Deutsche Redaktion

Kriegsentschädigungen - "Polen muss deutsche Justiz unter Druck setzen"

05.01.2023 14:16
Geht es nach Historiker Bogdan Musiał, habe Deutschland keine Chance, sich aus Entschädigungen herauszuwinden. Außerdem: Sollte Polen seine Hilfe für die Ukraine auf internationaler Arena stärker exponieren? Und: Eine Kumulation von Infektionskrankheiten mach auch den polnischen Gesundheitssystem zu schaffen.
Prof. Bogdan Musiał
Prof. Bogdan Musiałbydgoszcz.tvp.pl

DoRzeczy: Kriegsentschädigungen - "Polen muss deutsche Justiz unter Druck setzen"

Er wäre sehr überrascht gewesen, wenn Deutschland anders als mit einer Absage reagiert hätte, sagt der in Deutschland wohnende polnische Historiker Bogdan Musiał im Gespräch mit dem Wochenblatt DoRzeczy. Wenn die Regierung dieses Thema aufgreife, so der Historiker,  müsse sie auch auf eine solche Antwort vorbereitet sein. Geht es nach dem Akademiker, sollte Warschau jetzt zweigleisig vorgehen. Erstens sollte die Regierung nach einem legalen, internationalen Weg zu Entschädigungen suchen. Zweitens müsse Warschau auch innerhalb von Deutschland Druck auf die Gesetzgeber und die Justiz ausüben und dabei die Rehabilitierung der ermordeten Polen fordern. Denn, so Musiał, Deutsche Gerichte, hätten in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren diesen Morden eine sogenannte sekundäre Legalität verliehen. Dadurch seien die Mörder nach deutschem Recht unschuldig.  Es gebe heute jedoch juristische Instrumente, mit denen Zehntausende solcher Rehabilitationsprozesse für von Deutschen ermordete Polen eingeleitet werden können.

Der letzte Schritt sei die Wiedergutmachung. Hier hätten die Deutschen, laut dem Historiker, keine Chance, ungeschoren davonzukommen. Rechtlich gesehen, hätten sie keinen Ausweg. Polen müsse dazu nur systematisch vorgehen, die deutschen Gesetze und Vorschriften sorgfältig studieren und eine Wiedergutmachung verlangen. Ein solcher Prozess wäre laut Musiał auch gut für die Geschichtspolitik. Polnische und deutsche Medien würden darüber berichten und die Aufmerksamkeit der Bürger auf diese Angelegenheit richten. In Deutschland sei nämlich die Überzeugung gängig, dass nichts passiert sei und die Polen nicht Opfer des Krieges sondern seine Nutznießer gewesen seien, so Bogdan Musiał im Gespräch mit DoRzeczy.

Dziennik/Gazeta Prawna: Polen hebt seine Hilfe für die Ukraine zu wenig hervor

Die ukrainischen Streitkräfte verfügen derzeit über rund 70 polnische „Krab"-Panzerhaubitzen. Der polnische Staat habe den Ukrainern u.a. auch Munition, T-72-Panzer, „Grot"-Gewehre eigener Produktion oder „Newa"-Flugabwehrsysteme geliefert. Man könne noch lange über die polnische Hilfe sprechen, schreibt Maciej Miłosz in der DGP. Der Autor findet es daher unverständlich, wieso Polen dies nicht stärker nutze, um sein Ansehen auf internationaler Arena zu stärken. Nach den ersten Wochen des Krieges, in denen internationale Medien von der Solidarität der Polen begeistert gewesen seien, so Miłosz, herrsche heute rund um das Thema weitgehend Funkstille. 

Deutschland indes würde die Statistiken zu Waffenlieferungen leicht zugänglich präsentieren. Diese würden dann von großen globalen Medien zitiert. Die Deutschen und Amerikaner würden die für die Unterstützung ausgegebenen Beträge im Detail berechnen und veröffentlichen. In Polen indes sei alles geheim und sogar für heimische Journalisten nur sehr schwer zugänglich.

Der Ukraine zu helfen sei eine würdevolle Sache, fährt Miłosz fort. Und sie werde im Westen auch eher positiv gesehen. Daher sollte Polen seine führende Rolle in diesem Bereich stärker exponieren. Wenn der Staat Milliarden für die Unterstützung der Ukraine ausgebe, dann lohne es sich auch, Tausende von Euro auszugeben, um das eigene Image im Ausland durch geeignete Informationskanäle zu schützen. Polen helfe der Ukraine sehr intensiv. Aber wir sollten uns auch selbst helfen, so Maciej Miłosz in Dziennik/Gazeta Prawna. 

Rzeczpospolita: Starker Anstieg von Infektionskrankheiten in Polen

Im Jahr 2022 habe Polen eine starke Zunahme von Infektionskrankheiten verzeichnet. Seitdem seien Grippe und ähnliche Infektionen auf dem Vormarsch, schreibt die Rzeczpospolita am Donnerstag. Den jüngsten Daten des Nationalen Gesundheits-Instituts zufolge, sei auch die Zahl der Scharlach- und Pocken-Patienten gestiegen. Wie Experten beobachten, sei die Zahl solcher Infektionen 2021, als es noch viele pandemiebedingte Kontaktbeschränkungen gegeben habe, niedriger gewesen. Und da die Inzidenz in den letzten zwei Jahren geringer gewesen sei, hätte sich nun eine größere Zahl anfälliger Personen angesammelt. Impfgegner in Polen, aber auch unter den Kriegsflüchtlingen seien ein weiterer Faktor, der zu der Infektionswelle beitrage. Auch die Zahl der neu diagnostizierten HIV-Infektionen habe sich von nahezu 2400 Fällen im letzten Jahr fast verdoppelt. Menschen würden nach der langen Isolation mehr reisen und zu größerem Risiko bereit sein. Das, so das Blatt, fördere die Zunahme von sexuell übertragbaren Krankheiten.

Polens Problem in diesem Kontext bleibe das schwache Versorgungssystem für Menschen mit saisonalen Infektionen. Nach Ansicht von Experten sollten deshalb spezielle Infektionszentren eingerichtet werden. Dadurch würden beispielsweise Grippepatienten nicht in der gleichen Schlange warten müssen, wie Diabetiker, die nur wegen eines Rezepts zum Arzt gehen. Die unnötige Ansteckungsgefahr könnte dadurch ausgeschlossen werden, so Rzeczpospolita.

Autor: Adam de Nisau