Deutsche Redaktion

Rzeczposplita: Wir brauchen ein Skalpell, keine Dreschflegel

02.09.2021 11:21
Was Polen heute brauche, seien nicht noch mehr Propagandatricks, sondern Ruhe. Keine Dreschflegel, sondern chirurgische Präzision. Polen bräuchten vor allem gegenseitiges Vertrauen und Diskussionen anstatt die heiße Situation an der Grenze zu Weißrussland auszunutzen, um politisch zu punkten, schreibt Michał Szułdrzyński am Donnerstag in der Rzeczpospolita.
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Der Antrag der Regierung, den Ausnahmezustand zu verhängen, errege die Gemüter. Und das sei kein Wunder, denn dies sei ein Präzedenzfall nach 1989. Außerdem habe die konservative Regierung vor einem Jahr aus Angst vor unbequemen Verknüpfungen beschlossen, im Kampf gegen die Pandemie keinen Ausnahmezustand zu verhängen. Daher habe die Öffentlichkeit und die Opposition das Recht die Zweifel zu verstehen.

In der Zwischenzeit, heißt es weiter, versuche die Propaganda der Regierung, so der Autor, eine einfache Trennlinie zu ziehen: Diejenigen, die Polen lieben, würden die Behörden blindlings unterstützen und hätten nicht den geringsten Zweifel, wenn sie von der Idee der Einführung des Ausnahmezustands hören. Diejenigen wiederum, die Fragen stellen und Zweifel hätten, würden sich auf die Seite von Putin und Lukaschenko stellen, die einen "hybriden Angriff" auf Polen durchführen. Dies sei nicht nur unmoralisch, heißt es weiter in der Tageszeitung, sondern auch ein zutiefst spaltendes Verhalten für Polens Gesellschaft.
Eine solche Narrative sei für die Machthaber sehr bequem, fährt der Autor fort. Angst und das Gefühl der Bedrohung seien Faktoren, die dazu führen, dass die Bürger nicht mehr auf das schauen, was ihnen an der Regierung nicht gefalle, sondern sich lieber unter deren Fittichen verstecken.

Es sei deshalb kein Zufall, so das Blatt, dass die Unterstützung für die PiS in den letzten Umfragen gestiegen sei. Der Autor stellt deshalb die Frage, ob die Regierung den Ausnahmezustand verhängen wolle, um die Bürger vor Gefahren zu schützen, oder vielleicht eher, um die Atmosphäre anzuheizen?

Der Ausnahmezustand werde eingeführt, wenn die normalen Maßnahmen nicht ausreichen, um die Sicherheit zu gewährleisten. Der Vorschlag der Regierung sei deshalb ein Eingeständnis der Partei Recht und Gerechtigkeit, dass sie nicht in der Lage sei, die Sicherheit Polens mit konventionellen Mitteln zu gewährleisten.

DGP: Wir sollten Flüchtlinge aufnehmen, die uns nicht von Lukaschenko aufgezwungen werden

Dziennik/Gazeta Prawna schreibt indes, dass die Industrieländer den Bewohnern der Krisenländer nicht nur finanzielle Hilfe leisten, sondern auch einige von ihnen bei sich aufnehmen müssten, um die prognostizierte globale humanitäre Katastrophe abzuwenden. Dasselbe gelte auch für Polen, so das Blatt. Nach Angaben der Vereinten Nationen seien weltweit bereits 82 Millionen Menschen gezwungen, ihren Wohnsitz zu verlassen. 26 Millionen davon seien Flüchtlinge.

Diese Erkenntnis, so das Blatt, müsse aber nicht bedeuten, dass illegale Überquerungen der polnisch-weißrussischen Grenze leichtfertig hingenommen werden sollten, wie es in den letzten Tagen von einem großen Teil der Opposition zu beobachten wäre. Während zum ersten Mal seit Jahrzehnten ein Drittland offen feindselige Aktionen gegen Polen durchführe, lesen wir, so würden die Gegner der konservativen Regierung ihre eigene Werbestrategie durchführen und das ganze Problem auf die Angst der Rechten vor Flüchtlingen reduzieren.

Wir hätten es aber nicht einfach mit einer Migrationskrise zu tun, fährt DGP fort, sondern mit dem Ergebnis feindlicher Handlungen eines autoritären Regimes gegen Polen. Die Opposition, fährt die Tageszeitung fort,  würde diese Tatsache in ihrer Darstellung geschickt verschweigen. In der Zeitung wird auch die Vermutung gestellt, dass die politischen Gegner der PiS, wenn sie heute an der Macht wären, dasselbe tun würden wie die konservative Regierung - einschließlich des Baus eines Zaunes, heißt es am Schluss. Ihre Perspektive würde sich mit der Last der Verantwortung sofort ändern, so Dziennik/ Gazeta Prawna.

DoRzeczy: Zeit diese Psychose zu beenden und zur Normalität zurückzukehren

In der rechtskonservativen Wochenzeitung DoRzeczy sagt Journalist und Publizist Jan Pospieszalski in einem Interview, dass falls es eine offizielle Stellungnahme der Behörden zur dritten Impfdosis geben werde, so erwarte er, dass diese mit den vollständigen Argumenten einhergehe, die Polens Gesundheitsminister zuvor genannt haben soll. Pospieszalski erinnere sich, wie der Minister gesagt habe, dass man bei der dritten Dosis prüfen müsse, ob sie im Interesse der Gesundheit der Patienten oder der Pharmaunternehmen sei. Der Gesprächspartner des Wochenblatts warte also darauf, dass Minister Niedzielski die Argumente für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger vorbringe oder umgekehrt, dass die dritte Dosis eingeführt werde, weil dies im Interesse der Pharmaunternehmen liege und es einen Grund dafür gebe.

Zum Glück, so Pospieszalski, habe das Virus uns nicht umgebracht, und irgendwie wolle die vierte Welle auch nicht vorbeischauen, und das trotz der Beschwörungen des Gesundheitsministeriums. Inzwischen würden täglich vierzigtausend Tests durchgeführt, und glücklicherweise würden immer noch nur sehr wenige Infektionen festgestellt. Wenn man täglich 200 000 Tests durchführen würde, glaubt der Journalist, so hätte man es vielleicht mit einer vierten Welle zu tun. Zurzeit gebe es aber genauso viele Corona-Infektionen wie andere Infektionskrankheiten. Vielleicht sei es also an der Zeit, dieser Psychose ein Ende zu setzen, lautet Pospieszalskis Fazit in DoRzeczy, damit die Menschen zur Normalität zurückkehren können.

Piotr Siemiński