Deutsche Redaktion

Die Probleme des Verteidigungsministers

19.05.2023 12:47
Die Spannungen rund um die bei Bydgoszcz gefundene Rakte zwischen dem Verteidigungsminister und den Generälen bleiben ein wichtiges Thema der Pressekommentare. Außerdem: Verliert Peking die Geduld mit Russland? Die Einzelheiten in der Presseschau.
W lesie pod Bydgoszczą spadła rosyjska rakieta. Radosław Fogiel w radiowej Jedynce odniósł się do opozycyjnej krytyki
W lesie pod Bydgoszczą spadła rosyjska rakieta. Radosław Fogiel w radiowej Jedynce odniósł się do opozycyjnej krytykiPAP/Tytus Żmijewski

Gazeta Wyborcza: Die Probleme des Verteidigungsministers 

Offiziell verteidigt die Regierungspartei Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak. Nach der ganzen Affäre rund um die im Dezember bei Bydgoszcz abgestürzte russische Rakete, fehle es im Regierungslager aber auch nicht an denjenigen, die den Vizepremier hinter vorgehaltener Hand kritisieren, schreibt in ihrem heutigen Aufmacher die linksliberale Gazeta Wyborcza. Błaszczak, erinnert das Blatt, hatte behauptet, nichts von der Rakete gewusst zu haben, dem Operationellen Befehlshaber der Streitkräfte Vernachlässigungen vorgeworfen und eine mögliche Demission des Militärs in Aussicht gestellt. Der betroffene General habe daraufhin in einer Aufnahme bekräftigt, dass die Armee sich nichts vorzuwerfen habe. Und der Generalstabschef habe erklärt, dass er seine Vorgesetzten persönlich über die Rakete informiert hat. Staatspräsident Andrzej Duda habe sich in dem Konflikt auf die Seite der Generäle gestellt, Demissionen ausgeschlossen und stattdessen ein Treffen der betroffenen Seiten im Präsidentenpalast anberaumt.

“Duda liegt es daran, die Situation zu schlichten. Denn es ist jetzt nicht die Zeit, um Generäle und Regierung gegeneinander aufzuhetzen”, sagt ein Gesprächspartner aus dem Regierungslager im Gespräch mit dem Blatt. Und auch in der Regierungspartei, lesen wir, würden viele die Schuld beim Verteidigungsminister sehen. “Ich will mich nicht derb ausdrücken, deswegen frage ich nur, wozu sich fremde Geheimdienste abarbeiten sollen, wenn jeder alles im Internet lesen kann, nur weil der Minister sich um jeden Preis verteidigen will”, so ein PiS-Politiker im Gespräch mit der Zeitung. Die Sympathiker des Verteidigungsminister seien indes der Meinung, dass interne Opponenten die Situation nutzen wollen, um Błaszczak politisch zu schaden, so Gazeta Wyborcza.


Dziennik/Gazeta Prawna: Schlachtfeld Verhandlungstisch

Im Schatten der auf der ukrainischen Steppe laufenden Kampfhandlungen arbeitet die Diplomatie. Und zwar immer intensiver. Ist das der Anfang vom Ende dieses Kriegs, fragt in seiner Wochenendausgabe das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Und macht vor allem auf die sichtbaren Änderungen in Chinas Haltung zum Krieg aufmerksam. Das Reich der Mitte, lesen wir, habe das erste Jahr des Kriegs verschlafen, indem es alles auf Russland gesetzt habe. Doch nun strebe Peking offenbar zunehmend eine Diversifizierung seiner Politik an. Eben diesem Ziel diene die Europa-Tournee des ehemaligen chinesischen Botschafters in Russland, Li Hui, der nun in der Rolle des Sondergesandten für Euroasiatische Angelegenheiten auftrete. Auch Ukraines Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj verlasse Kiew immer häufiger, um wichtige Hauptstädte des Westens zu besuchen und Deklarationen in Bezug auf die weitere militärische Unterstützung zu erringen. Und im Hintergrund stehe das immer schwächere Russland sowie Kalküle zu einer neuen Weltordnung. 

Wer sich von dem Besuch von Li Hui in Kiew einen Durchbruch erhofft habe, so das Blatt weiter, sei zwar enttäuscht worden. Dennoch sei die Visite, sei es auch nur auf symbolischer Ebene, wichtig gewesen. Es sei der erste Aufenthalt eines so ranghohen chinesischen Diplomaten in der ukrainischen Hauptstadt seit der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Es sei auch ein Signal, dass das letzte Telefongespräch zwischen Xi Jinping und Selenskyj, das Moskau ernsthaft beunruhigt habe, keine einmalige und leere Geste gewesen sei. Viel eher sei deutlich geworden, dass Peking seine bisherige Haltung zum Krieg neu überdenke.

Die bisherige Strategie habe es China zwar ermöglicht, die Einheit des Westens auf Kosten Russlands zu testen und Russland in eine Vasallen-Rolle zu drängen. Doch sie habe auch einen entscheidenden Nachteil gehabt. Sie habe China von der Liste der wichtigen Spieler in der Ukraine selbst eliminiert und das Land damit gänzlich der westlichen Einflusssphäre überlassen. Und das, obwohl die Ukraine für China wirtschaftlich ein wichtiger Partner sei. In den ersten Monaten des Kriegs habe Peking vielleicht noch darauf gehofft, dass die Invasion, trotz anfänglicher Schwierigkeiten, mit einer Übernahme der ukrainischen Aktiva durch Russland endet. Doch spätestens seit der erfolgreichen Gegenoffensive im Herbst hätten sich solche Kalkulationen als inaktuell erwiesen. Und das sei wohl auch der Moment gewesen, als in China der Prozess der Redefinition der Politik gegenüber dem Konflikt begonnen habe. Auch der Druck von Seiten der USA und anderer wichtiger westlicher Staaten seien wohl nicht ohne Bedeutung gewesen, da die nach der Pandemie mitgenommene chinesische Wirtschaft sich einen Abbruch der Zusammenarbeit mit dem Westen einfach nicht leisten konnte.

Nun, so das Blatt, wolle China offenbar die immer unzuverlässigeren Informationen des Kremls zur Situation an der Front mit Informationen aus erster Hand ersetzen und seine Position in der Ukraine stärken. Zudem sende Peking mit seinem Engagement auch ein weiteres Signal, dass China globale Ambitionen hege und sich als nützlicher Vermittler bei unterschiedlichen Konflikten erweisen könne.

Nicht ohne Bedeutung für das Kalkül von Xi Jinping seien schließlich auch die sich verschlechternden Perspektiven des russischen Regimes auf einen Machterhalt. Schon im Januar und Februar habe Russland 40 Prozent seines diesjährigen, sowieso präzedenzlos hohen, Militärhaushalts ausgegeben. Das wiederum mache drastische Einschnitte bei anderen Ausgaben in den kommenden Monaten wahrscheinlich. Diese würden sich wiederum zweifellos auf die Stimmung in der Gesellschaft und die Strategie vieler Mitglieder der Eliten auswirken, so Dziennik/Gazeta Prawna.


Autor: Adam de Nisau