Deutsche Redaktion

Deutscher Jurist: Polen hat mehr Gründe als Italien, am Verhandlungstisch zu sitzen

13.12.2025 15:30
In den Debatten über die Ukraine sollte Polen einen festen Platz haben. „Ich hoffe, dass Polen im Weißen Haus vertreten sein wird, wenn die Europäer das nächste Mal dorthin reisen. Polen hat mehr Gründe, am Verhandlungstisch zu sitzen als etwa Italien“, sagte der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), der deutsche Jurist und frühere Diplomat, Wolfgang Ischinger, im Gespräch mit der polnischen Presseagentur PAP.
Wolfgang Ischinger hoffe Polen werde beim nchsten Treffen, wenn die Europer im Weien Haus mit Prsident Donald Trump ber die Zukunft der Ukraine sprechen, gemeinsam mit Deutschland und anderen Lndern am Tisch sitzen.
Wolfgang Ischinger hoffe Polen werde beim nächsten Treffen, wenn „die Europäer im Weißen Haus mit Präsident Donald Trump über die Zukunft der Ukraine sprechen“, gemeinsam mit Deutschland und anderen Ländern am Tisch sitzen. PAP/EPA/OMER MESSINGER

„Es wäre sehr wünschenswert, wenn Polen ein aktives Mitglied der E3 oder einer anderen Gruppe wäre, die Europa vertritt“, sagte Ischinger mit Blick auf die Friedensverhandlungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine. Nach Ansicht des MSC-Präsidenten gebe es „wahrscheinlich zwei Gründe“ für die Abwesenheit Polens beim jüngsten Treffen der E3-Staats- und Regierungschefs – von Bundeskanzler Friedrich Merz, dem britischen Premierminister Keir Starmer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Der erste Grund sei, dass die E3 seit mehr als 20 Jahren als Format existiere. „Bitte bedenken Sie, dass diese Gruppe 2003 als Folge des Irak-Kriegs entstanden ist. Es handelt sich um ein etabliertes, seit langem bestehendes Format“, sagte Ischinger. Zwar vertrete die Gruppe „drei zentrale Akteure der Debatte über die Zukunft Europas“, dennoch sei er überzeugt, dass „Polen Teil dieses Formats sein sollte“.

Als zweiten Grund nannte der MSC-Präsident, dass „die polnische Verfassung in bestimmten Punkten eine etwas komplizierte Lage schafft“. In einigen Fragen vertrete der Premierminister Polen, in anderen der Präsident. „Das kann meines Erachtens ein gewisses Hindernis für die Einbindung Polens darstellen“, erklärte er. Zugleich betonte Ischinger, er sei ein „klarer Befürworter des Weimarer Dreiecks“. „Ich halte diese Initiative für äußerst wichtig, sie sollte wiederbelebt werden“, so seine Ansicht.

Mehr Gründe als Italien
Ischinger hoffe Polen werde beim nächsten Treffen, wenn „die Europäer im Weißen Haus mit Präsident Donald Trump über die Zukunft der Ukraine sprechen“, gemeinsam mit Deutschland und anderen Ländern am Tisch sitzen. Es sei bedauerlich, dass Polen im August nicht vertreten gewesen sei. Polen habe mehr Gründe, an diesen Gesprächen teilzunehmen als etwa Italien, betonte der erfahrene Diplomat. Persönlich sei er ein klarer Befürworter, Polen immer dann einzubeziehen, wenn dies möglich sei. In Gesprächen über die Ukraine sollte Polen einen festen Platz haben, fügte er hinzu.

Schwerer Fehler der USA im Umgang mit Russland

Zu den laufenden Friedensverhandlungen erklärte der deutsche Jurist, er glaube die Stimmung im Kreml sei „optimistisch, ja geradezu euphorisch“. Die Vereinigten Staaten würden nämlich Gespräche mit Russland bilateral führen, ohne Europa dauerhaft in den Prozess einzubinden. Aus seiner Sicht sei es ein schwerer Fehler der amerikanischen Partner gewesen, zu Beginn der Gespräche mit der Ukraine und Russland über ein Kriegsende keine klassische Kontaktgruppe zu schaffen. Er verstehe nicht, „warum wir Russland einen taktischen Vorteil eingeräumt und eine Politik des Teilens und Herrschens zugelassen haben“. So habe man Russland mehr erleichtert, als man sollte, fügte er hinzu.

Vorteile der amerikanischen Diplomatie
Der frühere deutsche Botschafter in den USA sei der Ansicht, dass „der Ansatz der Trump-Regierung in der Krisendiplomatie, etwa im Fall des Gaza-Streifens, durchaus innovativ ist“. Er schließe nicht aus, dass er „wirksam sein kann“. Die USA seien in der Lage, auf bestimmte Akteure in einem Krisenszenario sehr großen Druck auszuüben – mehr, als wir Europäer es könnten. Diese amerikanische Praxis des eigenständigen Handelns habe gewisse Vorteile, die er nicht ignoriere. Zugleich bestehe jedoch das Problem darin, dass „der Fall Ukraine sich vom Fall Gaza unterscheidet“.

Einbindung Polens in die Gespräche
Im Fall der Ukraine könne er sich nicht vorstellen, dass ein ausgehandeltes Ende des Konflikts ohne die aktive Beteiligung von Ländern wie Polen, Deutschland oder der gesamten Europäischen Union umgesetzt werden könne. Man müsse allein auf die Logistik schauen: Wenn militärische, finanzielle und wirtschaftliche Hilfe in die Ukraine geliefert werden solle, auf welchem Weg gelange sie dorthin? Über Polen, stellte er fest. Deshalb wiederhole er: Polen sollte von Beginn an vollständig in die Gespräche eingebunden sein.

Wolfgang Ischinger ist ein 79-jähriger deutscher Jurist und ehemaliger Diplomat, der von 2008 bis 2022 die renommierte Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) geleitet hat. Zuvor bekleidete er hohe Ämter im deutschen Außenministerium und war Botschafter in den USA sowie in Großbritannien. Im Jahr 2025 übernahm Ischinger erneut, diesmal kommissarisch, den Vorsitz der MSC, bis der frühere NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Leitung übernahm.

PAP/ dziennik/ps

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