Rzeczpospolita: Jede Stimme (für die regierende Partei) zählt
Die von der PiS vorgeschlagenen Änderungen des Wahlgesetzes sind sehr gut. Man müsse allerdings hinzufügen, dass sie nur für die PiS sehr gut sind, schreibt in seinem Kommentar zu dem Projekt der Publizist der konservativ-liberalen Rzeczpospolita Michał Szułdrzyński. Für die meisten der vorgeschlagenen Änderungen, so der Autor, könne man lobenswerte Gründe anführen. Denn während die Regierungspartei kritisiert werde, die liberale Demokratie zu untergraben, schlage sie nun plötzlich prodemokratische Änderungen vor, dank denen Wähler leichter ihre Stimme abgeben können, dank denen de facto also auch die Wahlfrequenz erhöht werden könne. Mit diesem Vorschlag würde die Regierungspartei der Opposition allerdings eine Falle stellen. Denn welcher Politiker könne nun behaupten, dass kostenloser Transport zu Wahllokalen für Senioren etwas Schlechtes sei? Oder die Schaffung von neuen Wahlkommissionen in Ortschaften, von denen es bisher bis zum nächsten Wahllokal ein weiter Weg gewesen sei? Mit einem Wort: Wie könne man gegen Lösungen sein, die das Wählen erleichtern?
Nun sehe es aber gleichzeitig danach aus, dass - natürlich ganz zufällig - von all diesen Änderungen die Regierungspartei profitieren wird. Denn die PiS sei nicht an einer Anhebung der Wahlfrequenz in den Städten interessiert, wo potentielle Wähler der Opposition wohnen. Oder unter den jüngsten Wählern, sondern eben in kleinen Ortschaften, in denen sie auf höhere Zustimmung zählen könne. Das Gleiche gelte für den kostenlosen Transport für Senioren - auch in dieser Gruppe könne die Recht und Gerechtigkeit überdurchschnittlich viele Stimmen erhalten. In einem Exit Poll von 2019 habe die Regierungspartei bei den Wählern über 60 fast 56 Prozent der Stimmen erhalten. Bei den unter 30-Jährigen seien es dagegen nur 26 Prozent gewesen. In Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern habe die PiS 27 Prozent der Stimmen erhalten. In den ländlichen Gebieten über 56 Prozent. Schließlich hätten die Partei von Jarosław Kaczyński vor drei Jahren 57 Prozent der Rentner und Pensionäre und fast 68 Prozent der Landwirte unterstützt.
Die Tatsache, dass die Regierungspartei zehn Monate vor den Parlamentswahlen beschlossen habe, das Wahlgesetz zu ändern, zeige, wie sehr sie sich vor der Note fürchte,
die ihr die Wähler im kommenden Herbst ausstellen könnten. Und da es ihr schwer falle, Projekte durchzuführen, die die Situation der Allgemeinheit verbessern, tue sie eben alles, um sicherzustellen, dass zumindest keine potenzielle Stimme ihrer Kernwähler verschwendet wird, so Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita.
Gazeta Wyborcza: PiS bereitet sich für Wahlen vor
Wie der Publizist der linksliberalen Gazeta Wyborcza, Roman Imielski betont, habe die Regierungspartei zudem im Vorfeld des Gesetzesvorstoßes auch einen soliden Anreiz für die betroffenen Wählergruppen vorbereitet. Mitte Dezember, erinnert Imielski, sei auf der so genannten Versammlung der polnischen ländlichen Gebiete ein neues Programm für den ländlichen Raum angekündigt worden. Dazu würde unter anderem dieTilgung von Zinsen für Darlehen für Landwirte gehören, die das Kapital zurückgezahlt hätten, eine Aufwertung von Renten aus dem Sozialversicherungsfonds für die Landwirtschaft (KRUS) in gleicher Höhe wie für andere Bevölkerungsgruppen sowie eine Erhöhung des steuerfreien Betrags im Detailhandel von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Außerdem seien auch kostenlose Stände für Landwirte auf Bauernmärkten, mehr Subventionen für ländliche Hausfrauenvereine, eine Erhöhung der Subventionen für landwirtschaftliche Brennstoffe um 20 Prozent und vieles mehr in Aussicht gestellt worden.
Erst im Anschluss an die Vorstellung des Programms, so der Autor, sei dann im Sejm, kurz vor Weihnachten, die lang erwartete Änderung des Wahlgesetzes vorgestellt worden, mit der die Regierungspartei - unter dem Deckmantel frequenzfördernder Maßnahmen - die Zahl der aktiven Wähler in den mit ihr symphatisierenden Gruppen erhöhen wolle. Eventuelle härtere Mittel, wie eine Änderung der Wahlkreisgrenzen etwa, würden sich die Regierenden wohl für später aufheben. In den letzten sieben Jahren habe das Regierungslager die Diskrimienierung älterer Wähler nicht gesehen und winzige Wahlkreise nicht gebraucht, da es in den Umfragen vorne lag. Wenn die Angst vor einer Wahlniederlage stärker werde, würde nun das Herumstochern in den Vorschriften beginnen, so Roman Imielski in der Gazeta Wyborcza.
Rzeczpospolita: Mehrheit der Polen hält Beziehungen mit Deutschland für korrekt oder gut
Noch ein deutsch-polnisches Thema aus der Rzeczpospolita. Die meisten Polen würden die deutsch-polnischen Beziehungen als korrekt oder gut bezeichnen, berichtet das Blatt unter Berufung auf eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstitus IBRiS. Als schlecht würden die Beziehung zu Polens westlichem Nachbarn 28,7 Prozent der Befragten bewerten, als weder gut noch schlecht - 53,7 Prozent, und als gut - 16,9 Prozent. Der Rest der Umfrageteilnehmer habe zu dem Thema keine Meinung.
Er, so Publizist und ehemaliger Mitarbeiter der Stiftung für Deutsch-Polnische Versöhnung Jerzy Haszczyński im Kommentar zur Umfrage, habe den Eindruck, dass mit dem Austausch der Läufer im Staffellauf der Generationen die Normalität zwischen Polen und Deutschland zunehmend zur Norm wird. Und dieser Trend, so Haszczyński werde sich, trotz der Bemühungen von Populisten, durchsetzen. Natürlich unter bestimmten Bedingungen. Die erste sei der Verzicht Berlins auf eine Politik der Bevormundung in den Beziehungen zu Warschau und eine faire Partnerschaft zwischen beiden Ländern. Die zweite sei ein endgültiger Bruch Deutschlands mit dem Mythos eines guten und wohlwollenden Russlands unter dem einen oder anderen Putin. Und schließlich ein stärkerer Fokus der polnischen Nachrichtenkanäle auf wirtschaftlichen Themen. Denn hier würde uns definitiv mehr verbinden, als trennen. Und in diesem Sinne seien wir aufeinander angewiesen, so Jerzy Haszczyński in der Rzeczpospolita.
Autor: Adam de Nisau