Deutsche Redaktion

Dem Zeitgeist auf der Spur: Antoni Słonimski

13.11.2025 06:19
Der Sejm hat das Jahr 2025 zum Antoni-Słonimski-Jahr erklärt. Anlass ist der 130. Geburtstag des polnischen Lyrikers, Feuilletonisten und Übersetzers. In der Zweiten Republik galt er als eines der vielversprechendsten Talente Polens. Unvergessen bleiben seine allwöchentlichen „Kroniki tygodniowe“. Sein publizistisches Vermächtnis aus den 1950ern und 1960ern wird aber auch teilweise kritisch gesehen.
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Sein Debüt fiel in eine Zeit des nationalen Hochgefühls: Die polnische Lyrik, die vor dem 11. November 1918 viele Jahrzehnte in den Dienst der Nation gestellt war, konnte aufatmen und unbeschwerte Sprünge machen. Antoni Słonimski gehörte einer jungen Dichtergeneration an, die endlich überschwänglich ihre Freiheit besingen durfte, ohne sich dabei rechtfertigen oder erklären zu müssen. „Im Frühling lasst mich Frühling sehen, nicht Polen“, schrieb sein Freund Jan Lechoń in dem Gedicht „Herostrates“.

Im Jahr 1920, als die nach Westen vordringende Rote Armee vor den Toren Warschaus stand, kehrte die polnische Literatur wieder zu ihren romantischen Mustern zurück. Die Dichtergruppe „Skamander“, welcher auch Słonimski angehörte, rief nun zum Widerstand gegen Lenins Soldaten auf. Angesichts der unmittelbaren Bedrohung sprachen ihre Wortführer mit einer Stimme, standen nicht selten gemeinsam an der Front. Nachdem Józef Piłsudski Warschau erfolgreich verteidigen und die Sowjettruppen wieder weit nach Osten zurückdrängen konnte, entwickelten die „Skamandriten“ eine Form der Gesellschaftssatire, die in erster Linie auf den Leser abzielte. Sie haben aber auch schon unterschiedliche Positionen bezogen, wenngleich sie sich noch nicht parteipolitisch festlegen wollten.


Im Jahr 2025 feiert Polen das 130. Geburtstagsjubiläum Antoni Słonimskis (NAC)

Im Jahr 2025 feiert Polen das 130. Geburtstagsjubiläum Antoni Słonimskis (NAC)

Dies änderte sich in den frühen 1930er Jahren: Słonimskis „Kroniki tygodniowe“ waren zornige Angriffe auf den Militarismus seiner Zeit, jedoch ebenso Ausdruck der Resignation eines Schriftstellers, der die Lernfähigkeit seiner Landsleute bezweifelte und immer häufiger der aufrüttelnden Kraft seiner Texte misstraute. Diese Haltung verstärkte sich mit der zunehmenden Faschisierung in Deutschland und war auch nach 1945 ein durchgehender Zug seiner Lyrik und Publizistik. Andererseits hat Słonimski nie dem Typ des leise vor sich hinschreibenden Dichters entsprochen. Noch in den Siebzigern schrieb er polemisch und temperamentvoll wie eh und je, wurde dafür wiederholt mit Publikationsverboten bestraft. Allerdings konnte er sich vom Marxismus nie gänzlich lossagen. Der Streit zwischen den „Skamandriten“ war ein Ergebnis ihrer veränderten politischen Positionen. Während Słonimski in Warschau blieb, kämpfte Lechoń vom Exil aus vehement gegen die in der Volksrepublik Polen herrschenden Machthaber. Mehr darüber von Wojciech Osiński