Igor Kąkolewski, Direktor des PAN-Zentrums für historische Forschung in Berlin, betonte, das Thema der deutschen Reparationen dürfe nicht ignoriert werden. Es habe nicht nur die Erinnerungskultur, sondern auch die politischen Beziehungen stark beeinflusst. „Über 400 Abgeordnete stimmten im Jahr 2022 für die entsprechende Resolution, und laut Umfragen unterstützt mehr als die Hälfte der polnischen Gesellschaft diesen Anspruch“, erinnerte er.
Er sprach auch über historische „blinde Flecken“ – etwa den Wehrdienst von Polen aus Pommern und Oberschlesien in der Wehrmacht. Über 30 Prozent der polnischen Soldaten im Westen seien Deserteure oder Gefangene der deutschen Armee gewesen. Gleichzeitig hätten über 10.000 Angehörige der deutschen Minderheit in Polen 1939 an der Verteidigung der Zweiten Polnischen Republik teilgenommen.
Ein Denkmal für polnische Opfer – und die verspätete Anerkennung
Viel Raum nahm auch die Diskussion um das geplante Denkmal für polnische Opfer des Zweiten Weltkriegs und die Besatzung durch das Dritte Reich ein. Das Projekt „Deutsch-Polnisches Haus“ wurde 2023 von der Bundesregierung gebilligt, wartet jedoch noch auf die Zustimmung des Bundestags.
Peter Oliver Löw, Direktor des Deutschen Polen-Instituts, erklärte die Verzögerung mit der historischen Entwicklung in Deutschland: „Nach dem Krieg standen die deutschen Opfer im Fokus, danach die des Holocausts. Erst später wurde das volle Ausmaß der Verbrechen in Polen anerkannt.“ Daraus sei die Idee entstanden, einen eigenen Ort des Gedenkens zu schaffen. Er forderte zusätzlich ein Informationszentrum: „Wir können nicht erinnern, ohne zu wissen, woran wir erinnern.“ Am 16. Juni soll symbolisch ein Gedenkstein in Berlin enthüllt werden, als temporäres Zeichen bis zur Realisierung des gemeinsamen Hauses.
Schulbuchprojekt als Hoffnung und Streitpunkt
Ein weiteres Thema war das gemeinsame deutsch-polnische Geschichtsbuch für Schulen, das von Historikern, Geografen und Didaktikern beider Länder erarbeitet wurde. Obwohl die vierbändige Serie bereits 2020 abgeschlossen wurde, ist der letzte Band in Polen erst 2024 offiziell zugelassen worden – nach jahrelanger Blockade durch die ehemalige, konservative PiS-Regierung.
„Das Lehrbuch zeigt, dass Erinnerung nicht trennen muss. Es hilft jungen Menschen, sich selbst und andere zu verstehen“, sagte Violetta Julkowska von der Adam-Mickiewicz-Universität. Für sie sei dies ein „Sieg der kritischen Bildung, (...) sie lehrt, selbständig zu denken".
Anders bewertete Robert Traba das Projekt: „Das Lehrbuch ist eine Geschichte der politischen Niederlage“, sagte er und warf Politikern vor, es marginalisiert zu haben – in Polen durch Ideologie, in Deutschland aus Opportunismus.
Frank Bösch vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung stellte fest, dass der Krieg in der Ukraine das Interesse an diesem Land, aber auch an Belarus, den baltischen Staaten und Zentralasien verstärkt habe. „Polen steht nicht im Zentrum des Interesses deutscher Historiker“, so Bösch.
Er wies zudem auf eine tiefe Spaltung der deutschen Gesellschaft im Umgang mit der Vergangenheit hin: 38 Prozent der Deutschen würden demnach ein Ende der Auseinandersetzung mit der Geschichte des Dritten Reiches fordern, 37 Prozent seien gegenteiliger Meinung.
Stimmen aus dem Publikum forderten eine bessere Verbreitung des Lehrbuchs, das weder in Deutschland noch in Polen in ausreichendem Maße genutzt werde.
In weiteren Debatten wurden Themen wie Wirtschaft, Sicherheit und die EU-Erweiterung angesprochen. Das Forum wurde erstmals 1976 gegründet, wurde unter der PiS-Regierung blockiert und nun nach sieben Jahren wiederbelebt. Außenminister Radosław Sikorski und Johann Wadephul haben die Veranstaltung am Mittwoch eröffnet.
PAP/institutpileckiego/ps