Deutsche Redaktion

Schlacht um Warschau

24.07.2020 13:31
Ein wichtiges Thema in der Presse ist diese Woche der sich anbahnende Kampf um die zentralpolnische Woiwodschaft Mazowsze, zu der auch Hauptstadt Warschau gehört. Außerdem geht es auch um die Frage, ob der EU eher eine "neue Aufklärung" oder ein "neues Mittelalter" bevorsteht und um Urlaubspläne im Schatten der Pandemie.
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Zdjęcie ilustracyjneshutterstock.com/Grand Warszawski

Gazeta Polska Codziennie: Schlacht um Warschau 

Wie die regierungsnahe Gazeta Polska Codziennie berichtet, soll dem Parlament noch im Juli ein Gesetzesprojekt vorliegen, das die Schaffung einer separaten Warschauer Woiwodschaft vorsieht. Wie das Blatt erinnert, spricht die Regierungspartei PiS schon seit Jahren über die Notwendigkeit einer solchen Änderung. Denn durch die administrative Verbindung mit dem reichen Warschau, würden die östlichen und südlichen Regionen der Woiwodschaft nicht in vollem Maße auf EU-Mittel zurückgreifen können und dadurch zu den ärmsten Regionen des Landes gehören. “Die europäischen Mittel aus dem Kohäsionsfonds sind so ausgegeben worden, dass sie die Unterschiede zwischen dem reichen Warschau und dem so genannten Warschauer Donut einerseits und dem verarmten Süden von Mazowsze andererseits drastisch vertieft haben”, betont im Interview mit dem Blatt die PiS-Abgeordnete aus dem zu Südmasowien gehörenden Radom Anna Kwiecień.

"Die Aussonderung von Mazowsze wird die Entwicklungsdynamik in den anderen (bisher benachteiligten) Regionen wiederbeleben", so der Kommunalpolitiker der PiS Artur Czapliński.

Gegen die Lösung, so das Blatt, seien die oppositionellen PO und PSL, die das Status Quo verteidigen wollen. Mit dem Wohl der Region hätten deren Argumente aber wenig zu tun. “Die polnische Vereinigte Rechte ist kein Fan der Kommunalpolitik. Und dort, wo sie die Macht nicht auf demokratischem Wege übernehmen kann, wird sie dies eben durch solche Tricks und administrative Schritte tun”, sagt etwa Marek Sawicki von der Bauernpartei PSL. "Es", so der PSL-Politiker, "ist deutlich zu sehen, dass die PiS jetzt, solange Präsident Andrzej Duda noch nicht den Weg zur Unabhängigkeit gefunden hat, darauf zählt, dass sie das Gesetz schnell verabschieden kann, der Präsident es unterzeichnet, so dass schnell Wahlen in der neuen Woiwodschaft Masowien durchgeführt werden können und die Wähler entscheiden, wer wo regieren darf", zitiert die Gazeta Polska Codziennie Marek Sawicki von der PSL. 

 

Dziennik/Gazeta Prawna: Zukunft Europas ist ein neues Mittelalter 

In der Wochenendausgabe von Dziennik/Gazeta Prawna heute ein Blick aus der Vogelperspektive auf die Zukunft der EU. Rom sei gefallen, als keine Ressourcen für die weitere Expansion mehr vorhanden waren, da alle von der Verwaltung des komplexen politischen Systems aufgezehrt worden sind. Auch die EU könne zerfallen, wenn es keine soziale Einheit gibt, wenn die Menschen sie also für unnötig halten, sagt im Interview mit dem Blatt der Politologe und Autor des Blogs Global Future Studies Grzegorz Lewicki. 

Der Psychologe und Linguist Steven Pinker, so Lewicki, spreche in Bezug auf unsere Zeiten als “neue Aufklärung”. Er selbst würde eher von einem “neuen Mittelalter” sprechen. Der Grund für die unterschiedliche Einschätzung: Pinker, so Lewicki, würde nur linear denken und die These vertreten, dass die Menschheit positive Qualitäten systematisch kumuliert. Er vergesse dabei, dass manche historische Prozesse zwar linear sind, manche aber auch zyklisch. Und so sei aus größerem Abstand deutlich zu sehen, dass die heutigen Zeiten, trotz des technologischen Fortschritts, strukturell viel mehr dem Mittelalter ähneln, als der Aufklärung.

Nur ein Beispiel sei der Übergang von einem System von Staaten, das auf bilateralen Beziehungen beruhte, in Richtung eines vielschichtigen Systems, in dem Staaten ihre Macht nicht nur mit internationalen Institutionen, wie der EU, aber auch mit grenzübergreifenden Korporationen wie Facebook oder Google teilen müssen. Das, so Lewicki, seien die modernen Pendants der mittelalterlichen Zünfte, die damals oft wichtigere Akteure gewesen seien, als Staaten.

Ein weiteres Zeichen dieser Entwicklung sei die Erosion liberaler Demokratien und der Übergang von klassisch verstandener Souveränität von einzelnen Staaten zu “vernetzter Souveränität”, in der Staaten ihre Macht nur dann behalten können, wenn sie nicht versuchen, sich aus ihrer Vernetzung zu befreien. Aus dieser Sicht habe Großbritannien etwa mit dem Austritt aus der EU einen großen Fehler gemacht. Denn in gewisser Hinsicht sei die EU heute einer der stärksten Akteure der Welt. Einzige Bedingung: Sie müsse eine ähnlich starke gemeinsame Identität kreieren, wie die, die das Christentum für Rom darstellte. Ein axiologisches Rückgrat also, das etwa die Diskussion über Rechtsstaatlichkeit auf ein viel stärkere Fundamente stellen würde, so Grzegorz Lewicki im Gespräch mit Dziennik/Gazeta Prawna.  

 

Rzeczpospolita: Auslandsurlaub im Schatten des Virus 

Und noch ein Blick auf die Urlaubspläne der Polen. Insgesamt wollen in diesem Jahr 7 Prozent der Polen ihre Ferien im Ausland verbringen, berichtet die konservative Rzeczpospolita. 21 Prozent der Befragten geben an, aufgrund von fehlenden Mitteln, keinen Urlaub zu planen. Die epidemiologische Situation und die im jeweiligen Urlaubsland erforderlichen Schutzmaßnahmen, betont das Blatt, ändere sich von einem Tag auf den anderen. Wer seinen Urlaub also außerhalb der Landesgrenzen plane, müsse sich darauf einstellen, dass sich alles in letzter Minute noch ändern könne. Und sich am besten eine erweiterte Versicherung anlegen, die auf die Bedingungen der Pandemie zugeschnitten sei, so Rzeczpospolita.  

Autor: Adam de Nisau