Deutsche Redaktion

Was die Polen vom Abtreibungsgesetz halten

08.11.2021 10:59
Das Meinungsforschungsinstitut Unitet Survey hat die Polen nach ihrer Meinung zur Abtreibung gefragt. 
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SUPER EXPRESS: Schweigeminute und „Schreiminute” 

Nach dem Tod einer 30-jährigen schwangeren Frau hätten zehntausende Menschen in ganz Polen gegen das vor wenigen Monaten veränderte Abtreibungsrecht protestiert, berichtet die Tageszeitung Super Express. Auf Protestzügen hätten sie „Nicht eine Einzige mehr“ skandiert. Die Parole habe sich auf die Entscheidung des polnischen Verfassungsgerichts bezogen. Das Obersten Richter hätten mit Unterstützung der Regierung im Oktober vergangenen Jahres auch die Abtreibung schwer fehlgebildeter Föten für verfassungswidrig erklärt und damit das Abtreibungsrecht in Polen verschärft. Seitdem habe es immer wieder Massenproteste gegen das Urteil gegeben. Der Tod von Iza habe die Emotionen erneut hochkochen lassen, schreibt das Blatt.

Am Wochenende sei es in Warschau und andern Städten zu großangelegten Kundgebungen gekommen. Die Protestierenden in den polnische Hauptstadt hätten sich vor dem Gebäude des Verfassungsgerichts versammelt. Von dort seien sie vor das Gesundheitsministerium gegangen, mit einen Zwischenstopp auf dem Schlossplatz im Zentrum von Warschau. Dort hätten die Versammelten die verstorbene Iza mit einer Schweigeminute gewürdigt. Danach habe es eine Schreiminute gegeben, berichtet das Blatt. Unter den Demonstrierenden in Warschau habe es viele Politiker gegeben. Neben Donald Tusk, dem Chef der größten Oppositionspartei Bürgerplattform (PO), hätten sich an dem Marsch auch Politiker anderer oppositioneller Gruppierungen beteiligt. Auf Wunsch der Veranstalter habe es bei der Kundgebung jedoch keine politischen Elemente gegeben.

Leider hätten sich nicht allen Manifestierenden würdig verhalten, stellt die Tageszeitung weiter fest. Nach dem Marsch habe Warschaus Zentrum wie ein Schlachtfeld ausgesehen: viele Haltestellen seien zerstört worden, man habe auch Mauern, Hausfassaden, Zäune und Straßen beschädigt. Die Höhe der Schäden sei bis dahin noch nicht gezählt worden, so Super Express. 

RZECZPOSPOLITA: Was die Polen vom Abtreibungsgesetz halten 

Die Tageszeitung Rzeczpospolita veröffentlicht in der neuen Ausgabe die Ergebnisse einer Meinungsumfrage. Das Meinungsforschungsinstitut Unitet Survey hat die Polen nach ihrer Meinung zur Abtreibung gefragt. Fast 43 Prozent der Befragten würden sich für die Wiedereinführung des so genannten Abtreibungskompromisses, dass heißt der Rechtslage von vor dem Urteil des Verfassungsgerichts, aussprechen. Ein Drittel vertrete eine weitaus liberalere Sichtweise und setze sich für einen legalen Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Wochen ein, ohne, dass die Frau einen Grund für ihre Entscheidung angeben müsste. Ca. 10 Prozent der Polen seien mit der aktuellen Rechtslage zufrieden, weitere 5 Prozent hofften auf einen gänzlichen Abtreibungsverbot.

In der Meinungsumfrage tauchte auch die Frage auf, ob über die Form des Abtreibungsgesetzes die Bürger selbst in einem Referendum entscheiden sollten. Fast 60 Prozent der Befragten äußerten sich positiv über einen Volksentscheid zu diesem Thema. Geht es um politische Präferenzen, würden sich zwei Drittel der Wähler der Oppositionsparteien für ein Referendum aussprechen, während es bei der Wählerschaft der Regierungskoalition ungefähr ein Drittel sei, so die Rzeczpospolita. 

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Migranten als Kanonenfutter 

Die illegalen Migranten würden von dem belarussischen Regime als Kanonenfutter eingesetzt, meint der polnische Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sęk. Alexander Lukaschenko hole diese Menschen in sein Land, um sie dann als ein Druckmittel gegen die Europäische Union auszunutzen, zitiert die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna den polnischen Politiker. Aus diesem Grund solle man die Migranten in erster Linie als ein Druckmittel in den Händen eines Diktators verstehen, anderenfalls könnte Lukaschenko sein Ziel erreichen, erklärt der Minister die polnische Perspektive. Der Druck werde zugleich nicht nur auf Polen, sondern auf die gesamte Europäischen Union ausgeübt. Aus diesem Grund sei der Regierung in Warschau viel daran gelegen, die Spannungen an der polnisch-belarussischen Grenze als eine Herausforderung für die gesamte EU darzustellen. Von größter Bedeutung sei deshalb eine politische Solidarität der EU-Staaten in den Kontakten mit Minsk, meint Szynkowski. Die Finanzierung der Grenzabsperrung sei in diesem Kontext zweitrangig – die polnische Regierung verfüge über entsprechende Finanzmittel, um den Bau der Einrichtung in die Wege zu leiten.

Geht es nach dem Politiker scheine ein Teil der Opposition in Polen den Ernst der Lage nicht zu verstehen. Einige oppositionelle Politiker würden versuchen, das Augenmerk der Öffentlichkeit einzig und allein auf den humanitären Aspekt des Problems zu lenken. Somit gewinne Lukaschenko weitere Verbündete in seinem Kampf gegen die Europäische Union, findet Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sęk im Blatt Dziennik/Gazeta Prawna.

 

Jakub Kukla