Deutsche Redaktion

"Putin folgt dem Beispiel von Maduro"

08.02.2021 12:45
Russland hat EU-Außenminister Josep Borrell gedemütigt, da Putin sicher ist, dass ihm dafür von Brüssel nichts droht, schreibt in seinem Autorenkommentar zum neulichen Besuch von Borrell in Moskau der Publizist der konservativ-liberalen Rzeczpospolita Jędrzej Bielecki. Außerdem geht es auch um den Vorstoß der größten Oppositionspartei Bürgerplattform vom Wochenende und den Konflikt beim Koalitionspartner der Recht und Gerechtigkeit - der Partei “Verständigung” von Vizepremier Jarosław Gowin. 
Staatsprsident der Russischen Fderation Wladimir Putin
Staatspräsident der Russischen Föderation Wladimir PutinEPA/MIKHAIL KLIMENTYEV/SPUTNIK/KREMLIN / POOL MANDATORY CREDIT Dostawca: PAP/EPA.

Rzeczpospolita: Putin folgt dem Beispiel von Maduro

Russland hat EU-Außenminister Josep Borrell gedemütigt, da Putin sicher ist, dass ihm dafür von Brüssel nichts droht, schreibt in seinem Autorenkommentar zum neulichen Besuch von Borrell in Moskau der Publizist der konservativ-liberalen Rzeczpospolita Jędrzej Bielecki. Putin, so der Autor, habe die Reaktionen des Westens auf die demokratischen Erhebungen zuerst in Venezuela, dann in Belarus genauestens analysiert. Und sei zum simplen Fazit gekommen, dass er mit der brutalen Unterdrückung der Proteste nach der Verhaftung von Aleksiej Nawalny nichts riskiere. 

Im Januar 2019, erinnert Bielecki, hatte Donald Trump den Anführer der Opposition in Venezuela, Juan Guaido als Präsidenten anerkannt, doch viel mehr sei nicht passiert. Nicolas Maduro habe seine Diktatur weiter stärken, Repressionen verschärfen und von Ölexport profitieren können. Heute sei seine Position so stark, dass, auch wenn Joe Biden weiterhin Guaido als rechtmäßigen Staatsanführer anerkenne, in Caracas dies niemandem den Schlaf raube. 

Viele Monate von mutigen Protesten in Belarus hätten die EU auch nicht dazu bewegt, das Regime Lukaschenka mit ernsthaften Sanktionen zu belegen. Es sei bei symbolischen Strafen geblieben, wie dem Einreiseverbot in die EU für einige direkt für die Repressionen verantwortlichen Beamten, die sowieso nicht vor hatten, in den Westen zu reisen.

In Bezug auf Nawalny sei die Reaktion von Brüssel noch klarer. Denn der Kreml habe schließlich die Garantie Berlins, dass der Bau von Nord Stream 2 fortgesetzt wird und der Gasexport nicht nur nicht abflaut, sondern um ein Vielfaches höher sein wird und damit den Bau des autoritären russischen Staates finanziert. Putin könne sich also subtile Botschaften sparen. Als am Freitag, erstmals seit vier Jahren, der EU-Außenminister zu Gast gewesen sei, habe ihn eine Serie von Demütigungen erwartet. Nicht nur habe er sich nicht mit Nawalny treffen oder mit Russlands Außenminister Lawrow über dessen Freilassung sprechen können. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz habe der zudem anhören müssen, dass die EU kein vertrauenswürdiger Partner ist. Gleich darauf habe Russland drei EU-Diplomaten ausgewiesen (einen Polen, einen Schweden und einen Deutschen), um ausdrücklich zu signalisieren, was es von europäischen Werten hält. 

Moskau könne nun sogar in die Offensive übergehen und den Fall Nawalny in ein Instrument zur weiteren Teilung des Westens verwandeln. Die Fortsetzung von Nord Stream 2 könne schließlich die Beziehungen zwischen Berlin und der neuen amerikanischen Administration auf Messers Schneide stellen und damit den erhofften Wiederaufbau der transatlantischen Beziehungen zunichte machen. 

Die polnische Diplomatie, erinnert der Autor, habe Borrell von dem Besuch abgeraten. Dass sie nicht gehört wurde, werde auch den Wiederaufbau der Beziehungen im Weimarer Dreieck, die sich nach dem ersten Außenministertreffen nach Jahren im vergangenen Herbst anbahnten, nicht einfacher machen, so Jędrzej Bielecki in der Rzeczpospolita. 

 

Rzeczpospolita: Bürgerplattform muss sich sputen

Innenpolitisch dominieren in den heutigen Schlagzeilen einerseits der Vorstoß der größten Oppositionspartei Bürgerplattform vom Wochenende und andererseits der Konflikt beim Koalitionspartner der Recht und Gerechtigkeit - der Partei “Verständigung” von Vizepremier Jarosław Gowin. 

Der Parteitag der Bürgerplattform vom Samstag sei das seit langem wichtigste Ereignis auf Seiten der Opposition seit dem Ende des Präsidentschaftswahlkampfs von Rafał Trzaskowski gewesen, schreibt in seinem Kommentar für die Rzeczpospolita der Publizist Michał Szułdrzyński. Die Partei, so der Autor, habe damit zwei Sachen bewiesen. Erstens, dass sie der heute wichtigste Spieler in der Opposition ist. Zweitens, dass wenn die Partei heute eine Führungsfigur hat, diese Rafał Trzaskowski heißt. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis er formal an der Spitze der Partei stehen werde. Denn auf seiner Seite sei die politische Energie und der politische Wille, so Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita. 

 

Gazeta Polska Codziennie: Bürgerplattform zeigt, dass sie lebt

Die Ankündigungen seien groß gewesen, letztendlich sei die Veranstaltung jedoch sehr unbeholfen ausgefallen, schreibt indes in ihrem Kommentar zum Parteitag die nationalkonservative Gazeta Polska Codziennie. Und zitiert PiS-Sprecher Radosław Fogiel, laut dem die Bürgerplattform erneut “totale Realitätsferne” gezeigt hat. “Es sind keine für die Polen wichtigen Themen adressiert worden”, so Fogiel. 

Wie das Blatt beobachtet, habe die Bürgerplattform von einer künftigen Koalition 276 gesprochen, die das Veto des Präsidenten überstimmen könnte und dabei Logos von anderen Oppositionsparteien präsentiert, ohne zuvor deren Zustimmung eingeholt zu haben, was sofort zu kritischen Kommentaren von den betroffenen Parteien geführt habe. Es sollte also ernst sein, habe aber ungeschickt geendet, so Gazeta Polska Codziennie.

 

Gazeta Wyborcza: Regierungslager knarrt

Im Regierungslager knarrt es an allen Ecken und Enden, berichtet indes in ihrem heutigen Aufmacher die linksliberale Gazeta Wyborcza. Anlass: die neuesten Spannungen beim Koalitionspartner der Recht und Gerechtigkeit PiS Porozumienie (Verständigung) von Jarosław Gowin. In der Partei Porozumienie, so Wyborcza, habe man keinen Zweifel, dass der Putschversuch vom Ende der Woche von PiS-Chef Jarosław Kaczyński persönlich abgesegnet wurde. Dabei hatte der Europaabgeordnete Adam Bielan, gemeinsam mit einer Gruppe von verbündeten Politikern versucht, die Macht in der Partei an sich zu reißen. Das Argument: Parteichef Gowin sei seit 2018 nicht mehr rechtmäßiger Parteichef, da keine Wahlen durchgeführt worden sind. Daher  leite bis zu den nächsten Wahlen der Chef der Landeskonvention Adam Bielan die Gruppierung. 

In Reaktion auf diesen Schritt sind Bielan und ein zweiter Politiker zwar aus Porozumienie ausgeschlossen worden, erkennen den Ausschluss jedoch nicht an. 

Der zweite Koalitionspartner, “Solidarisches Polen” von Zbigniew Ziobro, schaue alledem erstmal zu. Und plane, laut einem Politiker aus der Gruppierung, schon einen selbstständigen Start bei den nächsten Parlamentswahlen. Die Spannungen seien so groß geworden, dass in der Regierungskoalition jeder versuche, vor allem seine eigene Position zu stärken, lesen wir in der Gazeta Wyborcza zum neusten Konflikt in der Vereinigten Rechten. 

 

Autor: Adam de Nisau