Deutsche Redaktion

Schluss mit Abrechnungen!

01.09.2020 11:17
In einem Kommentar für die Tageszeitung Rzeczpospolita stellt der Publizist Jerzy Haszczyński fest, dass es so aussehe, als ob aus deutscher Perspektive der Versöhnungsprozess mit Polen abgeschlossen wäre. 
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RZECZPOSPOLITA: Schluss mit Abrechnungen!

In einem Kommentar für die Tageszeitung Rzeczpospolita stellt der Publizist Jerzy Haszczyński fest, dass es so aussehe, als ob aus deutscher Perspektive der Versöhnungsprozess mit Polen abgeschlossen wäre. Der nächste Jahrestag des Kriegsausbruchs werde in einem immer kleineren Kreis von Zeitzeugen verbracht. Vor einem Jahr jährte sich der Ausbruch des Krieges zum 80. Mal. Damals versuchten fünf Abgeordnete des Bundestags eine wichtige Botschaft in den deutsch-polnischen Beziehungen zu verkünden. Sie hätten sich der Initiative angeschlossen, ein Denkmal für die polnischen Opfer des Krieges in Berlin errichten zu lassen. Bislang hätte 261 Abgeordnete unter dem Brief ihre Unterschrift gesetzt – 36 Prozent aller Bundestagsmitglieder.

Das Wissen über den besonders brutalen Verlauf der deutschen Besatzung in Polen sei in der Bundesrepublik sehr beschieden, führt Haszczyński fort. Die Entstehung eines Denkmals könnte diesen Sachbestand verbessern. Das Denkmal werde es aber höchstwahrscheinlich nicht geben, prophezeit Haszczyński. Denn allem Anschein nach gehe Deutschland davon aus, dass es sich mit Polen bereits versöhnt habe. Die Empfindlichkeit der polnischen Seite interessiere Berlin nicht besonders. Ebenso wie das Wissen der jüngeren Generationen über den Verlauf der Okkupation und die Verbrechen der Deutschen. Die Botschaft der polnischen Bischöfe: Wir vergeben und bieten um Vergebung verstehe man in der heutigen, weit von religiöser Dimension entfernten Wirklichkeit, verkehrt. Als ob man die Täter und Opfer gleichstellen und somit ein Ende der Abrechnungen verkünden wollte. Wie es scheine, wolle Berlin mit der Erinnerung an die unvorstellbaren deutschen Verbrechen nicht mehr gekränkt werden, schreibt Jerzy Haszczyński in seinem bitteren Kommentar. 

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Von Loringhoven kommt nach Warschau 

Auf die deutsch-polnischen Kontakte bezieht sich auch die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna in der heutigen Ausgabe. Der neue deutsche Botschafter dürfe nun nach Polen, informiert das Blatt. Das Außenministerium habe Arndt Freytag von Loringhoven das Agrément erteilt. Szymon Szynkowski vel Sęk wies zugleich auf den besonderen Charakter der beiderseitigen Kontakte hin. Die Geschichte würde weiterhin im Zentrum der Kontakte zwischen Berlin und Warschau stehen. Aus polnischer Perspektive seien de Grausamkeiten des II. Weltkrieges immer noch eine offene Wunde. Die Vernarbung dieser Wunde sei ein schwieriger Prozess, dem oft Geschichtsfälschung im Wege stehen würde. Und dessen müsse sich jeder nächster Vertreter der Bundesrepublik in Pole bewusst sein, zitiert die Tageszeitung den polnischen Vize-Außenminister. 

DO RZECZY: Kampf der Kulturen 

In einem Gespräch mit der Wochenzeitschrift Do Rzeczy bezieht sich der ehemalige Justizvizeminister und aktueller Europaparlamentarier der Regierungspartei PiS, Patryk Jaki, auf den – wie er es nennt – Kampf der Kulturen. Der entscheidende Punkt sei momentan das Bewusstsein der Gesellschaft, überzeugt der Politiker. Die Bürger müssten sich dessen bewusst werden, welche Prozesse in Polen momentan vor sich gehen würden. Sollte Polen diesen Kampf verlieren, würde die polnische Gesellschaft ihr eigenes Genom verlieren. In Bezug auf Polen würde momentan eine feindliche Sozialisation unternommen. Die Entwicklung resultiere aus der Faszination der EU-Eliten mit dem Denken von Antonio Gramsci. Der Denker setzte sich für eine totale Verweltlichung des Lebens, der Sitten und zwischenmenschlichen Kontakte ein. Darüber hinaus werde die Vision einer Säkularisierung des gesellschaftlichen Lebens von der Forderung begleitet, Altiero Spinelli zum wichtigsten Helden Europas zu küren. Spinelli setzte sich für einen europäischen Staat ein – eine Idee, die im Widerspruch zu starken Nationalstaaten stehe, stellt der Politiker fest.

Erneut sei Polen in der eigenen Geschichte zum Schauplatz eines Kampfes der Kulturen geworden. Auf der einen Seite würden universelle Werte stehen, auf der anderen die radikal liberale Sichtweise. Sollte sich auch in Polen, wie schon früher in vielen westeuropäischen Ländern, der neomarxistische Gedanke als siegreich erweisen, würden Werte wie Familie, Patriotismus oder Gemeinschaft zu Grunde gehen. Es seien zugleich Werte, die für Polen typisch seien und aus dem kulturellen Kodex resultieren. Sollte der Neomarxismus gewinnen, würden ein unbeschränkter Hedonismus und moralische Indifferenz die wichtigsten sozialen Werte sein.

In einem solchen Fall, würde er um die Zukunft des Landes bangen, meint Jaki. Aufgrund einer solchen Entwicklung, würde Polen seiner wichtigsten Stärke beraubt – des Kultur-Codes, der der Nation es ermöglicht hatte, 123 Jahre Teilungen zu überdauern. Dieser Code sei eine Ausnahmeerscheinung in Europa und habe Polen mehrmals dazu bewogen, auf den Lauf der Geschichte Einfluss zu nehmen: von Tannenberg über die Schlacht bei Wien bis zu Bekämpfung von Kommunismus. Jahrzehntelang sei es den Polen gelungen, gegen verschiedene Ideologien, wie zum Beispiel Marxismus, Widerstand zu leisten. Heute werde der Angriff auf die polnische Kultur in weißen Handschuhen unternommen. Daher sei die Gefahr viel größer, so Patryk Jaki in der Wochenzeitschrift Do Rzeczy.


Jakub Kukla