Deutsche Redaktion

"Putin wurde in die Ecke gedrängt"

14.02.2022 12:03
Putin suche verzweifelt nach einem Element, mit dem er zeigen könne, dass er etwas erreicht habe. Erst dann könnte er sich wieder zurückziehen. Der Westen aber helfe ihm, zumindest im Moment, nicht dabei, meint der Amerika-Experte Professor Zbigniew Lewicki über die Chancen eines russischen Angriffs auf die Ukraine.
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Dziennik: Putin wurde in die Ecke gedrängt 

Das Online-Blatt Dziennik hat den Amerika-Experten Professor Zbigniew Lewicki über die Chancen eines russischen Angriffs auf die Ukraine befragt. Russlands Präsident Wladimir Putin habe mit seiner Aufrüstung, dem Akademiker nach, wahrscheinlich einige Zugeständnisse des Westens erreichen wollen. Würde er sie erhalten, könnte er den Sieg erklären und seine Truppen von der ukrainischen Grenze wieder abziehen. Da der Westen keine Zugeständnisse gemacht habe, überzeugt Lewicki, wurde er aber statt dessen gewissermaßen in die Ecke gedrängt. Ein Truppenabzug ohne jegliche Zugeständnisse wäre eine Niederlage. Dies würde nicht nur im Westen, heißt es, sondern auch in Moskau unter Putins Gefolgsleuten als Flop gewertet werden. Er könnte natürlich auch die Ukraine angreifen, fährt Lewicki fort, aber es wäre ein verrücktes Risiko. Russland würde dann nämlich mit kolossalen westliche Sanktionen rechnen müssen.

Putin, glaubt der Experte, suche verzweifelt nach einem Element, mit dem er zeigen könne, dass er etwas erreicht habe. Erst dann könnte er sich wieder zurückziehen. Der Westen aber helfe ihm, zumindest im Moment, nicht dabei. Für Lewicki sei es klar, dass der Einmarsch Russlands in der Ukraine den Westen zu einer entschlossenen Reaktion zwingen würde. Auch wenn es niemandem daran liege, vor allem Deutschland. In diesem Moment habe sich alles aber bereits so weit entwickelt, dass beide Seiten keine Möglichkeit mehr hätten, sich zurückzuziehen, lesen wir.

Professor Lewicki bestreitet des Weiteren auch, dass man die aktuellen Spannungen zwischen den USA und Russland als neuen Kalten Krieg bezeichnen dürfe. Wir hätten es eher mit verzweifelten Versuchen eines schwächeren, obwohl territorial großen Staates zu tun, der versuche einer echten Supermacht wie den Vereinigten Staaten ebenbürtig zu erscheinen, lautet die Schlussfolgerung des Experten in Dziennik.

Rzeczpospolita: Taktischer Austausch von Dienstleistungen 

Die Behauptung, der Alptraum des Westens werde wahr und eine neue strategische Allianz zwischen Russland und China entstehe vor unseren Augen, sei ein Missverständnis, schreibt der Politologe Marek A. Cichocki am Montag für das Blatt Rzeczpospolita. Die Angst vor einem solchen Szenario habe im Westen immer eine wichtige Rolle gespielt. Darauf habe man immer Argumente basiert, dass mit Russland in besonderer Weise umgegangen werden müsse und die Beziehungen nicht abgebrochen werden dürften.

Die Ankündigung einer gemeinsamen russisch-chinesischen Erklärung zur Zusammenarbeit, die anlässlich der Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Peking von Xi Jinping und Wladimir Putin unterzeichnet worden sei, habe, nach Ansicht des Autors, bei einigen westlichen Experten und Kommentatoren einen alarmistischen Ton ausgelöst. Genau eine solche Panikreaktion, überzeugt Cichocki, sollen sowohl China als auch Russland erreichen wollen. Der Inhalt des Dokuments aber zeige deutlich, so der Autor, dass die Erklärung in Peking verfasst wurde und Teil der chinesischen Rivalität gegen Amerika sei. Zum Beispiel soll darin Taiwan erwähnt werden. Auch Amerika als Hauptfeind sei klar definiert.

Was die Interessen Russlands anbelange, so werde darin die Ukraine nicht einmal erwähnt. Putins Treffen mit Xi sage auch viel über die tatsächlichen Proportionen des Bündnisses aus, heißt es weiter. Putin könnte niemals das Gefühl haben, mit Xi auf Augenhöhe zu sprechen. Chinas Anführer hingegen mache keinen Hehl daraus, dass er auf den russischen Präsidenten herabschaue. In den Beziehungen zu China werde Russland somit überraschend klein, so Cichocki.

Die Asymmetrie der Potenziale sei viel deutlicher. Russland könne seine Schwächen nur in den Beziehungen zu Europa maskieren, wo es schreie, drohe und beleidigt spiele. Erst in den Beziehungen zu Peking werde Moskau ins wahre Licht gerückt. Den Machthabern im Kreml komme dies überhaupt nicht zugute. Daher sei es ein Fehlschluss, von einer strategischen Allianz zwischen Russland und China zu sprechen, stellt Cichocki abschließend fest. Es handle sich vielmehr um einen taktischen Austausch von Dienstleistungen, lautet sein Fazit in der Rzeczpospolita am Montag.


DoRzeczy: England fern, Russland nah 

Die Allianz zwischen London, Warschau und Kiew sei eines der heißesten Themen der letzten Wochen gewesen, schreibt indes das Nachrichtenportal des Wochenblatts DoRzeczy. Der Besuch der Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki und Boris Johnson in der Ukraine habe die öffentliche Meinung elektrisiert. Man frage sich nach wie vor, ob Polen Teil eines trilateralen Verteidigungsbündnisses werde, das Russland eindämmen solle. Eine antirussische Koalition zwischen Polen und Großbritannien wäre aber ein Bündnis mit ungleich verteilten Risiken.

Viele Kommentatoren hätten diese Vision trotzdem mit Begeisterung aufgenommen. Eine westliche Macht habe Polen ein enges Bündnis angeboten! Polen sei zurück in der ersten Liga! Gemeinsam werde man diesen bösen Putin bekämpfen! Die Grundsätze des politischen Realismus und Polens tragische Erfahrung aus der Vergangenheit, verlangen aber dem Online-Blatt nach, dass man diese Euphorie bremse. Es seien vor allem Polen, die besonders vorsichtig sein sollten, wenn Großbritannien ihnen ein Bündnis anbiete, lautet zum Abschluss die Warnung in DoRzeczy.


Piotr Siemiński