Deutsche Redaktion

"Abwehr durch Angriff"

23.06.2021 12:46
Die Geheimdienste sprechen von einem Cyberangriff auf Polen. Die Quelle all dieser Informationen sei offenbar ein amerikanisches Portal, das sie vor knapp einem Jahr publik gemacht habe, schreibt in ihrem heutigen Aufmacher die linksliberale Gazeta Wyborcza. Außerdem: Polen und Ungarn erneut im Visier des EU-Rats. Und: Spiel um alles in höllischer Hitze.
Michał Dworczyk, szef KPRM
Michał Dworczyk, szef KPRMForum/Adam Chelstowski

Gazeta Wyborcza: Abwehr durch Angriff

Die Geheimdienste sprechen von einem Cyberangriff auf Polen. In einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung ist von der “Gruppe UNC1151” und der Operation “Ghostwriter” die Rede. So besorgniserregend all dies klinge. Die Quelle all dieser Informationen sei offenbar ein amerikanisches Portal, das sie vor knapp einem Jahr publik gemacht habe, schreibt in ihrem heutigen Aufmacher die linksliberale Gazeta Wyborcza. Offiziell seien die gestern veröffentlichten Informationen eigentlich als Ergebnis von Ermittlungen der Agentur für Innere Sicherheit ABW und der Spionageabwehr präsentiert worden. Allem Anschein nach handle es sich aber um eine kreativ überarbeitete Kopie von zwei Berichten, die im Juli 2020 und April 2021 auf dem amerikanischen Portal FireEye erschienen seien. 

“Ghostwriter”, sei auf dem Portal zu lesen, sei eine Einfluss-Kampagne, die vor allem an Abnehmer in Litauen, Lettland und Polen gerichtet sei und für Narrationen werbe, die gegen die Anwesenheit der NATO in Osteuropa agitieren. Auch von der Gruppe “UNC1151” sei die Rede. Laut FireEye handle es sich dabei offenbar um einen von einem Staat finanzierten Cyberspion, der in direkter Verbindung mit der Operation “Ghostwriter” stehe. Von sich hätten die polnischen Regierungsvertreter hinzugefügt, dass mindestens 4350 E-Mail-Adressen in Polen von der Attacke betroffen seien. Diese Information, so Gazeta Wyborcza, stamme höchstwahrscheinlich aus dem System ARAKIS-gov, das vor Einbruchsversuchen warne. Zudem habe der Sprecher des Koordinators der Geheimdienste Stanisław Żaryn hinzugefügt, dass die polnischen Informationsdienste über überzeugende Beweise dafür verfügen, dass die Angriffe mit Russland in Verbindung stehen.

Kann das so genannte “Dworczyk Gate”, in dem auf dem russischen Messenger-Dienst Telegram seit zwei Wochen Nachrichten aus dem gehackten, privaten E-Mail-Konto des Chefs der Kanzlei des Premierministers Michał Dworczyk erscheinen, von den Gruppen UNC1511/Ghostwriter durchgeführt worden sein, fragt das Blatt? “Ich habe meine Zweifel”, sagt Dr Anna Mierzyńska (OKO.press).  “Bisher war das Ziel der Gruppe, mit Hilfe von gefälschten Internetseiten und gehackten Konten, Desinformation zu säen. Es gab keine Aktionen, in deren Rahmen so lange Dokumente aus einer Quelle publiziert wurden”, so die Expertin. “Wir können hier schwerlich von einer Attacke sprechen, wenn der Premier und die Minister fundamentale Sicherheitsregeln bei der Nutzung von E-Mail-Konten missachtet haben”, fügt dr Ing. Janusz Jabłoński von der Abteilung für angewandte Informatik der Universität in Zielona Góra im Gespräch mit Gazeta Wyborcza hinzu.

 

Rzeczpospolita: Polen erneut im Fadenkreuz der EU

Polen und Ungarn sind am Dienstag erneut im Fadenkreuz des EU-Rats gewesen, erinnert die konservativ-liberale Rzeczpospolita. Vize-EU-Kommissionsefin Věra Jourovà, lesen wir, habe die wichtigsten Probleme in Bezug auf Polen zusammengefasst. Darunter die fehlende Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts oder das Primat des nationalen Rechts vor dem EU-Recht. Für mehr Emotionen sorge in Luxemburg diesmal jedoch das neue in Ungarn verabschiedete Gesetz, das die Erwähnung von unterschiedlichen sexuellen Orientationen im öffentlichen Raum, der für Minderjährige zugänglich ist, verbietet. Die gestrige Anhörung sollte vor allem das Wissen über die Situation in Polen und Ungarn aktualisieren. Niemand erwarte eine Abstimmung, denn für Sanktionen sei Einstimmigkeit notwendig, so Rzeczpospolita. 

 

Gazeta Polska Codziennie: Spiel um Alles in höllischer Hitze

Natürlich sind die Augen der Kommentatoren auch nach St. Petersburg gerichtet, wo sich heute im Spiel gegen Schweden das Sein oder Nichtsein der polnischen Nationalelf auf der Euro 2021 entscheidet. Polen muss das heutige Spiel gewinnen, um nicht schon in der Gruppenphase aus dem Turnier auszuscheiden. 

Knapp zwei Jahrzehnte hätten Polen und Schweden nicht in Spielen um Punkte gegeneinander gespielt, erinnert in ihrem heutigen Aufmacher dazu die nationalkonservative Gazeta Polska Codziennie. Und das sei auch gut so. Denn die vorherigen Aufeinandertreffen mit den Drei Kronen hätten die polnischen Fans stets aller Hoffnungen und Illusionen beraubt. Niederlagen gegen die Skandinavier hätten Polen den Weg zur Euro 2000 und Euro 2004 versperrt. Heute jedoch spiele die Nationalelf, schon im Turnier, gegen Schweden um den Einzug ins Achtelfinale der Euro 2021, so Gazeta Polska Codziennie. 

Autor: Adam de Nisau