Deutsche Redaktion

Eine erste Bilanz des Wahlkampfs

08.10.2019 12:00
In der Wochenzeitschrift Do Rzeczy zieht der Publizist Łukasz Warzecha eine erste Bilanz des immer noch dauernden Wahlkampfes.
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DO RZECZY: Eine erste Bilanz des Wahlkampfs

In der Wochenzeitschrift Do Rzeczy zieht der Publizist Łukasz Warzecha eine erste Bilanz des immer noch dauernden Wahlkampfes. Die letzten Wochen seien gar nicht so schlecht gewesen, meint der Publizist. Zugleich seien sie aber fatal verlaufen, urteilt Warzecha. Diese paradox klingende Feststellung erklärt der Publizist mit der Tatsache, dass es zum ersten Mal seit vielen Jahren, vielleicht sogar zum ersten Mal in der neuesten polnischen Geschichte, so etwas wie einen Meinungsaustausch gegeben habe. Selbstverständlich habe es einen, wenn auch oberflächlichen, Diskurs über konkrete Programmvorschläge schon früher gegeben. In diesem Jahr seien die Diskussionen aber doch tiefgründiger Verlaufen als bisher. Unter anderem wegen der Einstellung der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit, die ihre meisten Vorschläge von vor vier Jahren umgesetzt habe. In diesem Wahlkampf habe die PiS weitere Vorschläge gemacht die umsetzbar scheinen und die restlichen Parteien mussten sich anpassen und konkrete Pläne vorbereiten.

Auf der anderen Seite sei der Wahlkampf fatal gewesen, so Warzecha weiter, weil sich die meisten politischen Gruppierungen darauf konzentrierten, die Vorschläge der PiS-Partei einfach zu überbieten: noch mehr Sozialleistungen, noch großzügigere Kapitalumverteilung, das Eingreifen vom Staat in die Wirtschaft usw. Es habe ausgesehen, als es sich um einen Streit von mehreren sozialistischen Gruppierungen handelte. Diejenigen, die eine andere Meinung in den Diskurs einbringen wollten, standen auf verlorenem Posten.

Nun hänge vieles vom Engagement der Wähler ab, lesen wir weiter. Der Mechanismus sei relativ einfach: je weniger Parteien die Wahlhürden nicht schaffen und keinen Eingang in den Sejm finden, umso besser für die Regierungspartei. Je niedriger die Wahlbeteiligung, desto gefährlicher für die Regierenden. Wie es letztendlich verlaufen werde, sei unklar. Deshalb obwohl alles schon entschieden zu sein scheine, sei noch alles möglich, schreibt Łukasz Warzecha in der Wochenzeitschrift Do Rzeczy.

SUPER EXPRESS: Träume von großer Politik

Zahlreiche Lokalpolitiker aus Warschau wollten ihr Glück in der ersten Liga versuchen, berichtet die Tageszeitung Super Express. Mehrere Stadträte kandidierten bei den Wahlen für Posten im Parlament oder im Senat.  Es seien 15 von insgesamt 60 Räten des hauptstädtischen Stadtrates – darunter zwei Fraktionschefs sowie Personen, die sich als Pressesprecher bei den vergangenen Kommunalwahlen beteiligt haben. Die meisten starteten in Warschau, es gäbe aber auch einige, die sich um die Gunst der Wähler anderer Städte werden bemühen müssen. In der doch zahlreichen Gruppe seien einerseits erfahrene Lokalpolitiker vertreten, die mit der städtischen Verwaltung seit über 20 Jahren verbunden sind. Es gäbe aber auch frischgebackene Stadträte, die nicht einmal eine Kadenz im Stadtrat gearbeitet haben. Allem Anschein nach, sei die Aktivität auf lokaler Ebene für sie zu langweilig, da sie so schnell einen Sprung in die große Politik versuchen, so Super Express über die Offensive der Lokalpolitiker.

 

RZECZPOSPOLITA: Zwei Gesichter der Opposition

In seinem Kommentar in der Tageszeitung Rzeczpospolita überlegt der Publizist Michał Szułdżyński, wann die Opposition eigentlich wahrhaftig handle: wenn eine Vertreterin der oppositionellen Gruppierungen einen Kranz auf dem Grab des soeben beigesetzten Dissidenten Kornel Morawiecki niederlegt, oder wenn andere Oppositionspolitiker die Aussage von Lech Wałęsa beklatschen, der den Verstorbenenn als einen Verräter bezeichnet. Morawiecki war in Zeiten der Volksrepublik Polen antikommunistischer Dissident und Gründer der Solidarność Walcząca. Die Organisation war ein radikaler Abzweig der Arbeiterbewegung Solidarność. Die Kämpfende Solidarność akzeptierte keine Reformen des Systems, sondern kämpfte für dessen grundsätzliche Abschaffung, daher beteiligte sie sich 1989 auch nicht an den Gesprächen am Runden Tisch mit den kommunistischen Führern Polens.

Zuletzt habe bei einem Wahlkampftreffen der Oppositionsparteien Alt-Präsident Wałęsa öffentlich gesagt, er halte den Verstorbenen für einen Verräter, da sein Ziel es gewesen sein soll, die Arbeiterbewegung zu schwächen. Die Opposition wollte die Autorität von Wałęsa in den letzten Tagen des Wahlkampfes ausnutzen. Nur sei dies misslungen, meint der Publizist. Denn jetzt wisse man eigentlich nicht, welche Meinung die Opposition vertrete. Stimme sie mit dem ehemaligen Präsidenten überein, und halte den verstorbenen Kornel Morawiecki für einen Verräter der Solidarność-Ideale? Oder aber bewundere sie seine Leistungen und seine Tapferkeit aus der Zeit des Kommunismus, wovon die Anwesenheit einer Schlüsselfigur der Opposition bei den Trauerfeierlichkeiten zeugen könnte? Klar ist, dass diese Haltung das Bild der Opposition als einer unglaubwürdigen politischen Erscheinung stärke, so Michał Szułdżyński im Blatt Rzeczpospolita.


Jakub Kukla