Deutsche Redaktion

Drei Szenarien für eine Zukunft nach Putin

07.03.2022 12:17
Falls Polen von Raketenangriffen bedroht sein sollte, haben die USA die Möglichkeit, strategische Ziele zu schützen, sagt im Gespräch mit der Rzeczpospolita der neue US-Botschafter in Warschau Marek Brzezinski. Und: Ein eventueller Putsch in Russland - über den in den letzten Tagen oft phantasiert wird - müsse leider weder ein Ende des Kriegs in der Ukraine, noch unserer Probleme mit Russland bedeuten, schreibt in seiner Wochenendausgabe das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. 
Wiceszef MSZ Marcin Przydacz podkreślił, że tylko kolejne sankcje mogą wywrzeć presję na Kreml
Wiceszef MSZ Marcin Przydacz podkreślił, że tylko kolejne sankcje mogą wywrzeć presję na KremlShutterstock/Marco Iacobucci Epp

Rzeczpospolita: Putin wird diesen Krieg verlieren

Falls Polen von Raketenangriffen bedroht sein sollte, haben die USA die Möglichkeit, strategische Ziele an der Weichsel zu schützen, sagt im Gespräch mit der Rzeczpospolita der neue US-Botschafter in Warschau Marek Brzezinski. Die NATO, so Brzezinski, sei ein Pakt, der das Prinzip, laut dem der Angriff auf einen Mitgliedstaat der Angriff auf alle sei, absolut ernst nimmt. Ein Nuklearangriff, so Brzezinski, würde als die radikalste Form einer solchen Attacke behandelt werden. Die USA hätten die Welt schon vor dem Krieg vor der Invasion auf die Ukraine gewarnt und würden auch jetzt alle Varianten, darunter auch die schwärzesten analysieren. Er könne nicht über die Details sprechen, aber die USA seien auch auf die Verteidigung von strategischen Zielen gegen eventuelle Angriffe dieser Art auf Polen vorbereitet. Gleichzeitig würde Washington alles tun, damit weder Polen noch die USA in einen direkten Konflikt mit Russland verwickelt werden. Er setze sich zudem dafür ein, dass die amerikanische Gesellschaft von der Hilfsbereitschaft der Polen gegenüber den Flüchtlingen aus der Ukraine informiert wird. Schließlich sei er überzeugt, dass Putin sich als ineffektiver Anführer erwiesen habe und den Krieg daher verlieren werde. Putin habe unterschätzt, dass die Russen ins Ausland reisen, ihre Kinder auf ausländischen Hochschulen ausbilden und Teil der internationalen Gemeinschaft sein wollen. Putin würde ihnen all dies im Namen einer nebulösen Vision des Wiederaufbaus des Sowjet-Imperiums nehmen. Damit habe er sich selbst die Hände gebunden, so Brzezinski im Interview für die Rzeczpospolita. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Ein Putsch gegen Putin muss nicht das Ende des Kriegs bedeuten

Ein eventueller Putsch in Russland - über den in den letzten Tagen oft phantasiert wird - müsse leider weder ein Ende des Kriegs in der Ukraine, noch unserer Probleme mit Russland bedeuten, schreibt in seiner Wochenendausgabe das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Und zeichnet drei mögliche Szenarien für eine Zeit nach Putin auf. 

Die erste Variante, die man als “begrenzt” bezeichnen könne, so das Blatt, sei ein Umsturz, der innerhalb des engen Umfelds von Putin stattfinden würde, das manchmal auch als “Kollektiv-Putin” bezeichnet wird. Dann würde sich nicht der Inhalt, sondern nur die Form der russischen Politik ändern. Anders gesagt: neues Gesicht und neue Methoden für neue Zeiten. Frontman würde ein relativ schwacher, dafür möglichst wenig kompromittierter Politiker werden. Nur, um einen Weg aus der tiefen Krise in den Beziehungen mit dem Westen zu finden, einen Verzicht oder wenigstens eine Aussetzung der schmerzhaftesten Sanktionen zu ermöglichen. Die wahren personellen Entscheidungen würden in einer solchen Variante erst später stattfinden, wenn die russischen Machthaber sich wieder etwas sicherer im Sattel fühlen und die Spielregeln sich normalisieren oder wenigstens vorhersehbarer werden. Für die Ukraine würde das eine Einfrierung des Konflikts bedeuten, allerdings mit einer Perspektive der Änderung seiner Rahmenbedingungen - es könnte beispielsweise eine schnellere Integration mit der EU, vielleicht auch eine Institutionalisierung der Beziehungen mit der NATO ins Spiel kommen. Für den Westen würde diese Variante eine mittelfristige, schrittweise Rückkehr zu “Business as usual” bedeuten. Die westlichen Staaten würde versuchen, die Sanktionen so abzuwägen, dass Moskau sein wirtschaftliches Potential nicht wieder aufbauen kann, aber auch nicht vollständig in die Hände Chinas abdriftet. Es wäre also eine Rückkehr zur Situation von vor dem Angriff auf die Ukraine, mit gewissen Korrekturen. Weit vom Ideal entfernt, aber wenigstens mit weitaus geringerem Risiko einer blutigen Eskalation, so das Blatt.

Die zweite Variante, die man “optimistisch” nennen könne, lesen wir weiter, wäre eine Ersetzung Putins durch jemanden, der einen realen Plan für eine tatsächliche Normalisierung der Beziehungen mit dem Westen habe. Grundlage dafür könnte nur der Rückzug von russischen Truppen aus der ganzen Ukraine sein, auch aus den 2014 annektierten Gebieten. Wenn Moskau sich glaubhaft von den vorherigen Praktiken distanzieren würde, würde vielleicht auch eine Verschiebung des EU- und NATO-Beitritts der Ukraine in Frage kommen. Auch Finnland und Schweden könnten sich entscheiden, zu einer Politik der Neutralität zurückkehren. Das wäre eine win-win-Situation für alle Seiten. Der Reset würde sich über längere Zeit hinziehen, wäre aber vorstellbar. Leider sei dieses Szenario jedoch auch relativ unwahrscheinlich. Nichts deute darauf hin, dass die politische Elite Russlands bereit ist, ihre Denkweise über die internationalen Beziehungen, Sicherheit und den Platz Russlands in der Welt zu ändern. 

Schließlich gebe es auch eine dritte Variante, die eine weitere Eskalation nach sich ziehen würde. Diese würde in der Ersetzung von Putin durch jemanden bestehen, der dieselben Ziele verfolge (also die Eroberung der Ukraine, die Destabilisierung der NATO-Ostflanke, die Spaltung der EU und der Rauswurf der USA aus der direkten Nachbarschaft Russlands), nur eben effektiver, als Putin. Denn vieles deute darauf hin, dass sich die russische politische Elite bewusst ist, dass Putin einfach versagt hat. Er habe sich zu sehr an Ruhm und Glanz gewöhnt, sich mit einem loyalen Hof umgeben und begonnen, an die eigene Propaganda zu glauben. Und das sei das Schlimmste, was ein Anführer tun könne, der in den Krieg ziehe. Er habe in dem Ringen mit dem Westen zu hoch gepokert, dessen Determination und die Änderungen in der Ukraine in den letzten Jahren unterschätzt und zugelassen, dass sich die russische Armee vor den Augen der ganzen Welt kompromittiert. Und Russland noch stärker von China abhängig wird. Der natürliche Instinkt der Hardliner in der Armee werde sein, die Taktik zu ändern, den Anführer auszuwechseln, um Zeit zu kaufen und wenig später mit viel größerer Determination zuzuschlagen. Auch wenn Russland einen solchen Krieg letztendlich vermutlich verlieren werde, werde bis dahin ein Meer von Blut vergossen, von der Skala der Zerstörung ganz zu schweigen. Dieses Szenario werde umso unwahrscheinlicher sein, je länger sich der Konflikt in der Ukraine in die Länge ziehe, je mehr Soldaten Russland verliere und je stärker dadurch der Kampfgeist in der Armee sinke, beobachtet Dziennik/Gazeta Prawna.

Indes beobachte China den Konflikt sehr aufmerksam. Für Peking sei die Ukraine ein Reagenzglas, sowohl für die militärischen Fähigkeiten der Russen, die es nun vermutlich als nicht sehr hoch einschätze, als auch für die Reaktion des Westens auf eine militärische Aggression. Vielleicht kaufe die entschiedene Haltung der westlichen Staaten, aber auch Japans dem Taiwan noch ein paar Jahre Ruhe. Wir müssen uns jedoch bewusst sein, dass der chinesische Drache die Situation genauestens analysiert, unter anderem um die Fehler des russischen Bären nicht zu wiederholen, so Dziennik/Gazeta Prawna. 

Autor: Adam de Nisau