Deutsche Redaktion

Streit um die Rechtsstaatlichkeit, Russland-Ukraine-Konflikt und Prognosen für 2022

31.12.2021 12:17
Im Streit zwischen Warschau und Brüssel um die Rechtsstaatlichkeit sei die Lage komplizierter, als viele sie darzustellen versuchen, schreibt Piotr Zaremba. Der ehemalige ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko appelliert um entschiedenere Unterstützung für die Ukraine im Konflikt mit Russland. Und: Jeder dritte Pole glaubt, dass das kommende Jahr schlechter sein wird.
Jaki był mijający rok 2021? Jaki będzie nowy rok 2022?
Jaki był mijający rok 2021? Jaki będzie nowy rok 2022?Mabeline72/Shutterstock

Dziennik/Gazeta Prawna: Wer hat Recht im Streit um die Rechtsstaatlichkeit?

Das vergangene Jahr stand für Polen im Zeichen der Pandemie, in deren Folge es in den vergangenen Monaten insgesamt zu den meisten Todesfällen seit dem Zweiten Weltkrieg gekommen ist. Wichtige Faktoren seien zudem die Inflation sowie die Fortsetzung des Streits darum gewesen, inwiefern das Regierungslager zu unrechtmäßigen Mitteln greife, um seine Macht auszuweiten. Und schließlich sei da auch der ständige Konflikt zwischen Warschau und Brüssel um die Rechtsstaatlichkeit, schreibt in seinem Rückblick auf 2021 für das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna der Publizist Piotr Zaremba. In Bezug auf den Letzteren, so der Autor, sei die Lage komplizierter, als viele sie darzustellen versuchen. Zweifellos hätten die EU-Institutionen Recht, wenn sie die durch die Regierung eingeführte Bindung von Personalentscheidungen im Gerichtswesen an den Willen der parlamentarischen Mehrheit und des Justizministers anprangern. Es bleibe jedoch offen, ob der EU-Gerichtshof überhaupt das Recht gehabt habe, sich auf Antrag der EU-Kommission mit dem Fall zu befassen. In den EU-Traktaten könne man Fragmente zu unabhängigem Gerichtswesen finden, es fehle jedoch eine Definition der Unabhängigkeit. Seien die von dem EU-Gerichtshof angeführten Artikel der Traktate also eine ausreichende Grundlage für dessen Eingriff in Angelegenheiten, die die interne Staatsstruktur Polens betreffen, fragt Zaremba. 

Es, so der Autor, müsse auch eine zweite Frage gestellt werden: Habe die EU das Recht, Polen in diesem Zusammenhang EU-Mittel abzusprechen? Die Klage von Justizminister Zbigniew Ziobro gegen die entsprechende Entscheidung der EU-Kommission an das polnische Verfassungsgericht sei natürlich absurd, denn Ministerpräsident Mateusz Morawiecki habe den Mechanismus “Geld für Rechtsstaatlichkeit” abgesegnet. Doch die Blockade der Mittel für den polnischen Nationalen Wiederaufbaufonds sei nicht in Übereinstimmung mit den aus dem Prinzip resultierenden Regeln erfolgt (diese würden immer noch vom EU-Gerichtshof überprüft), sondern auf der Grundlage eines willkürlichen Gutdünkens von Brüsseler Beamten. Dies scheine eine Verletzung des EU-Rechts zu sein, auch wenn sie im Namen des Schutzes von EU-Standards erfolge. 

Und im Hintergrund des Konflikts, lesen wir weiter, sei da noch etwas viel Grundlegenderes. Etwas, das man nicht auf eine politische Konfrontation zwischen Warschau und Brüssel reduzieren könne. Seiner Meinung nach, sei 2021 ein Schritt in Richtung eines Wandels der EU in einen föderalen Staat erfolgt. Erstens sei dieses Ziel im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung zu finden. Zweitens sei da die Serie von Urteilen des EU-Gerichtshofs in Bezug auf Polen, die den Vorrang von EU-Recht vor nationalen Gesetzen unterstreichen. Und schließlich habe das Urteil des EU-Gerichtshofs vom 23. Dezember in Bezug auf den Konflikt zwischen rumänischen Richtern und dem rumänischen Verfassungsgericht Richtern freie Hand gegeben, nationale Gesetze zu ignorieren, falls die Verteidigung von EU-Recht im Spiel sei, so Piotr Zaremba in Dziennik/Gazeta Prawna.  

Gazeta Wyborcza: Poroschenko: “Wir werden kämpfen”

Er wisse nicht, ob Putin die Ukraine überfallen werde. Putin selbst wisse es nicht. Aber er wisse, dass er es nicht tun werde, wenn die Ukraine die Strategie eines sehr hohen Preises realisere, den Putin für einen solchen Überfall würde zahlen müssen, sagt in einem Interview mit dem Chefredakteur der linksliberalen Gazeta Wyborcza Adam Michnik der ehemalige ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko. Von kardinaler Bedeutung sei, so der Politiker, dass in der Ukraine jede Stadt und jedes Haus zu einer Festung werden. Und dass, im Falle einer Aggression, tausende Sarge aus der Ukraine nach Russland zurückkehren. Wir, so Poroschenko, seien anders, als 2014. Die Möglichkeiten der Armee seien bedeutend größer. Ebenso, wie der Patriotismus und die Bereitschaft zur Mobilisierung. 

Wenn es um internationale Unterstützung gehe, so der Politiker, sei heute zudem sowohl in den USA, als auch in der EU ein Koordinator für Sanktionen notwendig, der sich in erster Linie für die Blockade von Nord Stream 2 einsetzen sollte. Die Chancen dafür seien da, da in Deutschland eine neue Regierung ihre Arbeit begonnen habe. Auch die Haltung der EU-Kommission habe sich verändert. Es gehe hier um die Sicherheit von ganz Europa und nicht nur die der Ukraine oder Polens. Man müsse Putin die Möglichkeit der Erpressung auf dem Energiemarkt nehmen, denn am Gashandel verdiene er ein Vermögen. Seit Jahresbeginn habe Gazprom einige zig Milliarden Dollar aus den Taschen der Europäer gestohlen. 

Die USA und Europa sollten auch schneller handeln, als bisher und alles tun, damit Putin weiß, dass eine Stunde nach einem eventuellen Angriff auf die Ukraine Sanktionen eingeführt werden, die die russische Wirtschaft ruinieren. Außerdem sollte die Ukraine schon im Juni, beim NATO-Gipfel in Madrid einen Plan für die NATO-Mitgliedschaft erhalten. Und endlich Waffen kaufen können, so dass der Preis eines eventuellen Überfalls für Putin weitaus höher ausfällt, so Petro Poroschenko im Interview für die Gazeta Wyborcza.

Rzeczpospolita: Es erwartet uns ein Jahr der Einschnitte 

Fast jeder dritte Pole glaubt, dass das kommende Jahr für ihn schlechter sein wird, als das vorherige, berichtet die konservativ-liberale Rzeczpospolita unter Berufung auf eine aktuelle Studie des Meinungsforschungsinstituts ARC Rynek und des Fintech-Unternehmens Mokka. Auf die Frage, in welchen Bereichen sie am meisten sparen wollen, lesen wir, habe die Mehrheit der Befragten Ausgaben für Unterhaltung und Kultur genannt. 30 Prozent wollen Restaurantbesuche und 28 Prozent Visiten in Kinos und Theatern einschränken. Weniger wollen die Polen auch für Möbel, Kleidung, Elektronik und Lebensmittel ausgeben. Jeder vierte Pole plant schließlich, weniger für Reisen zu zahlen, so Rzeczpospolita. 

Autor: Adam de Nisau