Deutsche Redaktion

"Tyrannei der Mehrheit"

16.03.2021 10:30
Mit einer klaren Mehrheit haben die Abgeordneten in Brüssel für den Antrag gestimmt, dass die Europäische Union ein „Freiheitsraum für LGBTIQ-Personen" sein soll. Das Thema greift die Wochenzeitschrift Do Rzeczy im Gespräch mit dem polnischen Europaabgeordneten Ryszard Legutko auf. 
prof. Ryszard Legutko
prof. Ryszard LegutkoPAP/Darek Delmanowicz

DO RZECZY: Tyrannei der Mehrheit

Mit einer klaren Mehrheit hätten die Abgeordneten in Brüssel für den Antrag gestimmt, dass die Europäische Union ein „Freiheitsraum für LGBTIQ-Personen" sein solle, erinnert die Wochenzeitschrift Do Rzeczy. Polen werde in diesem Kontext immer wieder die Diskriminierung sexueller Minderheiten vorgeworfen.

Das Thema greift die Wochenzeitschrift Do Rzeczy im Gespräch mit dem polnischen Europaabgeordneten Ryszard Legutko auf. Es scheine, als ob die LGBTIQ-Freiheitszone das wichtigste Anliegen der Europäischen Union wäre, sagt der Philosoph. Unabhängig von aktuellen Krisen, der Pandemie, der Gefahr seitens Russland, würde sich die Mehrheit der Europaparlamentarier mit LGBT, Abtreibung und Homoehen beschäftigen. Dies seien ihre Hauptthemen, darüber könnten sie dauerhaft diskutieren, was zeige, dass sie die Wirklichkeit aus einem ganz besonderen Blickwinkel betrachten würden. Diese Sichtweise bezeichnet Legutko als Monoideologie die in Fanatismus ausgeartet sei.

LGBT stelle eine absolute Priorität dar, sagt der Politiker weiter. Die Idee einer Freiheitszone werde von den meisten tonangebenden Gruppierungen im Parlament unterstützt. In dieser Gruppe befinde sich auch die EVP – Europäische Volkspartei, die stärkste aber seit langen keine konservative Kraft im EU-Parlament. Bis auf einige Abgeordnete herrsche in Brüssel absolute Einstimmigkeit. Er sehe im Europäischen Parlament mehrere Hundert Abgeordnete, die immer wieder ihre Offenheit und Toleranz in den Vordergrund stellen würden, sich aber voneinander überhaupt nicht unterscheiden würden. Sie würden die gleichen Parolen wiederholen, sie würden identische Meinung zu jeder Sache haben. So sehe nun Mal das Bild der modernen Welt und der EU aus: man müsse sich einer Tyrannei der Mehrheit unterordnen. Diejenigen, die eine andere Meinung hätten, würden zum Ziel einer großangelegten ideologischen Offensive.

Geht es nach Legutko seien die polnischen Freiheitszonen dafür ein gutes Beispiel. Wer die Europäische Charta der Grundrechte kenne, der wisse, dass Angelegenheiten die im Zusammenhang mit der Ehe und dem Familienleben stehen, der Gesetzesgebung des jeweiligen EU-Staates unterliegen würden. Dies bedeute, dass die Gemeinden, die sich für die Unterstützung einer Ehe zwischen Mann und Frau einsetzen, im Einklang mit dem polnischen Recht handeln würden. Allem Anschein nach habe es aber keine Bedeutung, denn die Mehrheit in Europa habe eine andere Meinung. Aus diesem Grund werde Pole angegriffen. Eine Diskussion komme nicht infrage. Die Mehrheit, die sich zu Offenheit und Toleranz bekenne, erwarte keine Diskussion, sondern eine bedingungslose Kapitulation der Andersdenkenden, so der Europaabgeordnete Ryszard Legutko in der Wochenzeitschrift Do Rzeczy.


NEWSWEEK: Verlorene Glaubwürdigkeit

Von der Situation der polnischen Kirche erzählt im Gespräch mit der Wochenzeitschrift Newsweek die bekannte polnische Schauspielerin Maja Komorowska. Sie gehe davon aus, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen Religion und Politik sich nie bewährt habe. Man sehe es auch heute, sagt sie. Geht es nach Komorowska habe die Kirche ihre Glaubwürdigkeit verloren. Es gehe unter anderem um pädophile Skandale, die man jahrelang vertuscht habe. In Zeiten des kommunistischen Polens habe die Kirche eine fundamentale Rolle gespielt. Es sei ein Raum der Freiheit gewesen, der Menschen mit verschiedenen Weltsichten Hilfe und Schutz garantierte. Heute trage die Kirche immer wieder zu einer Spaltung der Polen bei. Beispiele gäbe es viele: von dem politischen Engagement mancher Priester, inkompetenten Aussagen über LGBT, über nicht ausreichende Hilfe für Migranten bis hin zu Vertuschung von Sexualverbrechen.

Dies tue ihr umso mehr weh, da sie immer noch ein Mitglied der katholischen Kirche sei. Sie gehe immer noch zur Kirche, suche aber Orte aus, wo man sich um die Gläubigen kümmere, sagt die Schauspielerin Maja Komorowska im Gespräch mit dem Magazin Newsweek.


SUPER EXPRESS: Vorgezogene Wahlen immer wahrscheinlicher

Die Lage im Rahmen der Regierungskoalition bleibe weiterhin angespannt, schreibt die Tageszeitung Super Express. Die größte Koalitionspartei Recht und Gerechtigkeit habe sich bislang mit dem kleinen Koalitionspartner nicht einigen können. Solidarisches Polen drohe weiterhin mit einem „Nein” bei der Abstimmung über die Ratifizierung des Wiederaufbaufonds. Man spekuliere, dass der Anführer des Regierungslagers, Jarosław Kaczyński, die Geduld verliere, und deshalb die Variante mit vorgezogenen Wahlen immer wahrscheinlicher werde.

Es sei noch nicht klar, wann es zu der Abstimmung im polnischen Parlament kommen werde, man könne aber annehmen, dass es sich um die kommenden Tage und nicht Monate handle, sagt im Gespräch mit dem Blatt Sebastain Kaleta von der Partei Solidarisches Polen. Die Stellung der Partei in Bezug auf den Wiederaufbaufond habe sich nicht geändert. Solidarisches Polen wehre sich weiterhin gegen die Bindung der europäischen Finanzen an den angeblichen Stand der Rechtsstaatlichkeit. Oder besser gesagt der „Linksstaatlichkeit“, sagt der Politiker weiter. Er hoffe, dass es zu früheren Wahlen nicht kommen werde, sollte es aber doch passieren, sie die Gruppierung zu einem harten Kampf um die Wählerstimmen bereit, so Vizejustizminister Kaleta im Super Express.

Jakub Kukla