Deutsche Redaktion

"Regierungspartei wirft Atombombe auf das politische Spielbrett"

01.06.2023 14:16
Welchen Einfluss wird der neue Ausschuss auf die öffentliche Debatte und die Medien haben? Könne das neue Gremium überhaupt neues objektives Wissen liefern? Und: Wie werden die USA reagieren? Der Ausschuss zur Untersuchung russischer Einflüsse bleibt das führende Thema der Pressekommentare. 
W audycji rozmowa o pracy wywiadu cywilnego w PRL
W audycji rozmowa o pracy wywiadu cywilnego w PRLStokkete/Shuttestock

Rzeczpospolita: Hinter der Kommission stecken schlechte Absichten

Es gehe nicht darum, russische Agenten aufzuspüren, sondern darum, politische Gegner zu unterdrücken, um ihnen ihre Wahlchancen zu nehmen, schreibt Tomasz Pietryga in der Rzeczpospolita zum Plan der Regierungspartei eine Kommission zur Untersuchung russischer Einflüsse einzurichten.

Es sei schlecht, heißt es, wenn Gesetze für politische Zwecke geschrieben würden. In Polen gebe es viele solcher Beispiele. Das Gesetz über den neuen Ausschuss gehe aber weit über diesen, dem Autor nach, ohnehin schon schlechten Standard hinaus. Es bleibe zwar fraglich, ob dieses juristische Monstrum, so Pietryga, den Oppositionsführern tatsächlich den Weg zu den wichtigsten staatlichen Institutionen versperren werde. Aber die Idee selbst sei schon von schlechten Absichten geprägt.

Die höchstwahrscheinlich rein politisch besetzte Kommission werde das öffentliche Leben weiter brutalisieren, fährt Pietryga im Blatt fort. Sie werde eine gewaltige Spirale sozialer Emotionen in Gang setzen und die Spaltung in Polens Gesellschaft noch weiter vertiefen. In der hitzigen Zeit vor den Wahlen würden die Emotionen leicht auf die Straße und in polnische Haushalte überschwappen, heißt es. Das Gesetz könnte sich auch zerstörerisch auf die Beziehungen zwischen den Regierenden und Medien auswirken. Indem Journalisten vor den Ausschuss gestellt werden könnten, würden die Medien in das politische Schlachtfeld hineingezogen werden. Sie würden zu einem Gegner in einer politischen Auseinandersetzung und nicht mehr zu einem Prüfer dieser Auseinandersetzung. Dies könnte für die öffentliche Debatte tödlich sein, glaubt der Autor.

Die Partei Recht und Gerechtigkeit, lesen wir des Weiteren im Blatt, wolle um jeden Preis an der Macht bleiben. Dazu werfe sie eine Atombombe auf das politische Brett. Bisher habe die Rechte die Wahlen mit sozialen Programmen, sozialer Solidarität und der Glaubwürdigkeit der gemachten Versprechen gewonnen, heißt es abschließend im Kommentar. Heute habe sich die Partei Recht und Gerechtigkeit die Zerstörung des sozialen Lebens zum Ziel gesetzt, und keine noch so harte Wahlkampagne könne dies rechtfertigen, lautet Tomasz Pietrygas Fazit im Tagesblatt.


Dziennik/Gazeta Prawna: Hammer gegen die Opposition

DGP schreibt indes, es habe wenig Sinn, sich auf eine Diskussion über die spezifischen rechtlichen Regelungen der Kommission zur Bewertung des russischen Einflusses einzulassen. Der Zweck der Kommission sei klar definiert. Ihre Rechtsvorschriften würden nur diesem Zweck dienen. Eine Diskussion über die Einzelheiten würde nur von der Tatsache ablenken, dass es sich lediglich um einen gegen die Opposition gerichteten Hammer handle. Dennoch lohne es sich, mit dem Mythos zu brechen, heißt es, dass die Öffentlichkeit im Laufe der Schauprozesse mit zusätzlichem und objektivem Wissen versorgt werde.

Geht es nach dem Blatt, werde die Kommission nämlich nicht im wirklichen Interesse der Öffentlichkeit, sondern nur zum Aufsehen handeln. Der Ausschuss werde darüber hinaus unbegrenzte Möglichkeiten haben, an Informationen zu gelangen. Auch an solche, die geheim seien und z.B. der Schweigepflicht seitens Journalisten unterliegen.

Gleichzeitig habe die Sonderkommission sich selbst eine begrenzte Verpflichtung auferlegt, Informationen über ihre Tätigkeit der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Mitglieder der Kommission würden selbst entscheiden können, welche Informationen sie weitergeben. Eine öffentlich zugängliche Anhörung sei hier die Ausnahme, so das Blatt, nicht die Regel der Arbeit der Kommission. Mit anderen Worten: Anschuldigungen und Unterstellungen dürfen geäußert werden, heißt es, während es keine Verpflichtung geben werde, ihre tatsächliche Grundlage vollständig zu erläutern. Dies sei ein weiteres Element, das die Kommission näher an Femegerichte als an demokratische und transparente Mechanismen zur Kontrolle des öffentlichen Lebens stelle, schreibt DGP.

Polityka: Werden die USA dem Spielchen mit „russischen Spionen" ein Ende setzen?

In Polen sei die Suche nach russischen Agenten bisher ein Ritual und ein leeres politisches Spiel gewesen. Diesmal sei es anders. Der Krieg in der Ukraine habe alles verändert, schreibt die linksliberale Wochenzeitung Polityka.
Bei jeder größeren politischen Wende, die durch die Überschreitung der Grenzen von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verursacht wird, würden Polen ins Ausland blicken. Vor allem in die USA, heißt es. So wolle man sich vergewissern, ob und inwieweit ein innenpolitisches Problem externe Krisen ankündige.

Die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit tröste sich damit, lesen wir, dass die ausländischen Reaktionen auf das von Präsident Andrzej Duda verabschiedete Gesetz zur Schaffung einer Sonderkommission für russische Einflüsse auf Polens Politik, eher auf ein Missverständnis der Absichten seiner Urheber hinweisen, als dass sie eine Krise in den Beziehungen zu den Verbündeten ankündigen.

PiS-Politiker würden sich auch mit der Tatsache trösten, dass die Untersuchung des russischen Einflusses auch im Westen, wie in Frankreich, stattgefunden hat. Die Kommission könnte die Amerikaner daran erinnern, dass sie selbst erfolgreich die russische Einflussnahme auf die Präsidentschaftswahlen 2016 untersucht haben. Polens Präsident rufe auch die EU auf, eine solche Kommission einzurichten und die russische Einflussnahme auf EU-Ebene zu untersuchen. Das regierende Lager versuche somit das polnische Problem, so das Blatt, weiter auf die ganze EU zu übertragen.

Bei früheren Versuchen, die Rechtsstaatlichkeit zu verletzen, sei die PiS ungeschoren davongekommen, heißt es weiter. Diesmal könnte es anders sein. Das mit Bildern von russischen Verbrechen in der Ukraine gesättigte internationale Umfeld, würde ähnliche Anschuldigungen heute viel ernster nehmen. Der Krieg habe die Bedeutung von Desinformation, Fake News und russischem Einfluss verändert. Sie haben aufgehört, ein politisches Spiel zu sein. Sie seien zu einem Vorspiel für Verbrechen geworden. Jede derartige Anschuldigung und die Ankündigung ähnlicher Argumente für ein falsches innenpolitisches Spiel müsse Anlass zur Sorge geben. Der Krieg in der Ukraine habe den Westen für die Ernsthaftigkeit der russischen Bedrohung empfindlich gemacht.

Aber warum ist dieser Gesetzentwurf eigentlich so bedrohlich für die polnisch-amerikanischen Beziehungen, lautet die Frage im Wochenblatt. Der Krieg Russlands mit der Ukraine habe alles geändert. Was Washington vor zwei Jahren noch als Mätzchen einer unreifen osteuropäischen Demokratie ansah, habe nach Ausbruch des Krieges mit der Sicherheit der US-Soldaten und der Stabilität der militärischen und geheimdienstlichen Interessen der USA zu tun. In einem Frontland, in dem ein politischer Streit über den russischen Einfluss entbrannt ist, werde es schwierig sein zu beurteilen, wohin dieser Einfluss tatsächlich reiche und wie er sich auf die wichtigsten Interessen der Verbündeten auswirke.

Russische Geheimdienste und Einflussagenten seien in Polen und Europa zweifellos aktiv. Sie seien aber nicht unbedingt so sichtbar, heißt es weiter, wie Parteiführer Jarosław Kaczyński es gerne hätte. Wie sollte die Zusammenarbeit der verbündeten Geheimdienste bei der Spionageabwehr aussehen, wenn vertrauliche Informationen der polnischen Dienste vom Parlamentsausschuss zu den regierungsfreundlichen Medien und wieder zurück fliegen? Das bevorstehende Festival der Spionenjagd, so das Blatt am Schluss, werde die Glaubwürdigkeit sowohl der polnischen als auch der verbündeten Dienste bei der Aufdeckung echter Spione ernsthaft gefährden.

Autor: Piotr Siemiński