Deutsche Redaktion

"Du musst gehen"

18.08.2020 12:40
Ein wichtiges Thema auf den Titelseiten der Tagesblätter bleiben die Proteste in Belarus. Außerdem geht es auch um Lohnerhöhungen für Politiker und den Sturm polnischer Anleger auf ausländische Aktienmärkte.
Wiec Aleksandra Łukaszenki w mińskich zakładach mechanicznych
Wiec Aleksandra Łukaszenki w mińskich zakładach mechanicznychBelTA/Associated Press/East News

Rzeczpospolita: Weder Erhöhungen, noch Respekt

Der Senat hat gestern das Projekt der Recht und Gerechtigkeit zur Erhöhung der Gehälter von Abgeordneten um 40% abgelehnt. Es sei gut, dass die Opposition letztendlich zur Vernunft gekommen sei und zu dem Schluss, dass die gemeinsame Abstimmung mit der Regierungspartei in dieser Frage im Sejm inmitten der Pandemie skandalös gewesen sei. Wieso sei es aber überhaupt zu so einer Entscheidung gekommen, fragt in ihrem Autorenkommentar die Publizistin der konservativen Rzeczpospolita Zuzanna Dąbrowska. Es sei doch kein Zufall gewesen. Noch am Wochenende, erinnert die Autorin, hätten die Politiker der Bürgerkoalition Instruktionen erhalten, die Abstimmung für die Erhöhungen im Sejm als Maßnahme zu verteidigen, die der Korruptionsbekämpfung diene. Letztendlich hätten diese Instruktionen nicht funktioniert und 33 Abgeordnete der Opposition, die gegen die Lohnerhöhungen gestimmt hätten, hätten bewiesen, dass sie selbstständig denken würden. 

Es, so die Autorin weiter, sei natürlich mit bloßem Auge zu sehen, dass die Vizeminister in Polen zu wenig verdienen und dass der erste Dame wenigstens ihre Jahre im Präsidentenpalast zur Rente hinzugezählt werden sollten. Aber nun sei das Thema wohl für längere Zeit vom Tisch. Es sei denn, die PiS entscheide sich, das “Nein” des Senats im Sejm abzulehnen und die Erhöhungen zu verabschieden. Dann werde die Regierungspartei es jedoch auf eigene Rechnung tun. Und die Opposition werde vielleicht die klassische Weisheit lernen, die besagt: “Fürchtet die Griechen, auch wenn sie Geschenke bringen”, so Zuzanna Dąbrowska in der Rzeczpospolita. 


Dziennik/Gazeta Prawna, Gazeta Wyborcza, Rzeczpospolita: "Du musst gehen"

Die Revolution verliere nicht an Tempo, schreibt in der heutigen Ausgabe das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Geht es nach Gesprächspartnern der Zeitung, könne diese Woche entscheidend sein. Entweder werde Lukaschenka sich dem Druck beugen, oder die Rebellion in Blut ertränken. Es sehe jedoch danach aus, dass das belarussische Militär nicht darauf brennt, an den Abrechnungen des Präsidenten mit dem Volk teilzunehmen. Für morgen sei eine Telekonferenz der Regierungschefs der EU zur Situation in Belarus geplant, lesen wir in Dziennik/Gazeta Prawna.

Wie die linksliberale Gazeta Wyborcza beobachtet, habe sich zur Situation in Belarus gestern erneut EU-Außenminister Josep Borrell zu Wort gemeldet. “Die Zahl der Teilnehmer der Proteste”, zitiert das Blatt den Politiker, “zeige deutlich, dass die Belarussen Änderungen wollen und zwar jetzt. Die EU unterstützt sie”, habe Borrell geschrieben und weitere Sanktionen für die Mitglieder des Regimes angekündigt. Der britische Außenminister Dominik Raab habe erklärt, dass Großbritannien die Wahlergebnisse nicht anerkennt. In ähnlichem Ton habe sich zuvor Litauens Chefdiplomat Linas Linkevicius ausgesprochen, lesen wir in der Gazeta Wyborcza.

Ein gewaltsamer Umsturz von Lukaschenka wäre jedoch nicht im Interesse des Westens, da dies Putin zu einer militärischen Intervention provozieren könnte, wie schon vor sechs Jahren im Donbass, schreibt der Publizist der Rzeczpospolita, Jędrzej Bielecki. Und dies wäre diesmal eine direkte Gefahr für die Glaubwürdigkeit der NATO. Wenn die russischen Truppen sich beiderseits der sogenannten Suwalki-Lücke befinden würden, wäre die Verteidigung der baltischen Staaten durch die NATO im Falle einer Aggression aus Russland so gut wie unmöglich, so Jędrzej Bielecki.

 

Rzeczpospolita: Polen investieren Rekordsummen im Ausland

Und noch ein Wirtschaftsthema aus der Rzeczpospolita. Die fast nicht-existenten Zinsen für Anlagen, die unsichere Situation auf dem Immobilienmarkt und die wachsenden Indexe auf den globalen Märkten - all das habe zur Folge, dass die Polen zunehmend nach zusätzlichen Einnahmen auf der Börse suchen. Statt jedoch auf dem heimischen Parkett zu investieren, würden sie zunehmend auf ausländische Märkte setzen. Vor allem auf New York, London, Paris und Frankfurt.

Allein im Juni, lesen wir, hätten polnische Anleger knapp 2 MIlliarden Złoty in Aktien ausländischer Unternehmen investiert - das sei der größte monatliche Anstieg seit über 4 Jahren. Im ganzen zweiten Quartal habe der Wert der Investitionen fast 5 Milliarden Zloty betragen. Und diese Strategie scheine aufzugehen. Der US-Aktienmarkt habe die Verluste vom März mittlerweile wettgemacht und sei nah an seinen historischen Höchstwerten. In Polen sehe es indes nicht so rosig aus. Der wichtigste Index WIG20 habe sich immer noch nicht nach dem Einbruch vom März erholt. Zusätzlicher Anreiz für Anleger sei, dass der Zugang zu ausländischen Aktien für polnische Kunden in letzter Zeit viel einfacher geworden sei, so Rzeczpospolita. 

 

Autor: Adam de Nisau