Deutsche Redaktion

Angela Merkel eine Schröder-Variante?

29.06.2021 09:22
Mit Enttäuschung bezieht sich der Publizist Jerzy Haszczyński in der Tageszeitung Rzeczpospolita auf die letzten Entscheidungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Władimir Putin i Angela Merkel
Władimir Putin i Angela Merkelphotocosmos1 / Shutterstock.com

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Antipolnische Emotionen verzerren das Bild

Zu den jüngsten Spannungen zwischen Warschau und Tel-Aviv habe sich zuletzt der polnische Europaabgeordnete, Professor Ryszard Legutko, geäußert, schreibt das Blatt Dziennik/Gazeta Prawna. Es wiederhole sich ein Muster, das bereits in der Vergangenheit mehrmals eingesetzt worden war. Die antipolnischen Emotionen seien stärker, als der Versuch gute Beziehungen zwischen beiden Staaten aufrechtzuerhalten. Die Attacke sei in ihrer Brutalität unverständlich, meint der Politiker. Der Grund für den Streit zwischen Israel und Polen sei ein neues Gesetzesvorhaben.

Bei dem geplanten Gesetz handle es sich um verwaltungsrechtliche Verfahren, die das Parlament vergangene Wochen verabschiedet hatte. Darin heiße es unter anderem, dass Verwaltungsentscheidungen nach dem Ablauf einer Frist von 30 Jahren nicht mehr gerichtlich angefochten werden können. Dem Entwurf müsse noch der Senat zustimmen. Danach sei noch die Unterschrift des Präsidenten erforderlich, bevor das Gesetz in Kraft treten könne.

Die israelische Seite befürchte, dass die neue Regelung jüdischen Bürgern es praktisch unmöglich machen werde, während des Holocaust und der kommunistischen Ära geraubten Besitz zurückzubekommen oder dafür entschädigt zu werden. Hintergrund für die neue Gesetzesänderung ist eine Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2015. Das Gericht habe damals geurteilt, es sei nicht mit den rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar, wenn die Möglichkeit bestehe, eine administrative Entscheidung, die unter Rechtsverstoß zustande gekommen sei, ohne jede zeitliche Begrenzung anzufechten, so Dziennik/Gazeta Prawna.

RZECZPOSPOLITA: Angela Merkel eine Schröder-Variante?

Mit Enttäuschung bezieht sich der Publizist Jerzy Haszczyński in der Tageszeitung Rzeczpospolita auf die letzten Entscheidungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Politikerin halte ihre letzten Reden, falle wichtige Entscheidungen und gäbe ihrem politischen Umfeld die letzten Anweisungen. Dies sei ein guter Moment um ihre politische Aktivität zusammenzufassen. Die Bilanz falle immer schlechter aus, meint der Publizist. Merkels Entscheidungen in Bezug auf die europäische Sicherheit würden immer schlechter ausfallen, zumindest aus der Perspektive der Schwächeren, und um diese Mitgliedsstaaten solle sich doch die EU besonders kümmern. Geht es nach Haszczyński riskiere Angela Merkel, dass sie im Gedächtnis der Europäer künftig als eine Variante von Gerhard Schröder fungieren werde. Ihr Nachfolger Armin Laschet sei in der europäischen Politik immer noch nicht sehr gut bekannt, aber schon wisse man, dass er für Moskau eine besondere Affinität empfinde.

Die Bundesrepublik realisiere einfach ihre Interessen, schreibt der Publizist weiter. Russland stelle für Deutschland keine Gefahr dar, sei aber ein wichtiger Handelspartner. Kein Wunder, dass sich beide Länder für Generationen mit einem Rohr verbinden wollen, durch das billiges Gas in die Republik fließen werde. Das Problem bestehe jedoch darin, dass Berlin dadurch die europäische Solidarität zerstöre. Dieses Verhalten stehe im krassen Widerspruch zu den Floskeln über die europäischen Werte, europäische Gemeinschaft und Zusammenarbeit.

Für Polen sei das eine schmerzliche Erfahrung. Deutschland sei Polens wichtigster Handelspartner. Die Fixierung auf eigenen Interessen liefere aber den Gegnern der europäischen Integration wichtige Argumente. Das Verhalten Berlins stärke zugleich die Emanzipationstendenzen in den Ländern Mittelosteuropas, urteilt Jerzy Haszczyński im Blatt Rzeczpospolita.

SUPER EXPRESS: Eine eher unerwartete Unterstützung

In wenigen Tagen soll Donald Tusk den Parteivorsitz in der Bürgerplattform (PO) übernehmen, berichtet die Tageszeitung Super Express. Von seinem Comeback erhoffe sich die sichtlich angeschlagene Partei einen Neuanfang. Der ehemalige polnische Premierminister könne mit der Unterstützung mehrerer wichtiger Politiker aus den Oppositionsreihen rechnen. Doch die Tatsache, dass sich auch Ex-Präsident Bronislaw Komorowski positiv über Tusks Rolle in der Politik ausspreche, habe schon fürs Staunen gesorgt. Noch vor kurzem habe Präsident Komorowski der Bauernpartei seine Hilfe versprochen. Außerdem sei sein Verhältnis zu Donald Tusk in der Vergangenheit eher angespannt gewesen. Nun aber vertrete Bronisław Komrowski die Meinung, dass Ex-Premier Tusk eine positive Rolle in der Partei hätte spielen können. Er könnte der Gruppierung helfen, eine ideologische Balance zu finden. Außerdem könnte er auch der gesamten Opposition neue Impulse verleihen, heißt es in Super Express.

Jakub Kukla