Rzeczposplita: Putins fundamentaler Fehler
Die Worte der engsten Mitarbeiterin von Altkanzlerin Angela Merkel und Chefin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, welche die Entscheidung von Gazprom ein "inakzeptables Erpressungsinstrument" nannte, schreibt Jędrzej Bielecki, hätten ein großes Gewicht. Sie würden ein völliges Umdenken nicht nur der EU, sondern vor allem Deutschlands über die Energiepartnerschaft mit Russland bedeuten.
Seit den 1970er Jahren basierte diese "Romanze", so der Autor, auf dem Import billiger russischer Energie im Austausch gegen einen immer größeren Strom deutscher Industriegüter und Investitionen. Dieses Modell habe sich als vorteilhaft für beide Seiten erwiesen. Es sei weder durch die sowjetische Invasion in Afghanistan, die Verhängung des Kriegsrechts in Polen und später durch den russischen Einmarsch in Georgien noch die Annexion der Krim nicht unterbrochen worden. Deutschland habe stets versichert, lesen wir, dass sich weitere westliche Sanktionen nicht auf russische Gasimporte erstrecken würden. Der Kreml seinerseits, dass er selbst inmitten des schlimmsten wirtschaftlichen Zusammenbruchs Russlands die Verträge weiterhin erfüllen würde.
Der Vertragsbruch von Gazprom mit Polen und Bulgarien, fährt das Blatt fort, habe Berlin allerdings gezeigt, dass Russland kein verlässlicher Lieferant mehr sei.
Es sei eine absolute Tragödie für Russland, so der Autor weiter. Putins korrupte Clique habe es im Gegensatz zu den Golf-Monarchien über all die Jahre nicht geschafft, seine Wirtschaft so weit zu modernisieren, dass es über alternative Geldquellen zum Export von Energieressourcen verfüge. Lieferungen nach China oder Indien, heißt es, könnten kein Ersatz für Europa sein. Russland spiele deshalb schon jetzt in einer anderen Liga als Polen, was den Lebensstandard angehe. Allein durch das Öl- und Gasembargo in diesem Jahr würde das Pro-Kopf-Einkommen des Landes um weitere 15 Prozent auf das Niveau von Argentinien und Mexiko sinken. Und dies wäre nur der Anfang eines dauerhaften Niedergangs Moskaus, lautet Bieleckis Schlussfolgerung in der Rzeczpospolita.
Onet.pl: Westen könnte in eine Krise geraten. Russland könnte bankrottgehen
Alles deute darauf hin, dass Moskau nicht nur die Lieferungen an Polen gestoppt hat, sondern vielmehr die gesamten Lieferungen in den Westen über die Jamal-Leitung, schreibt das Nachrichtenportal Onet. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern befinde sich Polen allerdings in einer guten Situation. Das Problem bleibe, dass der Gas-Lieferstopp zu einem sprunghaften Anstieg der Gaspreise führen werde. Nach Ansicht des Energiemarkt-Experten Piotr Maciążek werden die Gaspreise "verrückt spielen". Wie Maciążek im Gespräch mit Onet behaupte, werde Polen aber das Gas nicht ausgehen. Warschau habe einen Rekord-hohen Füllstand seiner Gastanks. Außerdem werde im Mai eine Verbindung mit Litauen in Betrieb genommen, die die Einfuhr von LNG ermöglicht. Im September wiederum werde die Baltic Pipe Gas aus Norwegen pumpen und im November ihre maximale Kapazität erreichen. Aus all diesen Gründen, so der Experte, befinde sich Polen im Gegensatz zu vielen anderen Ländern - allen voran Deutschland - in einer guten Lage.
Sollte Russland jedoch beschließen, die Lieferungen über die Nord Stream ebenfalls einzustellen, heißt es, würden sich die Auswirkungen aber nicht nur auf einen Preisanstieg beschränken. Im Gegensatz zu Polen würde Deutschland einfach kein Gas mehr zur Verfügung stehen, so Maciążek, was gigantische wirtschaftliche Probleme verursachen würde. Das Problem sei nicht nur die fehlende Infrastruktur, die es Deutschland ermöglichen würde, zusätzliche Gasmengen anzuziehen, sondern auch die Tatsache, dass es auf dem globalen Markt derzeit einfach kein freies Gas gebe.
Gazproms Schritt habe in der Tat bestätigt, was Polen schon seit Jahren sage und was Deutschland nicht akzeptiert habe, lesen wir auf Onet. Darüber hinaus habe Russland selbst dies oftmals direkt erklärt. Moskau betrachte die Versorgung mit Energierohstoffen als Instrument der Politik, und wenn die Politik zum Krieg werde, würden die Rohstoffe zu einem Element der Kriegsführung. Aus rein wirtschaftlicher Sicht begehe Gazprom Selbstmord, soll Maciążek behaupten, indem es das Gas abstellt. Andererseits sei das Vorgehen von Russlands Gasriesen einigermaßen logisch: Moskau greife zur letzten Waffe, die es noch in seinem Arsenal habe, so der Experte.
Piotr Siemiński