Deutsche Redaktion

"Eigentor der Regierung in Bezug auf OFE"

18.05.2021 13:42
Verschließt sich die Regierung durch die angekündigten Steuernachlässe die Möglichkeit, 12 Milliarden PLN an sogenannten Umwandlungsgebühren einzutreiben? Wer ist der größte Verlierer der angekündigten neuen Polnischen Ordnung? Und: Zahl der Selbstmordversuche unter Minderjährigen gestiegen. Mehr zu diesen Themen in der Presseschau.
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Zdjęcie ilustracyjneShutterstock/Mariola Anna S

Rzeczpospolita: Eigentor der Regierung in Bezug auf OFE

Mit der Ankündigung, Renten bis 2500 zł von der Steuer zu befreien, schießt sich die Regierung ins Knie, schreibt in ihrem heutigen Aufmacher die konservativ-liberale Rzeczpospolita. Der Grund: Durch den Schritt, lesen wir, nehme sich das Kabinett Morawiecki die Möglichkeit, 12 Milliarden PLN für die Transformation der Offenen Rentenfonds in Individuelle Rentenkonten (IKE) einzutreiben. 

Die Regierung, erinnert das Blatt, habe seit fast zwei Jahren auf die Liquidierung der Offenen Rentenfonds gedrängt, um bei der Umwandlung eine Gebühr in Höhe von 15 Prozent einziehen zu können. Und habe die Abgabe damit argumentiert, dass dies in etwa die Summe sei, die sonst in Zukunft an Steuern für auf den OFE gesammelten Ersparnisse entfallen würde. Bei der Annahme, dass sich die Hälfte der Bürger für einen Transfer in die Individuellen Rentenkonten entscheiden würde, könnte die Regierung knapp 12 Milliarden PLN inkassieren. Wenn das Kabinett Morawiecki aber nun Renten bis 2500 PLN von der Steuer befreien wolle, sei dieses Argument für die Abgabe hinfällig. “Heute sehen wir, wieso es die Regierung so eilig mit dem Gesetz zur Liquidierung der Offenen Rentenfonds hatte. Es ging darum, das Gesetz noch vor der Neuen Ordnung unter Dach und Fach zu bringen und das Budget damit noch schnell mit zusätzlichen Milliarden zu stärken”, so der Hauptwirtschaftsexperte des Arbeitgeberverbands Pracodawcy RP Paweł Wojciechowski im Interview mit der Rzeczpospolita. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Schlag gegen die Gemeinden

Der größte Verlierer der in der Polnischen Ordnung vorgesehenen Steuernachlässe werden voraussichtlich die Kommunen sein, schreibt in seinem heutigen Aufmacher das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Wie aus Schätzungen hervorgehe, die das Finanzministerium auf Anfrage der Zeitung vorbereitet habe, können die Gemeinden durch die Änderungen sogar 10-11 Milliarden PLN jährlich verlieren. Denn die Lokalverwaltung habe Anteile an den Einnahmen aus der Einkommenssteuer. Die Erhöhung der steuerfreien Quote auf 30 Tausend PLN und die Verschiebung des ersten Steuersatzes von 80 auf 120 Tausend PLN werde jedoch bedeuten, dass die Einnahmen aus der Einkommenssteuer deutlich sinken werden. 

Die Regierung, lesen wir weiter, kündige an, dass sie den Kommunen diesen Verlust durch einen Investitionszuschuss ersetzen werde. Laut dem oppositionsnahen Stadtpräsidenten von Sopot rieche das jedoch stark nach Zentralismus und einer Rückkehr zum Kommunismus. Geht es indes nach der Regierung, würden alle Ortschaften durch die so geförderten Investitionen, darunter in Infrastruktur und Breitband-Internet, künftig einen Zivilisationssprung erleben. Die in der Polnischen Ordnung vorgesehenen Änderungen wolle die Regierung im September verabschieden. Gestern habe Premierminister Mateusz Morawiecki eine Rundfahrt durch Polen begonnen, bei der er für das neue Programm werben werde, so Dziennik/Gazeta Prawna. 

 

Dziennik/Gazeta Prawna: Mehr Selbstmordversuche unter Kindern

Die Zahl der Selbstmordversuche unter Minderjährigen ist im ersten Quartal 2021 im Vergleich zum Vorjahr um knapp ein Viertel gestiegen, lesen wir ebenfalls in Dziennik/Gazeta Prawna. “An den Kindern, die zu uns in die Klinik kommen, sehen wir, dass die wichtigsten Gründe solcher Versuche Depression, Stimmungsstörungen, Schlaflosigkeit und Panikattacken sind”, so die Direktorin des Zentrums für Neuropsychiatrie Neuromed in Wrocaw, Halina Flisiak-Antonijczuk. Wie die Ärztin betont, seien Selbstmordversuche in den meisten Fällen Rufe nach Hilfe. 

Wie die Koordinatorin der Telefonseelsorge der Stiftung “Wir geben Kindern Kraft” Paula Włodarczyk hinzufügt, würden die Kinder heute vor allem mit Einsamkeit und der Sinnlosigkeit des Lebens ringen. Sie hätten nicht nur wegen der Pandemie keine Motivation zum Handeln, aber auch, da das Klima und die Umwelt gefährdet seien. Als weitere Gründe würden sie auch fehlende Toleranz gegenüber LGBT und häufigere sexuelle Übergriffe im Zusammenhang mit dem Lockdown nennen. 

Um 14 Prozent im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum sei zudem auch die Zahl der Selbstmordversuche unter über 65-jährigen gestiegen. In diesem Fall sei oft der Tod des Lebenspartners der Auslöser. 

Das Problem der ganzen polnischen Psychiatrie und psychologischen Unterstützung, so das Blatt, sei das Geld. Und die Gehaltsunterschiede in öffentlichen und privaten Kliniken. Kommerziell könne ein Psychologe oder Psychiater etwa 200 PLN für eine Visite erhalten (etwa 50 Euro), in einer staatlichen Klinik nur 50 PLN (etwa 12 Euro). Derzeit würden Verhandlungen zu Änderungen in den Gehältern von Psychiatern laufen, so Dziennik/Gazeta Prawna.

Autor: Adam de Nisau