Deutsche Redaktion

"Gerüchte über US-Truppenabzug aus Polen sind übertrieben"

19.08.2021 12:34
Kann die Verabschiedung eines Gesetzes gegen den privaten US-Fernsehsender TVN zu einer Änderung der militärischen Pläne der USA in Polen führen?
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DGP: Gerüchte über US-Truppenabzug aus Polen sind übertrieben

Der Publizist Michał Potocki schreibt am Donnerstag in der Zeitung Dziennik Gazeta/Prawna, dass in den letzten Tagen Informationen einiger Medien in Polen für Aufregung gesorgt haben, wonach die Verabschiedung eines Gesetzes gegen den privaten US-Fernsehsender TVN im schlimmsten Fall sogar zu einer Änderung der militärischen Pläne der USA in Polen führen könnte. 

Einige Medien hätten behauptet, es gäbe in Washington Gespräche über die Verlegung einiger Truppen nach Rumänien. Daraufhin sollen Oppositionspolitiker angefangen haben, diese mediale Spirale weiter zu drehen. Man könnte sogar den Eindruck gewinnen, dass morgen die ersten amerikanischen Militäreinheiten von Warschau aus in Richtung Bukarest aufbrechen würden.

Es lohne sich aber, fährt der Autor fort, dreimal tief durchzuatmen und die ganze Angelegenheit mit etwas Abstand zu betrachten. So albern, sinnlos und schädlich die Kriege der PiS mit den Medien auch sein mögen, so der Autor, die Welt des Militärs unterscheide sich grundlegend von der Welt der Medien. Hier würden nur sehr wenige Dinge von Bedeutung hastig passieren. Jeder Schritt sei auf viele Jahre hinaus geplant, was sich zum Beispiel am laufenden Bau von Lagerhäusern für amerikanische Militärausrüstung in Polen zeige.

Entscheidungen mehrere tausend Soldaten irgendwohin von heute auf morgen zu verlegen werden nicht spontan getroffen. Eine solche Operation erfordere Planung, ein Budget und darüber hinaus die Überzeugung des Militärs, sie durchzuführen, da sich sonst der gesamte Prozess kostspielig verzögern könnte. Donald Trump zum Beispiel, lautet Potockis Fazit für die Tageszeitung, der als Präsident fröhlich verkündet habe, dass ein Teil der US-Truppen aus Deutschland abgezogen werde, habe genau diese schmerzhafte Erfahrung machen müssen.

Wprost: Flüchtlingswelle aus Afghanistan? "Mit ihnen zu schrecken ist nur Politik"

Das Wochenblatt Wprost schreibt indes, dass in der polnischen Politik eine neue Hoffnung aufkeime - die unkontrollierte Zuwanderung von Flüchtlingen aus Afghanistan und aus Belarus. Die konservative Regierung kalkuliere bereits, wie eine mögliche neue Krise in diesem Bereich die schwächelnden Umfragewerte der Regierungspartei, die Nein zu Migrationsverlagerungen sagt, reparieren könnte. Daher die absurden Fragen nach der Beteiligung von ex-Premierminister Donald Tusk an einer weiteren internationalen Verschwörung aus Polen ein Reservat für Muslime zu machen. Auch die Opposition setze auf dieses Thema und reibe sich die Hände bei dem Gedanken, in was für einem Licht die PiS stehen werde, wenn die Regierung in Europa um Solidarität für die von Putin und Lukaschenka an Polens Grenzen geschickten Flüchtlinge betteln werde.

Was aber für Polen und den Westen schlecht aussehen möge, fährt das Wochenblatt fort, bedeute für die meisten Afghanen eine deutliche Verbesserung der Situation: Der Krieg sei vorbei, die Besatzungstruppen seien weg und die korrupten und unfähigen Behörden des Landen seien ebenfalls ins Ungewisse geflohen. Die Taliban hätten auch keine brutale Eroberung durchgeführt, heißt es weiter. Sie hätten sich einfach die Macht genommen, die auf der Straße lag und seien von der Öffentlichkeit, die nur auf selige Ruhe warte, mit einer Mischung aus Erleichterung und Resignation begrüßt worden.
Tatsächlich betreffe das im Detail übertragene Drama von Kabul eine relativ kleine Gruppe von Afghanen, behauptet das Blatt, denen die NATO-Staaten im Gegenzug für jahrelange loyale Zusammenarbeit im Kampf gegen die Taliban Asyl schulden.

Abgesehen von ihnen, schreibt Wprost, flüchte der Großteil der Afghanen eher nirgendwo hin. Medien im Westen, fährt die Wochenzeitung fort, würden das Bild einer liberalen Gesellschaft pflegen, die jetzt unter dem Joch der Fundamentalisten verloren gehen werde. Dies treffe aber nur auf wenige Enklaven zu, die das Glück hatten, 20 Jahre lang unter der Kontrolle pro-westlicher Verwaltungen zu stehen. Die ganze Situation so zu dramatisieren, heißt es abschließend in Wprost, sei eine übertriebene bunte Geschichte der Medienwelt.


niezależna.pl: Wem der Wille zum Kampf fehlt

Das regierungsnahe Internetportal niezależna.pl schreibt zur Situation in Afghanistan, dass Präsident Joe Biden das Versagen der USA in Afghanistan mit dem fehlenden Willen der Afghanen zu kämpfen rechtfertigte. Das, so das Portal, höre sich allerdings seltsam an für eine Nation, die seit fast einem halben Jahrhundert fast nichts anderes tue als zu kämpfen. Die Amerikaner, so das Online-Blatt, sollten sich daher besser fragen, was passiert sei, dass die Afghanen plötzlich ihren Willen zum Kämpfen verloren haben. Vielleicht hätten sie beschlossen, dass es nichts gebe, wofür es sich zu kämpfen lohne, oder vielleicht seien sie betrogen worden, fährt niezależna fort.

Selbst wenn die USA glauben würden, dass die Afghanen keinen Kampfeswillen haben, warum haben sie dann 88 Milliarden Dollar in das Militär des Landes gepumpt, fragt das Portal. Vielleicht wäre es besser gewesen diesen Betrag für das Militär der baltischen Länder, der Ukraine, Polens, Georgiens und Rumäniens bereitzustellen. Der Wille zum Kampf sei in diesen Ländern immer da gewesen. Und die Welt wäre mit starken Armeen in dieser Region ein viel sichereres Pflaster.

Für niezależna sei darüber hinaus eines sicher: Es sei der Westen, dem der Wille fehle, für seine eigenen Werte zu kämpfen. Er habe sie bereits verloren und untergrabe sie jeden Tag in seinen eigenen Medien. Es seien auch nicht mehr nur China oder Russland, die den Westen an der Nase herumführen sollen, sondern auch das kleine Katar, dessen Rolle bei den Ereignissen in Afghanistan sehr wichtig sei. Aber niemand im Westen würde das laut aussagen wollen, lautet das Fazit auf niezależna.pl, schließlich habe Katar gerade Messi für den französischen Fussballclub PSG gekauft, der diesem Emirat gehöre.



Piotr Siemiński