Deutsche Redaktion

"Amerika gibt grünes Licht für ein deutsches Europa"

30.06.2021 12:25
Die Liebeserklärungen des US-Außenministers Antony Blinken bei seinem Besuch in Berlin seien so herzlich gewesen, dass sie den Anschein einer grenzenlosen Liebe hatten, weshalb die Frage laute, ob dies eine bewusste neue Strategie in der Deutschland- und Europapolitik der Biden-Administration sei, fragt der Politologe Marek Cichocki.
Marek Cichocki
Marek Cichocki Wojciech Kusiński, Polskie Radio

Rzeczpospolita: Das Potenzial für Unvorhersehbarkeit

Amerika gibt grünes Licht für ein deutsches Europa, schreibt der Politologe und Philosoph Marek Cichocki in der Tageszeitung Rzeczposplita. Die Liebeserklärungen des US-Außenministers Antony Blinken bei seinem Besuch in Berlin seien so herzlich gewesen, dass sie den Anschein einer grenzenlosen Liebe hatten, weshalb die Frage laute, ob dies eine bewusste neue Strategie in der Deutschland- und Europapolitik der Biden-Administration sei.

Donald Trump zuvor, erinnert der Autor, sei zwar destruktiv gewesen, aber während seiner Präsidentschaft habe das Außenministerium die Ansicht vertreten, dass Europa heute ein Feld strategischer Rivalität zwischen den Supermächten, insbesondere China und Russland, sei und dass Amerika eine aktive Rolle in dieser Rivalität übernehmen müsse. Polen, fährt der Autor fort, habe dieser Tatsache einen breiteren Spielraum gegeben. Ob diese Chance von Warschau gut ausgenutzt wurde, sei allerdings eine andere Sache. Die Biden-Administration hingegen, lesen wir des Weiteren, denke ganz anders. Sie sehe das Feld des strategischen Wettbewerbs zwischen den Supermächten woanders und glaube, dass Deutschland Amerika den Frieden in Europa sichern und Amerika sich mit Russland unter einigen Bedingungen einigen könnte. Beide Annahmen in Bezug auf Deutschland und Russland, glaubt Cichocki, seien jedoch höchst fragwürdig.

So oder so deute alles darauf hin, heißt es im Blatt, dass sich Amerika politisch aus Mitteleuropa zurückziehen wolle und man sich anfangen sollte zu fragen, wie sich das auf seine militärische Präsenz in der Region auswirken werde. Es sei höchste Zeit, schreibt der Politologe, dass Polens Eliten anfangen, darüber nachzudenken, wie sie das Land aus diesem Dilemma herausholen können.

Cichocki stimme deshalb jenen zu, die meinen, dass Polen unter den gegenwärtigen Bedingungen über den Wiederaufbau seines Potenzials der Unberechenbarkeit in punkto Außen- und Sicherheitspolitik nachdenken müsse. Das Problem sei nämlich, dass Polens Politik in Europa absolut berechenbar geworden sei. Polens Politik gegenüber Russland sei hundertprozentig vorhersehbar, genau wie gegenüber Deutschland oder den Vereinigten Staaten, was nicht nur Polens Position enorm schwäche, schreibt Cichocki abschließend in seinem Kommentar, sondern diesen Ländern auch freie Hand gebe, Polen ihre eigenen Regeln aufzuzwingen.

Polen müsse zwar ein zuverlässiger Verbündeter bleiben, aber Glaubwürdigkeit sollte nicht mit Willenlosigkeit verwechselt werden, lautet das Fazit des Autor für die Rzeczpospolita.


Wirtualna Polska: Polens Kirche befindet sich in einer historischen Krise

Marcin Makowski indes, schreibt für eines der größten Nachrichtenportale - Wirtualna Polska - über die Krise in der polnischen Kirche.
Wie wir lesen, habe es in der vergangenen Woche drei Ereignisse gegeben, die das Ausmaß dieser Krise zeigen. Erstens sei ans Tageslicht gekommen, dass ein wegen seiner Passivität im Kampf gegen sexuelle Missbräuche in seiner ehemaligen Diözese entlassener Erzbischof, zum Bürgermeister seines Heimatdorfes wurde. Damit verbinde Sławoj Leszek Głódź klerikale und staatliche Funktionen, was, erklärt Makowski, nach dem Kirchenrecht verboten sei und vor allem augenfällig gegen den Willen des Vatikans und ohne Reaktion des polnischen Episkopats passiert sei. Das zweite Ereignis - die rechte Hand von Johannes Paul II. wiederum, sei zum Objekt einer Ermittlung des Vatikans geworden. Kardinal Stanisław Dziwisz soll zahlreiche Signale über pädophile Priester, die unter seiner Zuständigkeit handelten, missachtet haben.  Drittens - Polens Episkopat habe einen weiteren Teil der Statistik des Missbrauchs von Kindern durch Priester veröffentlicht.

All das bedeute, schreibt Makowski, dass bisher keine wirkliche Veränderung im Verhalten des Klerus zu erkennen sei. Die Veröffentlichung von Verbrechen durch den Klerus und deren Verurteilung, fährt der Autor fort, schrecke nach wie vor niemanden wirklich ab. Was mehr, hochrangige Geistliche setzten sich über die Anordnungen des Papstes hinweg. Andere verstecken sich in Polen hinter der Autorität von Johannes Paul II., so dass der Vatikan gezwungen sei, um die Wahrheit herauszufinden, eigene Ermittler zu schicken, weil auf die Gerichtsbarkeit der polnischen Kirche kein Verlass sei. Hinzukomme das immer noch erschreckende Ausmaß der Pädophilie.

Es sei kein Zufall, schreibt der Autor, sondern eine Anhäufung von Vernachlässigungen und des Wegschauens. Und das seit Jahrzehnten. Die Symptome dieser Probleme, erklärt Makowski am Schluss auf WP, seien eine Rekordrate der Säkularisierung unter Jugendlichen, der Rückgang der Zahl der Gläubigen, die die Messe besuchen, und das noch nie dagewesene Ausmaß der Abtrünnigkeit vom katholischen Glauben.

DoRzeczy: Covid-Beschränkungen sollen "Sklavengesellschaft" schaffen

Das Wochenblatt DoRzeczy schreibt über den kasachischen Bischof Athanasius Schneider, der vor kurzem in Polen zu Besuch war und mit den Machern des Dokumentarfilms "Planet Lockdown", der demnächst seine Premiere feiern wird, gesprochen hat. Schneider soll die Situation angesprochen haben, die in westlichen Gesellschaften eingetreten sei, nachdem ihr Leben politischen Machenschaften untergeordnet wurde, die durch die Coronavirus-Krise verursacht worden seien.

Auf die Frage nach der Legitimität der Lockdowns soll Schneider der Meinung sein, sie seien "exzessiv und unverhältnismäßig" angesichts der Bedrohung durch das Virus. Seiner Ansicht nach gehe es nicht nur um die Gesundheit der Menschen, sondern es müsse einen weiteren Zweck geben, politischer Art, um neue Strukturen und Systeme des sozialen Lebens zu schaffen, um mehr Kontrolle über die Gesellschaft zu haben. Dies drohe, heißt es im Blatt, einer Sklavengesellschaft, in der es eine kleine elitäre Gruppe gebe, die den Rest kontrolliere. Der immer tiefere Eingriff in die Privatsphäre sei, dem Bischof nach, ebenfalls eines der Merkmale der Sklaverei.

Geboren in der Sowjetunion, erinnere sich der konservative Gläubige an die Erfahrungen aus seiner Kindheit. Bei der Betrachtung der heutigen offiziellen Narrative der westlichen Welt fallen ihm deutliche Parallelen zu den Zeiten des sowjetischen Terrors auf. Jeder, so Athanasius Schneider, der eine andere Meinung hatte, gehörte zu einer so genannten "Verschwörungsgruppe" und seine Meinung galt als "Hassrede".

Analog zur sowjetischen Propaganda, die im Ostblock das Bild einer "schönen Wirklichkeit" malte, habe man es heute, wie Schneider betont, mit einer "Gehirnwäsche von morgens bis abends mit so genannten 'Covid News' zu tun, die nicht wahr seien und nicht mit authentischen Daten belegt werden können.

Wie Bischof Schneider festgestellt haben soll, sei jetzt für die gesamte Weltbevölkerung ein Zeichen der Unterwerfung unter dieses neue System: die Schutzmaske. Und das trotz so vieler Wissenschaftler, Ärzte und Personen mit gesundem Menschenverstand, die sagen sollen, dass die Maske eigentlich nutzlos sei. Aber dieser Zustand halte an, weil das neue globale Gesellschaftssystem ein konkretes äußeres Zeichen der Kapitulation und einen Ausdruck für die ständige Krisensituation, das es selber schaffe und sogar noch ausweite, haben wolle.

Piotr Siemiński