Deutsche Redaktion

"Russland kann kein Brot backen." Warum Trumps Dealmaker an Moskau scheitern

28.11.2025 12:44
Will Donald Trump wirklich Frieden in der Ukraine – oder provoziert er Moskau gezielt, damit der Krieg andauert? Und warum scheitern amerikanische Geschäftsleute, die im Nahen Osten mit ihrer Verhandlungstaktik Erfolge feierten, an Russland? Der Militärexperte Maciej Korowaj sieht Trump als kühlen Strategen, der die Russen „ausrupft", während der Politikwissenschaftler Witold Sokała erklärt, warum sich die Kreml-Eliten, anders als die Politiker in Nahost, nicht mit Geschäften ködern lassen. Mehr dazu in der Presseschau.
Ілюстративне фотоPavel Kazachkov, CC BY 2.0 , via Wikimedia Commons


RZECZPOSPOLITA: „Die Russen haben sich selbst hypnotisiert"

In einem ausführlichen Interview mit der konservativ-liberalen Rzeczpospolita präsentiert der Militärexperte und ehemalige Aufklärungsoffizier Oberstleutnant a.D. Maciej Korowaj vom Institut für die Ostflanke eine überraschende Analyse der gegenwärtigen Lage. Seine zentrale These: Donald Trump wolle in Wirklichkeit gar keinen schnellen Frieden in der Ukraine. Vielmehr provoziere er die Russen mit seinen Verhandlungsangeboten dazu, den Krieg fortzusetzen.

„Die Russen haben sich selbst hypnotisiert mit der Vorstellung, Trump sei auf ihrer Seite, aber in Wirklichkeit spielt Trump sie aus", erklärt Korowaj. Die USA würden Russland in anderen Bereichen – im Nahen Osten, im Kaukasus, in Zentralasien, sogar in Belarus – „ständig rupfen", und die Russen würden nachgeben. Ein andauernder Krieg liege durchaus im amerikanischen Interesse: Die USA gewönnen Rüstungsaufträge und könnten russische Interessen an den Peripherien angreifen.


Der Experte räumt zugleich mit der verbreiteten Annahme auf, es gehe Moskau primär um Gebietsgewinne im Donbass. „Dem Kreml geht es nicht so sehr
um das Territorium, sondern darum, dass die Ukraine aufhört, ein Staat zu sein, der Russland gefährden kann", betont Korowaj. Am wichtigsten sei für Russland die Aufhebung der Sanktionen, der Zugang zu den eingefrorenen Finanzreserven und eine möglichst entwaffnete, bündnislose Ukraine. Das Territorium habe zweitrangige Bedeutung und könne „verhökert" werden.

In Bezug auf die Dauerhaftigkeit eines möglichen Waffenstillstands zeigt sich Korowaj skeptisch: Russland könne sein militärisches Potenzial innerhalb von zwei Jahren wieder aufbauen. Der Kreml habe während des Krieges mehr Aufwand in den Aufbau des wirtschaftlichen und ausbildungstechnischen Hinterlands gesteckt als in die eigentlichen Kampfhandlungen. „Das ist ein Putin nahes Modus Operandi: den Krieg aufschieben, wenn es nicht geklappt hat, ein zweites Mal zuschlagen, und wenn nötig auch ein drittes Mal", so Korowaj mit Verweis auf Tschetschenien.

Der ehemalige Aufklärungsoffizier bezieht sich auch auf die jüngsten Sabotageakte in Polen. Die Entscheidung, Bürger von NATO-Staaten zu töten, sei auf Kreml-Ebene gefallen. Russland versuche, den Krieg auf NATO-Territorium zu verlagern, um die amerikanische Administration zu echten Verhandlungen zu zwingen. „Wenn es in Polen zu einer Zugkatastrophe mit Todesopfern gekommen wäre, würden wir ganz anders über den Friedensplan reden", so Maciej Korowaj im Gespräch mit der Rzeczpospolita.

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Warum Trumps Dealmaker an Moskau scheitern

In einem ausführlichen Essay für das Wochenendmagazing des Wirtschaftsblatts Dziennik/Gazeta Prawna liefert der Politikwissenschaftler Witold Sokała von der Jan-Kochanowski-Universität in Kielce eine komplementäre Analyse. Geht es nach Sokała, seien die amerikanischen Unterhändler in eine russische Falle getappt, weil sie einen fundamentalen Fehler begangen hätten – sie behandelten Moskau wie einen nahöstlichen Geschäftspartner.

Die Verhandlungen, erinnert der Experte, seien von Personen geführt worden, die außerhalb der regulären außenpolitischen Strukturen agierten: Steve Witkoff, Trumps Jugendfreund und Golfpartner, von Beruf New Yorker Immobilienspekulant, sowie Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn. Beide hätten sich auf der nahöstlichen Bühne als relativ effektiv erwiesen, weil sie eine gemeinsame Sprache mit den dortigen, sehr pragmatisch eingestellten Eliten gefunden hätten – Eliten, die sich vor allem für Geschäfte interessierten, nicht für Ideologie.

Doch mit Russland verhalte es sich anders, warnt Sokała. Die russische Elite bestehe zwar aus Kleptokraten, die sehr an ihren privaten Vermögen hingen. Doch sie wüssten auch, dass die Legitimation ihrer Macht davon abhänge, den nationalen, imperialen Mythos zu nähren. Im Gegensatz zur reichen jüdischen Diaspora, israelischen Politikern, arabischen Scheichs und selbst Hamas-Führern könnten weder sie selbst noch ihre Landsleute unter Friedensbedingungen leben und mit normalem Geschäft Geld verdienen.


„Russland kann kein Brot backen, deshalb zieht es vor, von Konflikten zu leben", fasst Sokała zusammen. Russlands strategisches Ziel sei die Verlängerung von Gewalt und die Aufrechterhaltung von Instabilität, denn auf einem so organisierten Spielfeld komme Moskau viel besser zurecht als im friedlichen Wettbewerb um Entwicklungsvorteile.

Putin habe Geschick bewiesen, indem er den Amerikanern mit Kirill Dmitrijew einen Verhandlungspartner unterschob, der deren Erkenntnisfehler zementierte – einen Harvard-Absolventen mit Goldman-Sachs-Erfahrung, der die Sprache amerikanischer Geschäftsleute spreche. Die Ausbildung von Witkoff und Kushner habe hauptsächlich Handelsrecht und Finanzen umfasst, nicht die Geschichte von Kriegen und Diplomatie – und schon gar nicht die Verwicklungen rund um die russische Seele und Kreml-Strategien.

Die Kreml-Elite, so Sokała, lasse sich nicht mit Zuckerbrot zum Frieden überreden. Man könne sie nur mit einem ausreichend dicken Knüppel zur Einstellung des Krieges zwingen. Erfreulich seien daher die jüngsten Erklärungen von Keir Starmer und Emmanuel Macron über eine Beschleunigung der Arbeiten zur Konfiszierung eingefrorener russischer Vermögenswerte. Erfreulich sei paradoxerweise auch, dass sich der US-Präsident am Dienstag von der Idee eines baldigen Treffens mit Selenskyj und Putin distanziert hat. Das könne nämlich bedeuten, dass er die Absichten Putins erkannt hat und sich, anstatt sich bei weiteren „Gipfeltreffen” lächerlich zu machen, darum kümmern wird, Moskau die Daumenschrauben anzulegen.

Selbst wenn dies der Fall sein sollte, müssten wir uns bewusst sein, dass es noch ein langer Weg ist, bis das endgültige, gewünschte Ergebnis erreicht sei – nämlich die Kapitulation des Aggressors und nicht des Opfers. Und die Uhr ticke.

“Wir wissen nicht, ob Russland zusammenbrechen wird, bevor es zu einer Implosion der erschöpften Ukraine kommt, bevor in Frankreich und Deutschland tatsächlich pro-russische Kräfte an die Macht kommen und die Vereinigten Staaten schließlich die für den amerikanischen Wähler exotischen Probleme des Alten Kontinents abtun.” Auf diese Szenarien setze Putin offenbar, indem er seine Gegner konsequent täusche und auf Zeit spiele, so Witold Sokała in Dziennik/Gazeta Prawna.

Autor: Adam de Nisau


Trumps Sondergesandter gab Kreml-Berater Hinweise für Ukraine-Deal

26.11.2025 10:51
Der US-Sondergesandte Steve Witkoff soll einem außenpolitischen Kreml-Berater konkrete Hinweise gegeben haben, wie dieser Donald Trump für einen möglichen Friedensplan gewinnen könnte. Das berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf ein Telefonat vom 14. Oktober.

Botschafter Cichocki: Russland strebt „taktische Pause“, keinen Frieden

26.11.2025 11:32
Der ehemalige polnische Botschafter in der Ukraine, Bartosz Cichocki, bezweifelt, dass Russland an einem tatsächlichen Frieden interessiert ist. Moskau wolle „taktisch einen möglichen Waffenstillstand“, strategisch aber die Zerstörung der ukrainischen Staatlichkeit fortsetzen, sagte Cichocki im Gespräch mit dem Portal money.pl. Ziel sei ein politisch kontrolliertes, vom Westen abgekoppeltes Land „wie Belarus oder Georgien“.

Genf ohne Polen

26.11.2025 12:30
Die Abwesenheit Polens am Verhandlungstisch in Genf, wo über die Zukunft der Ukraine beraten wurde, sorgt in Polen für Irritationen. Hauptsächlich außerhalb Regierungskreisen. Experten und Diplomaten sehen dies als eine Niederlage der Regierung an. Polen, trotz intensiver Unterstützung Kiews seit Beginn des Krieges, sei in diesem Gesprächsformat übergangen worden. Mehr dazu in der Presseschau.

Kommentar: Der Immobilienmakler und der Kreml

26.11.2025 21:10
Man könnte meinen, die Weltpolitik sei kompliziert. Doch die jüngsten Leaks rund um Steven Witkoff beweisen das Gegenteil: Mit einem Anruf, ein bisschen Bauchpinselei für den US-Präsidenten und einem „informell“ zugeschickten Friedensplan aus Moskau lässt sich offenbar die europäische Sicherheitsarchitektur neu verhandeln. Wer hätte gedacht, dass man für solche Aufgaben kein erfahrener Diplomat, sondern ein New Yorker Immobilieninvestor sein muss, schreibt in seinem Kommentar Leon Pińczak, Analyst für Sicherheit und Ostangelegenheiten bei Polityka Insight.

Polen sichert weiterhin Unterstützung für die Ukraine, fordert aber Aufklärung im Korruptionsfall

28.11.2025 11:09
Die polnische Unterstützung für die Ukraine bleibt unverändert. Das versicherte Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz. Zugleich forderte er die vollständige Aufklärung in den laufenden Antikorruptionsermittlungen.