Rzeczpospolita: Berlins Politik wie ein Pendel, von Mauer zu Mauer
Die Rzeczpospolita schreibt am Donnerstag, dass seit dem Erdbeben in der deutschen Politik erst ein Monat vergangen sei. Das Blatt erinnert, Bundeskanzler Olaf Scholz habe erklärt, den zweiten Abschnitt der Ostsee-Gasleitung Nord Stream einzufrieren. Auch gegenüber Wladimir Putins Moskau habe es eine völlige Umkehrung der bisherigen Politik gegeben. Man würde derzeit Pläne zur Unabhängigkeit von russischem Öl und Gas diskutieren. Es sei sogar die Rede von einem kompletten Embargo gegen russische Lieferungen. Deutschland, heißt es, revolutioniere seine Politik immer wieder aufs Neue. Neuerdings auch in der Verteidigung, die Polens westlichen Nachbarn zu einer europäischen Supermacht aufsteigen lassen werde.
Gleichzeitig erwäge Scholz ein deutsches Raketenschild, das auch den östlichen Teil Europas abdecken würde. Dies solle der deutsche Beitrag zur Verteidigung des Kontinents sein. Zwei Milliarden Euro für diesen Zweck seien angesichts des gigantischen neuen deutschen Verteidigungshaushalts kein Problem.
Dies sei eine weitere tektonische Verschiebungen in der deutschen Sicherheitspolitik, die die Bedrohungen aus dem Osten bislang nicht berücksichtigt habe. Die Kosten, die einst wichtig waren, fährt das Blatt fort, seien heute für Berlin nicht mehr von Bedeutung. Wenige Tage nach Beginn der russischen Invasion habe Bundeskanzler Scholz die Einrichtung eines Sonderfonds für die Verteidigung in Höhe von 100 Milliarden Euro sowie eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 2 Prozent des BIP angekündigt. So werde Deutschland bald nicht nur die größte Wirtschaftsmacht, sondern auch die größte moderne Militärmacht des Kontinents sein. Mit einer Flotte von F-35-Kampfjets, hervorragenden Panzern aus eigener Produktion und ausländischen Raketensystemen. Ganz zu schweigen vom Zugang zu Atomwaffen im Rahmen der Nuklearen Teilhabe im Rahmen der NATO-Abschreckungspolitik.
Die wichtigsten politischen Kräfte in Deutschland sollen fest hinter der Idee stehen, die Bundeswehr schnell wieder aufzurüsten. Dies sei das Werk von Wladimir Putin, so das Blatt, der den deutschen Politikern die Fähigkeit zur Analyse anstelle von Wunschvorstellungen zurückgegeben habe. Die Frage bleibe, ob es sich um einen unumkehrbaren Wandel handle, um gesunden Menschenverstand oder vielleicht nur Emotionen, die durch die russische Aggression ausgelöst wurden.
Dziennik/ Gazeta Prawna: Präsentiert das Gewehr!
Jeder Absolvent einer Mittelschule soll sowohl mit der kurzen als auch mit der langen Waffe schießen können. Das sehe der Plan des Verteidigungsministeriums vor, berichtet indes "Dziennik Gazeta Prawna" (DGP). Das Verteidigungsministerium soll demnach vor allem bei jungen Menschen militärische Fähigkeiten entwickeln wollen. In jeder Woiwodschaft, lesen wir, sollen zu diesem Zweck Ausbildungszentren zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit eingerichtet werden. Gegenwärtig handle es sich hierbei vorerst um eine Idee des Verteidigungsministeriums, die noch auf politischer Ebene vereinbart werden müsse. Solche Zentren sollten vor allem Schulen und NGOs offen stehen und aus dem Haushalt der Territorialen Verteidigungskräfte (WOT) finanziert werden.
Außerdem, soll der stellvertretende Verteidigungsminister gegenüber DGP erklärt haben, sollen alle Schüler im Rahmen eines Verteidigungsunterrichts ab September ein Schießtraining absolvieren. Neben den Ausbildungszentren, wolle die Regierung auch den Bau von Schießständen beschleunigen. Bislang gebe es nur 48 Schießplätze für über 300 Bezirke landesweit.
Wie die Zeitung weiter schreibt, gebe es auf verschiedenen Seiten der politischen Szene Ideen für eine Ausweitung der militärischen Ausbildung. Die Opposition habe vor kurzem vorgeschlagen, dass jeder Mann mit Vollendung des 18. Lebensjahres eine einmonatige militärische Pflichtausbildung absolvieren sollte. Frauen sollten dies freiwillig tun dürfen. Die Vorschläge, heißt es, seien Teil der Pläne zur Aufstockung der Armee. Zusammen mit den Territorialen Verteidigungskräften (WOT) soll sie 300 000 Soldaten zählen. Allerdings würden bislang weder die Regierungspartei noch die Opposition an die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht denken, heißt es am Schluss in Dziennik/Gazeta Prawna.
DoRzeczy: Russische Propaganda erklärt bereits, dass Polen bestraft werden muss
Polnische Medien befassen sich am Donnerstag auch mit dem Interview des russischen Ex-Oligarchen Michail Chodorkowski für Die Zeit und "Le Fiagro". Das rechts-konservative Wochenblatt "DoRzeczy" schreibt somit über Chodorkowskis These, dass Putin sich im Krieg mit der NATO und den USA befinde. Russlands Machthaber versuche, das russische Imperium am Ende seines Lebens wieder aufzubauen, heißt es.
Wenn Macron oder Scholz zu betonen versuchen, dass sie sich nicht im Krieg mit Russland befinden, überzeuge der ehemalige Jukos-Chef, zucke Putin nur mit den Schultern und denke genau das Gegenteil. Für ihn sei Frankreich kein demokratisches Land und Macron vertrete nur Minderheiten. Putin hingegen glaube, er repräsentiere die Mehrheit und Russland sei eine echte Demokratie. Das, so Chodorkowski, sei "die russische Version des Faschismus".
Der russische Milliardär plädiere auch für mehr NATO-Unterstützung für die Ukraine. Seiner Meinung nach müsse Europa entscheiden, ob es psychologisch zum Kampf bereit sei. Nur in diesem Fall sei es sinnvoll, lesen wir, Geld für die Armee auszugeben. Sonst sei es, dem russischen Oppositionellen nach, weggeworfenes Geld. Chodorkowski glaube darüber hinaus, Putin frage sich, ob die NATO ihre Einheit bewahren werde, wenn er die Grenze zu Polen oder den baltischen Staaten überschreite. Würde das Bündnis intervenieren?
Putin, lesen wir weiter, habe den Charakter eines Verbrechers. Und das schon seit Beginn seiner Karriere. Wenn er Widerstand spüre, gehe er einen Schritt zurück. Ohne Widerstand gehe er einfach vorwärts, glaube Chodorkowski und füge hinzu, dass Putin nur allzu gut wisse, wie man seine Gegner täusche.
Auf die Frage nach einem möglichen Sieg Moskaus in der Ukraine behaupte Chodorkowski, Putins nächster Krieg werde ein NATO-Land betreffen. Er könnte Polen bombardieren oder seine Truppen in ein baltisches Land einmarschieren lassen. Die Propaganda des Kremls soll ihm nach die russische Öffentlichkeit bereits darauf vorbereiten. Sie soll erklären, dass ein Landkorridor für Kaliningrad notwendig sei oder dass Polen für seine Haltung einfach bestraft werden müsse.
Piotr Siemiński