NIEZALEŻNA.PL: Nettigkeiten sind keine gute Strategie
Vor dem Hintergrund des eskalierenden Russland-Ukraine-Konflikts habe Bundekanzler Olaf Scholz das Genehmigungsverfahren für die russisch-deutsche Erdgasleitung Nord-Stream-2 auf Eis gelegt, erinnert das Informationsportal Niezalezna.pl. Scholz erklärte, er habe das Bundeswirtschaftsministerium gebeten, die nötigen verwaltungsrechtlichen Schritte zu unternehmen, damit vorerst keine Zertifizierung der Gas-Pipeline erfolgen könne. Den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine nannte der Politiker einen „schwerwiegenden Völkerrechtsbruch“. Der 1230 Kilometer lange Doppelstrang von Russland durch die Ostsee nach Deutschland ist zwar fertiggestellt, es fließt bislang aber noch kein Erdgas durch die Pipeline. Dennoch hätten die früheren Aggressionsakte des russischen Präsidenten die deutschen Regierunen davon nicht abgelenkt, den Ausbau des Rohres zu stoppen, erinnert niezależna.pl.
Im Kontext der Ukraine-Krise ziehe nun der langjährige außenpolitische Berater von Kanzlerin Angela Merkel und künftige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz Christoph Heusgen eine gemischte Bilanz der deutschen Russlandpolitik, lesen wir weiter. Es sei richtig gewesen und es bleibe richtig, Gesprächskanäle offenzuhalten. Aber sie seien zu gutgläubig gewesen. Sie hätten Putins Brutalität und Skrupellosigkeit immer unterschätzt, sagt Heusgen. Wer den Oppositionsführer vergiften lasse, wer im Tiergarten einen Gegner umbringen lasse, wer den Massenmörder Assad in Syrien unterstütze und russische Söldner in Afrika ihr Unwesen treiben lasse, der scheue auch nicht davor zurück, seinen Nachbarn zu überfallen. Nettigkeiten seien als Reaktion fehl am Platz, zitiert Niezalezna.pl den langjährigen Berater der Bundeskanzlerin, Christoph Heusgen.
DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Gute Basis für eine Kooperation, aber …
Nach ihrem Warschau-Besuch sehe Bundesumweltministerin Steffi Lemke eine gute Basis für die Umweltschutz-Zusammenarbeit mit Polen, schreibt die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna, die das Treffen der deutschen Politikerin mit ihrer polnischen Amtskollegin in der polnischen Hauptstadt zusammenfasst. Deutschland und Polen könnten nach drei Jahrzehnten erfolgreicher Zusammenarbeit auf bewährten Strukturen aufbauen, sagte die Grünen-Politikerin bei einer Pressekonferenz mit ihrer polnischen Amtskollegin Anna Moskwa in Warschau.
Es gebe aber auch Themen, bei denen Deutschland und Polen unterschiedliche Auffassungen und Ziele hätten, schreibt das Blatt weiter. Es handle sich konkret um die Atomkraft. Im Gegensatz zu Deutschland, das 2022 endgültig aus der Atomkraft aussteigen wolle, plane Polen einen massiven Einstieg in die Atomenergie. Bislang stehe hierzulande noch kein einziges AKW. Zwei favorisierte Standorte für den Bau solcher Kraftwerke würden sich in der Nähe der Ostsee befinden. Spätestens 2026 soll der Bau des ersten Reaktorblocks beginnen. Dieser soll 2033 ans Netz gehen, danach sollen weitere fünf Reaktorblöcke folgen. Die Atomkraftwerke sollen Polen auch beim Ausstieg aus der Kohle helfen, lesen wir in Dziennik/Gazeta Prawna.
TYGODNIK POWSZECHNY: Außenpolitische Vorteile der Krise
Seit Jahren hätten Polen und die baltischen Staaten versucht, den westlichen Teil der Europäischen Union auf die Gefahren, die jenseits der östlichen Grenze lauern würden, aufmerksam zu machen, stellt in der neuen Ausgabe die Wochenzeitschrift Tygodnik Powszchny fest. Meistens seien diese Bemühungen ohne jegliche Erfolge geblieben. Ein krasses Beispiel dafür sei der Ausbau und die Fertigstellung der Gaspipeline Nord Stream 2. Der Westen habe auch passiv der fortschreitenden Aufrüstung der russischen Armee zugeschaut. Und nun würden auf dem Territorium des allmählich seine Unabhängigkeit verlierenden Belarus russische Elite-Einheiten stationieren, die dorthin von der chinesischen Grenze versetzt worden seien. Die Entwicklungen der letzten Wochen und Monate würden den Westen plötzlich erschrecken. Auf der anderen Seite vollbringe sich endlich ein mentaler Wandel und sogar jene Staaten, die sich konsequent für einen milden Umgang mit Russland eingesetzt hätten – wie Deutschland oder Frankreich – würden nun ihre Rhetorik ändern.
Dieser Wandel sei auch ein Chance für die polnische Außenpolitik. Seit der Krise an der polnisch-belarussischen Grenz bleibe Polen im Augenmerk der europäischen Öffentlichkeit. Man sehe endlich die anderthalb Million Ukrainer, die sich gut in die polnische Gesellschaft integriert hätten. Man wisse auch zu schätzen, dass Polen bereit sei, eine weitere Million Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Die Amerikaner würden weitere Soldaten nach Polen schicken und vergessene politische Formate, wie der Weimarer Dreieck, würden wieder an Bedeutung gewinnen. All dies sei eine konkrete Veränderung und ein bemerkbarer Wandel der Stellung Polens in den internationalen Beziehungen. Daraus könnte Polen in den kommenden Jahren weise schöpfen, egal, wer gerade in Warschau an der Macht sein werde, lesen wir in der Tageszeitung Tygodnik Powszechny.
Autor: Jakub Kukla