Deutsche Redaktion

"Stand-up-Comedy aus Moskau"

17.06.2021 10:52
Schon die Einladung zum Gespräch mit dem Präsidenten einer Weltmacht sei für Putin ein Sieg gewesen, schreibt in seinem Kommentar für die Rzeczpospolita Jerzy Haszczyński. Außerdem geht es auch um die sinkende Moral in der größten Oppositionspartei PO. Und um die Frage: Ist die polnische Nationalelf noch zu retten?
Joe Biden, Władimir Putin
Joe Biden, Władimir PutinPAP/EPA/MIKHAIL METZEL/SPUTNIK/KREMLIN POOL / POOL

RZECZPOSPOLITA: Stand-up-Comedy aus Moskau

Die meisten Politiker und Kommentatoren hätten nach dem Treffen Biden-Putin in Genf keinen Durchbruch erwartet. Man habe gar keine Chance sogar für das kleinste Resetchen gesehen. Wie sich herausstelle, zurecht, schreibt in seinem Kommentar in der Tageszeitung Rzeczpospolita der Publizist Jerzy Haszczyński. Man, so der Autor, habe wieder einmal mit bloßem Augen feststellen können, dass Russland und die Vereinigten Staaten verschiedene Zivilisationen repräsentieren würden. Auch wenn Putin genau das Gegenteil zu kommunizieren versucht habe, lesen wir. Schon die Einladung zum Gespräch mit dem Präsidenten einer Weltmacht sei für Putin ein Sieg gewesen. Er habe die Chance bekommen, sich solo neben dem US-Präsidenten zu präsentieren, während Anführer anderer Staaten in den letzten Tagen nur im Rahmen einer größeren Gruppe auftreten und Joe Biden treffen durften.

Darüber hinaus habe Wladimir Putin bei einer langen Pressekonferenz die Chance bekommen an den USA und damit auch an dem gesamten Westen totale Kritik zu üben. Es sei wie der Auftritt eines amerikanischen Stand-up-Komödianten gewesen. Frei nach dem Motto: ihr seid genauso wie wir, wieso versucht ihr, uns so zu belehren. Wieso, sagte Putin, geht ihr uns auf die Nerven mit irgendwelchen Menschenrechten, mit irgendeinem Navalny, mit Medienfreiheit. Biden nenne ihn, Putin, einen Mörder. Dabei habe er selbst menschliches Blut auf den Händen. In Amerika würde man doch den Afroamerikanern in den Rücken schießen, amerikanische Drohnen würden Zivilisten in Afghanistan morden, die amerikanischen Dienste würden Gefangene foltern, hieß es.

Diesem Auftritt sollte man zwar keine sehr große Bedeutung beimessen, man sollte ihn aber auch nicht verharmlosen, stellt der Publizist fest. Putin gehe wohl davon aus, dass ein Komiker, der absurde Geschichten mit einem Tröpfchen Wahrheit vorstelle, besser bei dem Publikum ankomme, als Diplomaten, die Probleme in langwierigen Diskussionsrunden zu lösen versuchten. Er könnte damit sogar nicht falsch liegen, schreibt Haszczyński. Es gebe doch reichlich Länder, in denen man Amerika für die größten Übel der Welt verantwortlich mache und die eigenen politischen Eliten für die Allianz mit den USA anprangere, lesen wir in der Tageszeitung Reczpospolita.

SUPER EXPRESS: Niederlage pur

Sport stellte schon mehrmals eine schöne Kulisse für politisches Geschehen in Polen. Ähnlich hätten es sich auch der ehemalige Premierminister Donald Tusk und der aktuelle Chef der oppositionellen Partei Bürgerplattform Borys Budka wohl ausgedacht. Beide Politiker hätten sich Anfang dieser Woche im nordpolnischen Sopot getroffen, wo sie die polnische Nationalmannschaft bei ihrem ersten EM-Spiel angefeuert hätten, stellt das Blatt Super Express fest. Nach dem Spiel hätten die Politiker ein Bild mit einem weiß-roten Schal und der Aufschrift „Wie sind ein Team” veröffentlicht. Gemeint sei jedoch wohl nicht die Fußball-Nationalelf gewesen, sondern die Partei Bürgerplattform, die in den letzten Monaten in einer tiefen Krise stecke. Nächste Woche sollten sich der alte und der aktuelle Parteichef erneut treffen. In der Partei würden indes Stimmen laut, dass Tusk erneut den Vorsitz übernehmen sollte. Allem Anschein nach, würde aber diese Konzeption auch Kritiker haben, stellt das Blatt fest.

Der langjährige Senator der Partei, Antoni Mężydło, sehne sich gar nicht nach dem alten Parteichef Donald Tusk. Er verbinde keinerlei Hoffnungen mit Tusk, sagt er dem Blatt. Seine Rückkehr wäre ein großer Fehler. Es sei frisches Blut nötig. Tusk könne der Partei gar nicht mehr helfen, sagt der Senator und fügt hinzu, dass Tusk der Partei auch nicht schaden könnte, denn schlimmer könne die Situation eigentlich nicht mehr werden, so PO-Senator Antoni Mężydło im Blatt Super Express.

GAZETA POLSKA CODZIENNIE: Die Hoffnung stirbt zuletzt    

Sie würden weiter kämpfen. Und sie würden sich bemühen, damit sich die polnische Mannschaft bei den kommenden EM-Gruppenspielen besser präsentiere. Diese Hoffnung äußerte der Kapitän der polnischen Fußballmannschaft Robert Lewandowski, lesen wir in der nationalkonservativen Tageszeitung Gazeta Polska Codziennie. Nach einer blamablen Niederlage würden die polnischen Sportler die Hoffnung nicht verlieren, schreibt das Blatt. Bereits am Montag sei Weltfußballer Robert Lewandowski mit Polen enttäuschend in die EM gestartet. Der Bundesliga-Torschützenkönig von Bayern München habe mit seiner Mannschaft zum Auftakt gegen die Slowakei in Sankt Petersburg 1:2 verloren. Polens Torhüter Wojciech Szczesny sei der Ball vor dem 0:1 nach einem Solo von Robert Mak vom Pfosten an die Schulter gesprungen und von dort ins Tor. Karol Linetty sei der Ausgleich, und Milan Skriniar das Siegtor der Slowaken gelungen.

Nach dem Ausgleich habe er gehofft, dass sich das Blatt wenden würde, gibt Lewandowski zu. Er sei sich bewusst, dass die Lage schwierig sei, die Mannschaft werde aber ihr Bestes geben, schrieb der Kapitän.

Bereits morgen wird die polnische Nationalelf gegen Spanien und nächste Woche gegen Schweden antreten, informiert Gazeta Polska Codziennie.

Jakub Kukla