Deutsche Redaktion

Joe Biden und das russische Rohr

02.12.2020 09:51
Die Erwartungen in Bezug auf Joe Biden seien in Deutschland enorm, schreibt die Tageszeitung Rzeczpospolita. Es sei aber nicht klar, wie lange der Enthusiasmus anhalten werde.
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RZECZPOSPOLITA: Joe Biden und das russische Rohr

Die Erwartungen in Bezug auf Joe Biden seien in Deutschland enorm, schreibt in seinem Kommentar in der Tageszeitung Rzeczpospolita Jerzy Haszczyński. Es sei aber nicht klar, wie lange der Enthusiasmus anhalten werde. Wie dem auch sei, würden die Deutschen bereits erste Entscheidungen treffen, die das Verhältnis trüben könnten. Die Bauarbeiten des  letzten Abschnitts der umstrittenen Gaspipeline Nord-Stream-2 seien aufgenommen worden. Deutschland verhalte sich so, als ob es seine Partner vor vollendeten Tatsachen stellen möchte. Diese Taktik funktioniere zwar in Konfrontation mit schwächeren Ländern. Ob sie sich auch in den deutschen Beziehungen zu der stärksten Wirtschaft der Welt bewähren werden , sei nicht so sicher, meint der Publizist.

Biden sei ein Gegner der russischen Leitung. Er befürworte Sanktionen gegen jene Unternehmen, die an dem Bau der Gaspipeline beteiligt seien. Die Sanktionen würden übrigens sowohl die Demokraten als auch die Republikaner unterstützen. Wieso? Unter amerikanischen Politikern sei die Meinung verbreitet, dass Russland mit Hilfe der staatlichen Unternehmen energetische Ressourcen als ein politisches Druckmittel ausnutze. Die Gaspipelines sei nach Auffassung der Amerikaner ein Instrument der Außenpolitik und nicht der Wirtschaft.

Wieso sollte sich daher der neue amerikanische Präsident dem deutschen Chor anschließen und mit ihm mitsingen: vergessen wir doch dieses peinliche Rohr aus Russland! Joe Biden werde sich doch nicht davon leiten lassen, dass die Mehrheit der Deutschen sich seinen Sieg sehr stark gewünscht habe. Für einen amerikanischen Präsidenten stünden doch die Interessen der USA an erster Stelle. Berlin wisse das genau, dennoch würden sich die Deutschen für einen Schritt entscheiden, der die Beziehungen zu den USA weiterhin strapazieren könnte. Es scheine, als ob diejenigen, die eine weitere Verschlechterung der beiderseitigen Kontakte zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten unabhängig vom Ausgang der Präsidentschaftswahl prophezeit hatten, recht gehabt hätten, urteilt Jerzy Haszczyński in seinem Kommentar in der Tageszeitung Rzeczpospolita.

SUPER EXPRESS: Falken kontra Tauben

Im Warschauer Sitz der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sei es zu einer dringenden Beratung gekommen, informiert die Tageszeitung Super Express. Neben Anführern der Koalitionsgruppierungen seien auch bedeutende Politiker der regierenden Gruppierung erschienen. Das wichtigste Thema des Treffens sei die Situation in der EU in Bezug auf das Veto Polens und Ungarns gewesen. Die Meinungen im Rahmen der Koalition würden weit auseinanderklaffen, stellt das Blatt fest.

Auf der einen Seite gäbe es Politiker, die den Plan einer Bindung der europäischen Gelder an die Rechtsstaatlichkeit nicht als eine große Gefahr für Polen sehen würden. Auf der anderen aber gäbe es die Fraktion der Falken um Justizminister Ziobro, die ihre Botschaft ganz klar definieren: Man dürfe den Forderungen der Europäischen Kommission keineswegs nachgeben. Welche Gruppe letztendlich den Ton bei den bevorstehenden Verhandlungen bei dem EU-Gipfel angeben werde, sei unklar, so Super Express.


DO RZECZY: Europäische Sowjetunion

In einem Gespräch mit der Wochenzeitschrift Do Rzeczy nimmt die ungarische Justizministerin Judith Varga Stellung zu den aktuellen Spannungen in der Europäischen Union. Polen und Ungarn würden an ihrem Veto gegen die Koppelung der EU-Finanzen an den Rechtsstaatsmechanismus festhalten. Von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und Bundeskanzlerin Angela Merkel werde nun erwartet, einen Kompromiss zu finden zwischen Polen und Ungarn einerseits, die den Mechanismus ablehnen, und dem EU-Parlament und etlichen Mitgliedstaaten andererseits, die ihn nicht opfern wollen.

Justizministerin Varga verteidigt die Stellung von Polen und Ungarn. Die Karten lagen die ganze Zeit auf dem Tisch. Beide Regierungen würden momentan das Gleiche wiederholen, was sie bereits im Sommer gesagt hätten. Sollten diejenigen Staaten bestraft werden, die sich an die aktuelle Ideologie nicht blindlings halten wollten, werde sich die Europäische Union bald in ein Gebilde verwandeln, dass an die Sowjetunion erinnere. Das kommunistische Regime habe doch Andersdenkende bestraft. Unsere Gesellschaften hätten dafür gekämpft, dass sich eine solche Situation nicht wiederholt, meint Varga.

Geht es nach der ungarischen Politikerin, gäbe es keine klare allgemein herrschende Definition vom Rechtsstaat, die man als Maßstab nehmen und daran den Stand der Rechtsstaatlichkeit in den einzelnen EU-Ländern messen könnte. Auch deshalb, weil die Struktur des Grundgesetzes in jedem Mitgliedsstaat anders sei. Aus rechtlichem Gesichtspunkt sei es also unmöglich, eine eindeutige Definition herzustellen. Zugleich könnte ein Mechanismus, der die Auszahlung von EU-Fonds mit dem Stand einer undefinierten Rechtsstaatlichkeit verbinde künftig als ein politisches Druckmittel verwendet werden, erklärt in einem Gespräch mit der Wochenzeitschrift Do Rzeczy die ungarische Justizministerin Judith Varga.


Jakub Kukla