Deutsche Redaktion

„"Ja" für Zugeständnisse an die EU-Kommission"

19.12.2022 13:02
Zwei Drittel der Polen untestützen die Verabschiedung der Gesetzesnovelle, die den Weg zur Auszahlung der Mittel aus dem Wiederaufbaufonds ebnen soll. Bei der Bearbeitung der Novelle sind jedoch neue Hürden aufgetaucht. Und: Trotz der Angriffe des PiS-Chefs auf Deutschland, häufen sich in letzter Zeit auch Lichtblicke im Verhältnis zwischen Warschau und Berlin.
Elżbieta Zielińska o KPO: jesteśmy w stanie zakończyć ten spór.
Elżbieta Zielińska o KPO: jesteśmy w stanie zakończyć ten spór.shutterstock/Alexandros Michailidis

Dziennik/Gazeta Prawna: “Ja” für Zugeständnisse an die EU-Kommission

Das Schicksal der Mittel aus dem Wiederaufbaufonds für Polen bleibt eines der führenden Themen in der Presse. Zwei Drittel der Polen würden die Verabschiedung der Gesetzesnovelle, die den Weg zur Auszahlung der Mittel aus dem Wiederaufbaufonds ebnen soll unterstützen, berichtet unter Berufung auf eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts United Surveys das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Dagegen seien 19 Prozent der Befragten, etwa 15 Prozent haben zu dem Thema keine Meinung. 

Gleichzeitig, lesen wir, seien bei der Bearbeitung der Novelle neue Hürden aufgetaucht. Staatspräsident Andrzej Duda etwa habe betont, dass er keine Lösungen absegnen werde, die schon vorgenommene Ernennungen von Richtern anfechten könnten. Nach dem Auftritt des Staatspräsidenten habe die Regierungspartei PiS die Arbeiten an dem Gesetz, das ursprünglich schon morgen verabschiedet werden sollte, abgebremst. Auch PiS-Chef Kaczyński habe in einem aktuellen Interview für die regierungsnahe Gazeta Polska eingeräumt, dass die Einführung der Novelle für die Justiz, aber auch für den Staatsapparat destruktiv sein könnte. Es sei nicht klar, was dies für das Projekt bedeute. Die Opposition werde indes vermutlich ein Paket von Korrekturen vorschlagen, schreibt Dziennik/Gazeta Prawna. 

Rzeczpospolita: Kompromiss oder Blockade

Geht es nach der konservativ-liberalen Rzeczpospolita, wolle die Regierung die Gesetzesnovelle zum Gerichtswesen nun spätestens ab dem 11. Januar im Sejm bearbeiten. Auch die Skala der Änderungen werde sich, laut dem Blatt, voraussichtlich in Grenzen halten und auf Bereiche beschränken, die mit den Kompetenzen des Staatspräsidenten zusammenhängen, um eventuelle Zweifel des Präsidentenpalastes zu adressieren. Die Novelle als Ganzes dürfe jedoch, wie Gesprächspartner aus Regierungskreisen überzeugen, keinen weitreichenden Modifikationen unterzogen werden. Denn das würde das in den letzten Monaten mit der EU-Kommission ausgearbeitete Abkommen zerstören. Auch die Unterstützung von PiS-Chef Kaczyński für das Gesetz scheine, trotz der kritischen Worte im Gespräch mit der Gazeta Polska, nicht gefährdet zu sein. EU-Minister Szymon Szynkowski vel Sęk soll bei seinen Verhandlungen mit Brüssel freie Hand von Kaczyński und Morawiecki erhalten haben. Dank den Mitteln aus dem Wiederaufbaufonds wolle die PiS unter anderem die hohen Ausgaben für die Verteidigung aufrechterhalten. “Der Streit mit der EU-Kommission muss beendet werden, denn der wahre Konflikt spielt sich heute östlich von Polen ab”, habe dazu am Wochenende Premierminister Mateusz Morawiecki in den sozialen Medien geschrieben, erinnert Rzeczpospolita. 

Rzeczpospolita: Polen spielt doch mit Deutschland

Die Rzeczpospolita berichtet in der heutigen Ausgabe auch über Lichtblicke im Verhältnis zwischen Polen und Deutschland. Obwohl PiS-Chef Kaczyński bei seinen Treffen mit Wählern gerne den westlichen Nachbarn angreift, lesen wir, hätten sich Warschau und Berlin in letzter Zeit in überraschend vielen Bereichen verständigt. Seit Ende November habe es mindestens fünf solcher Lichtblicke gegeben, die den bisher dicht bewölkten “Beziehungshimmel” über der Oder durchbohrt hätten. So habe die Regierung in Warschau nach zahlreichen Turbulenzen vor allem der Stationierung von deutschen Patriots in Polen zugestimmt. Bis zu 600 Soldaten der Bundeswehr könnten bei der Bedienung der Systeme auf polnischem Staatsgebiet dienen. In der Delegation für das Treffen zwischen Staatspräsident Andrzej Duda und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sei auch EU-Minister Szymon Szynkowski vel Sęk gewesen, der einen Tag später, gemeinsam mit Premierminister Mateusz Morawiecki in Brüssel die Bedingungen für die Auszahlung der Mittel aus dem Wiederaufbaufonds bestätigt habe. Dies könne man als Signal für das Engagement Deutschlands in die Lösung des Streits um die Rechtsstaatlichkeit lesen. Gleichzeitig habe Mercedes eine Mega-Investition (in Höhe von 1,3 Milliarden Euro) in den Bau einer Fabrik von Elektro-LKW’s in Jawor angekündigt. Es sei ein Zeichen des Vertrauens des großen Business von jenseits der Oder in die Zukunft Polens, trotz der Zweifel um die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. 

Schließlich seien auch, wie aus Informationen des Blattes hervorgehe, Gespräche zwischen Orlen und den Eigentümer-Unternehmen der Raffinerie in Schwedt über eine eventuelle Übernahme des Betriebs im Gange, der Treibstoffe für die deutsche Hauptstadt und Umgebung sichere. Das würde einen präzedenzlosen Einstieg von polnischem Kapital in den deutschen Markt und damit einen Schritt in Richtung ausgewogener Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern bedeuten. 

Woher die vielen positiven Signale? Experten würden einerseits auf die riesigen wirtschaftlichen und politischen Interessen aufmerksam machen, die beide Staaten verbinden. Andererseits würden die Attacken von PiS-Chef Kaczyński auf Deutschland auch nicht die erhoffte Wirkung in den Umfragen nach sich ziehen, was die Regierungspartei zu einem Strategiewechsel bewegen könnte. Im Hintergrund seien auch die Amerikaner, die sich schon in den Gesprächen mit Polens Außenminister Zbigniew Rau im September irritiert über die Spannungen zwischen den beiden NATO-Verbündeten Deutschland und Polen gezeigt hätten. Die Appelle der US-Diplomaten hätten auch zum Ende des Konflikts um die deutschen Patriots beigetragen, so Rzeczpospolita.

Autor: Adam de Nisau