Nach der Gründung des Deutschen Reichs im Jahr 1871 änderten sich die architektonischen und städtebaulichen Pläne grundlegend. Berlin wurde nun zur „Reichshauptstadt“, wobei die gigantischen Reparationen aus Frankreich eine fieberhafte Bautätigkeit anstießen, die das Stadtbild in kurzer Zeit so stark veränderte, als habe man einen Schalter umgelegt. Die ehemals beschauliche Friedrichstrasse wandelte sich bald zum größten Vergnügungsviertel. Die industrielle Revolution sowie der anhaltende Zustrom von Arbeitern aus anderen Ländern und Regionen (ebenfalls aus dem geteilten Polen) führten in der auf mehr als eine Million Einwohner anwachsenden Metropole zu den wunderlichsten Baumaßnahmen.
Die unzähligen Berliner Höfe gewähren faszinierende Einblicke, die Spaziergängern häufig verborgen bleiben. fot. Wojciech Osiński
Durch dieses enorme Bevölkerungswachstum sowie die bauliche Verdichtung war und ist die Mietskasernenstadt Berlin wie kaum eine andere Stadt von Hinterhöfen geprägt. Ob Wohnhöfe, Atelierhöfe oder Hofrestaurants: Die Ausstellung „Berliner Höfe. Zwischen Alltag, Arbeit und Begegnung“ im Ephraim-Palais beschäftigt sich damit, wie seit Mitte des 19. Jahrhunderts verborgene Stadträume Orte des sozialen und kulturellen Austauschs geworden sind, voller Geschichte und Gegenwart. „Denn Migration war und ist ein wesentlicher Motor der Stadtentwicklung“, meint Michael Bischoff, einer der Kuratoren. Mit dem Kunsthistoriker und Stadtforscher hat Wojciech Osiński gesprochen.
Dr. Michael Bischoff ist Sammlungskurator im Bereich Bildende Kunst an der Stiftung Stadtmuseum Berlin. fot. Wojciech Osiński
Türkische Mädchen (Hinterhof in der Oranienstrasse)“ von Evelyn Kuvertz. fot. Wojciech Osiński
Ein stadtbildprägendes Gebäude: Das gewundene Treppenhaus im Ephraim-Palais. fot. Wojciech Osiński