regierung, den Nawrocki nicht vermeide, sondern im Vergleich zu seinem Vorgänger sogar verschärfe. Der „Kleinkrieg" habe schnell begonnen – mit Vetos gegen wichtige Gesetze wie das Windkraft-Gesetz, das auch Strompreissenkungen enthalten habe. Kontrovers für die Polen könne auch das Veto gegen den geplanten Nationalpark im Unteren Odertal sein. Hinzu kämen die Nichtberufung von 46 Richtern und Botschaftern sowie fehlende Offiziersernennungen im Geheimdienst.
Der Präsident versuche, seine Befugnisse maximal auszunutzen oder gar zu erweitern, analysiert Maranowski weiter. Nawrocki wolle bei Gesetzesprojekten konsultiert werden, Einfluss auf Botschafterposten nehmen und sich mit Geheimdienstchefs treffen. Die Nichtverleihung von Offizierspatenten, die eigentlich eine Formalität sein sollte, zeige dies deutlich. „Nawrocki verteidigt und erweitert sogar den Zustand, den er von Andrzej Duda geerbt hat. Auch in der Rechtsstaatlichkeitsfrage will er keine Zugeständnisse machen", so der Experte.
Fokus auf Konfederacja-Wähler
Dies sei eine „Strategie der Destabilisierung der Regierung", betont Maranowski. Vorerst lohne es sich weder für Nawrocki noch für die PiS, vorgezogene Wahlen anzustreben. Die Rechte könne jedoch bald eine Parlamentsmehrheit erreichen, daher zielten Nawrockis Aktionen stärker auf Konfederacja-Wähler ab: Teilnahme am Unabhängigkeitsmarsch, Treffen mit Konfederacja-Führern. „Das ist offensichtlich der Versuch, das rechte Milieu um den Präsidenten zu einigen, der hier zum neuen Anführer der Rechten heranwächst", so der Politologe.
Dies sei eine unbequeme Situation für die PiS und ihren Chef Jarosław Kaczyński, obwohl PiS-Politiker weitgehend die Präsidialkanzlei mitgestalten würden. „Interessant ist, was auf der Rechten geschieht. Es kommt zu einer Verminderung des Einflusses von Kaczyński – sowohl auf die Rechte selbst als auch auf Nawrocki, der gezeigt hat, dass er seinen Moment nutzen und Effizienz sowie Wirksamkeit bei der Konsolidierung dieses Milieus demonstrieren kann. Und das ist wohl der größte Erfolg Nawrockis in diesen ablaufenden 100 Tagen", erklärt Maranowski.
Der Präsident setze auch auf jüngere Wähler, die geneigt seien, die Konfederacja zu wählen, und versuche, sich in die immer stärkere Strömung der radikalen Rechten in Europa einzuschreiben. Zugleich bereite er den Boden für eine mögliche Verfassungsänderung.
Wachsende Polarisierung der Gesellschaft
Der eindeutige Rechtskurs Nawrockis führe jedoch zu wachsender Polarisierung der Gesellschaft, warnt der Experte. Umfragen zeigten, dass die Gesellschaft nicht daran glaube, der Präsident werde nationale Einheit anstreben, und in der Frage einer möglichen Erweiterung seiner Befugnisse etwa durch Verfassungsänderung stark gespalten sei. Die Vertiefung der Polarisierung und mögliche Eskalation des Konflikts könnten eine Niederlage des Staatsoberhaupts bedeuten.
Maranowski weist auch auf die hohen Werte sowohl Nawrockis als auch von Außenminister Radosław Sikorski in Vertrauensrankings hin. Eine aktuelle Umfrage für „Polityka" zeige, dass 53 Prozent der Polen den Präsidenten sehr gut oder gut bewerteten. „Das zeigt, dass wohl die Zeit für starke, entschlossene Politiker gekommen ist, als welche sich beide präsentieren." Das gute Umfrageergebnis des Staatsoberhaupts sei ein weiterer Erfolg seiner ersten 100 Tage, so Maranowski im Gespräch mit PAP.
PAP/adn