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Verstoßen und wiederentdeckt - Józef Mackiewicz

31.03.2021 10:01
Man findet ihn weder in deutschen Nachschlagewerken, noch sind seine Bücher Gegenstand deutschsprachiger Slavistik. Runde Jahrestage bieten deutschen Feuilleton-Chefs nur selten Anlass, um an ihn zu erinnern. Dabei gehört Józef Mackiewicz zu den herausragendsten polnischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Obendrein hat er dreißig Jahre seines Lebens in Deutschland verbracht.
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Józef Mackiewicz (rechts) mit Michał Chmielowiec. Mnchen 1961
Józef Mackiewicz (rechts) mit Michał Chmielowiec. München 1961Archiwum Emigracji Biblioteki Uniwersyteckiej w Toruniu

Trotz aller Widrigkeiten hätte es Józef Mackiewicz unzweifelhaft verdient, zu einem der führenden Schriftsteller Polens aufzusteigen. Zahlreiche Leser sind sich einig, dass der vielerorts verkannte Romancier zu den originellsten Künstlern des Landes gehört. Vor allem aber galt Mackiewicz für viele Polen als eine moralische Autorität von höchstem Rang, denn er war zugleich ein erklärter und kompromissloser Gegner des kommunistischen Systems. Und dies ist einer der Hauptgründe dafür, dass seine Bücher zwar stets vergriffen waren, es für deren Neuauflagen aber jahrzehntelang kein Papier gab. ʺMackiewicz ließ keinen Zweifel aufkommen, dass die größte Gefahr vom Kommunismus ausging. Diese Ansicht war leider nicht überall beliebtʺ - sagt der Historiker Andrzej Nowak.

Józef Mackiewicz, der in den Ostgebieten aufwuchs und im Polnisch-Sowjetischen Krieg den bolschewistischen Terror aus nächster Nähe miterlebt hatte, konnte nach 1945 die neue Führung in Warschau kaum befürworten. In seinen Texten bäumt er sich gegen sie auf, macht seiner Empörung Luft. In den Romanen ʺDroga donikądʺ und ʺNie trzeba głośno mówićʺ stellt er die von Stalin installierten Machthaber unbarmherzig bloß. Ein polnischer Journalist, der die westliche Welt auf den Massenmord von Katyń aufmerksam machte, musste an der Weichsel entweder verfolgt oder gefürchtet werden. In der Volksrepublik konnten seine Schriften daher nur unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen verbreitet werden, wurden aber damals häufiger gelesen als heute, so der inzwischen verstorbene Publizist Grzegorz Eberhardt.  ʺDie Texte von Mackiewicz hatten eine unglaubliche Wirkung, weil sie provozierten und den Blick für die Niedertracht des Systems schärftenʺ.

Im Londoner Exil war Mackiewicz auf die Hilfe ausländischer Zeitungen sowie polnischer Kollegen wie Marian Hemar angewiesen, die sich ebenfalls als ʺverstoßene Dichterʺ gegen das Regime in Warschau zur Wehr setzten. Der Herausgeber der Exilzeitschrift ʺWiadomościʺ, Mieczysław Grydzewski, geriet immer wieder ins Staunen. Nicht die literarische Qualität der Texte von Mackiewicz hielt er für fragwürdig, sondern die Tatsache, dass er den blutigen sowjetischen Terror sofort in kunstvolle Prosa zu verwandeln vermochte.

Allerdings war Józef Mackiewicz kein Feind der russischen Kultur. Der in St. Petersburg geborene Autor war zweisprachig und zollte den vertriebenen russischen Intellektuellen großen Respekt. Es war die bolschewistische Bedrohung, die ihn beunruhigte und immer wieder mit neuen Themen versorgte. Auch konnte Mackiewicz nicht begreifen, dass manche Künstler im Westen lobende Worte für die marxistische Ideologie fanden, die gegen jegliche Freiheit und Würde gerichtet war. In der Bundesrepublik Deutschland erschienen seine Schriften über das Massaker von Katyń nur in einer kleinen Auflage. Dennoch ließ sich der Schriftsteller und politische Journalist in München nieder, wo er mit Emigrantenkreisen in Berührung kam und Mitarbeiter der polnischen Sektion von Radio Free Europe wurde. Unter der Leitung von Jan Nowak-Jeziorański ließ Mackiewicz zumindest in den Lautsprechern noch einmal die polnische Zwischenkriegskultur aufleben.

Für gleichgesinnte Patrioten im Ausland war er zweifelsfrei eine Instanz, geriet aber auch mit manchen von ihnen aneinander. Ähnlich wie sein prominenter Bruder, der Politiker und Essayist Stanisław Cat-Mackiewicz, galt er als ein meinungsstarker Einzelgänger, vertrat jedoch bisweilen ganz andere Ansichten. Mit seinen polemischen Spitzen gegen die Politik der Londoner Exilregierung machte er sich in München keine Freunde. Józef Mackiewicz ließ sich nicht einschüchtern, kritisierte die Programmgestaltung bei Radio Freies Europa und verweigerte sogar der Redaktion der Pariser Exilzeitung ʺKulturaʺ gar einen Literaturpreis. ʺMit all seinen Erfahrungen konnte Mackiewicz nicht in das Lied der Alliierten einstimmen, in dem es hieß, Polen sei aus dem Zweiten Weltkrieg als ‚Sieger‘ hervorgegangen. Für ihn war die sowjetische Okkupation die größte Katastrophe in der Geschichte Polensʺ, so der Polonist Włodzimierz Bolecki.

Die Zeit bis zu seinem Tod im Jahr 1955 verbrachte Józef Mackiewicz in der bayerischen Hauptstadt, wo er in ärmlichen Verhältnissen lebte. Außer seiner Feder hatte er nichts zur Verfügung, wobei er sich in den letzten Lebensjahren als ein ebenso scharfsinniger politischer Visionär und Beobachter der deutsch-polnischen Beziehungen erwies. Solange noch der gemeinsame Feind in Moskau regiere, so Mackiewicz, seien jegliche Debatten über die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze belanglos.


Aus Berlin, Wojciech Osiński (Korrespondent des Polnischen Rundfunks)